Regensburg
05.05.2019 - 22:01 Uhr

Ovigo-Theater glänzt bei Premiere von "A Clockwork Orange"

In einer neuen Bühnenfassung setzen die Oberpfälzer Laien-Darsteller den Kultroman von Anthony Burgess im ausverkauften "W1" in Regensburg in Szene. Die frische, mutige Inszenierung trifft den zynischen Grundtenor der Vorlage perfekt.

Jahrzehnte bevor der Begriff "Happy Slapping" für Gewaltexzesse "aus Spaß" durch die Medien geisterte, lässt Anthony Burgess in "A Clockwork Orange" in den 60ern die Rowdytruppe "Droogs" erstmals auf die Gesellschaft los. In einer neuen Bühnenfassung, die am Samstag Premiere im ausverkauften Zentrum für junge Kultur "W1" feierte, setzt das Ovigo-Theater nun den Kultroman in Szene. Und trifft in einer frischen, mutigen Inszenierung Burgess' zynischen Grundtenor perfekt.

Regisseur Florian Wein setzt bei der stringenten Bearbeitung des dystopischen, komplexen Stoffs des britischen Autors voll auf sein durchweg risikofreudiges, ausdrucksstarkes Ensemble. Dabei taucht er die sozialkritische Geschichte über Selbstbestimmung, Spielarten der Gewalt, Machtmissbrauch und Erwachsenwerden in eine extreme, teils verstörende Bilderflut. Filmähnliche Effekte wie drastische Gewaltszenen in Zeitlupe oder im Schattenspiel, alptraumhafte Sequenzen, eigens komponierte Gesangspassagen ("Was soll's denn nun sein, hm?" oder "Jung sein ist wie eine Krankheit") sowie eine kontrapunktierende Hintergrundmusik mit Beethoven-Motiven werfen ein beklemmendes Kopfkino an.

Waldsassen02.04.2019

Der despotische Anführer Alex (Daniel Adler), Quertreiber Dim (Julia Gitter), der radikale Georgie (einfach krass: Claudiu Soanca) und Mitläufer Pete (Sabrina Niebling-Gau) prügeln, vergewaltigen und pöbeln sich unter Drogen durch den Alltag. Entfremdete Außenseiter, die in der Kunstsprache "Nadsat" radebrechen. Eltern, Sozialarbeiter und Polizei haben resigniert. Bis Alex beim Überfall auf die "Katzenlady" (wehrhaft: Christina Götz) die letzte Grenze überschreitet und die alte Frau tötet. Alex wird verraten und verhaftet.

Variationen des Bösen

Gut und böse - die Rollen im Zwielicht der minimalistischen Bühne scheinen bis dahin klar verteilt. Während Alex in eine seltsame Maschinerie gerät und schließlich in einer dubiosen "Therapie" von seinem Trieb nach Gewalt und Sex befreit werden soll, beginnt das Premieren-Publikum nach und nach an einer solchen Schwarz-Weiß-Malerei (ein Extralob an Maske und Kostüme) zu zweifeln. Beamte wie der schmierige Mr. Deltoid vom Jugendamt (stark: Michael Zanner), machtgeile Politiker (überzeugend: Bernhard Zellner und Lisamarie Berger) oder eine gewalttätige Polizeitruppe entpuppen sich als kaum besser als die Verbrecher.

Auch optische Details entlarven sie: Da schauen unter dem Kittel des verrückten Gehirnwäsche-Arztes Brodsky (Enis Somrani) Fetischklamotten hervor, ein Polizist hat ein stilistisch verfremdetes Knast-Tattoo unter dem Auge und der widerliche Sozialarbeiter Deltoid (Michael Zanner) zeigt rotlackierte Fingernägel. Gute Menschen wie der Anstaltspfarrer sind rar. Regieassistent Bernhard Neumann sorgt - als Pfarrer und auch als geschundener Schriftsteller - mit einer aufwühlenden Darstellung für die hintersinnigen, philosophischen Momente. Quasi als Sprachrohr des Autors.

Orange mit Uhrwerk

Der glänzende Daniel Adler vollzieht mit dem Wandel seiner Figur dagegen eine wahre Tour de Force. Zunächst brutaler Täter, dann gequält und für die wechselnde "gute Sache" instrumentalisiert, ist sein überzeugender "Alex" am Ende wahrhaftig "schräg wie eine aufgezogene Orange" (Cockney-Ausdruck: "As queer as a clockwork orange"). Ein pawlowsches, entmenschlichtes Wesen ohne die Freiheit, wählen zu können.

"Ein Stoff wie dieser lässt sich nicht mit angezogener Handbremse inszenieren", sagt Wein über die eindringliche Bearbeitung. Das hat das Ensemble in einer Vollgas-Aufführung, deren Ende einen zwiegespalten zurücklässt, definitiv nicht getan.

Pfreimd19.03.2019
Termine:

Weitere Aufführungen

Ovigo spielt "A Clockwork Orange" noch an folgenden Terminen in der Oberpfalz:

  • Freitag, 10. Mai und Samstag, 11. Mai jeweils um 20 Uhr im "W1- Zentrum für junge Kultur" in Regensburg
  • Freitag, 17. Mai und Samstag, 18. Mai jeweils um 20 Uhr in der Glashütte Lamberts in Waldsassen
  • Freitag, 24. Mai um 20 Uhr in der kleinen Turnhalle der Landgraf-Ulrich-Schule in Pfreimd
  • Samstag, 25. Mai um 20 Uhr in der Schwarzachtalhalle in Neunburg vorm Wald
  • Samstag, 6. Juli um 22 Uhr "Late Night Special" in der Gärtnerei Baumer in Oberviechtach

Karten gibt es bei allen NT-ticket-Vorverkaufsstellen, über Telefon (0961) 85-550 und auf www.nt-ticket.de.

 
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