„Die U-Haft war für meine Familie eine Katastrophe“, sagte Anja Wolbergs, die am 36. Verhandlungstag als Zeugin geladen war. „Ich konnte es nicht fassen.“ Ihre Aussage war mit Spannung erwartet worden. Der Saal 104 des Landgerichts Regensburg, in dem seit September die Frage geklärt werden soll, ob Joachim Wolbergs als Amtsträger Vorteile von Bauträger Volker Tretzel angenommen hat, war so gut gefüllt wie schon lange nicht mehr.
Auf Nachfrage von Richterin Elke Escher berichtete Anja Wolbergs, dass ihr Mann seit den Erlebnissen in der geschlossenen Abteilung in der Straubinger JVA schlecht schläft und Alpträume hat. Seit Herbst 2015 leben die Eheleute voneinander getrennt, sehen sich nach eigenen Angaben aber täglich. Sie selbst leide unter Angstzuständen, ihre Tochter habe eine chronische Krankheit davongetragen, sagte Anja Wolbergs. Während ihr Mann in U-Haft zunächst abgeschirmt war, habe die tägliche Berichterstattung sie und die Kinder unmittelbar getroffen. „Eine Hetzjagd“, meinte die gebürtige Regensburgerin. Ohne die Unterstützung von Kollegen, Lehrern und Mitschülern im engsten Umfeld „wäre es nicht ertragbar gewesen“. Ihre Erlebnisse hat Anja Wolbergs bereits in einem Roman verarbeitet, der im vergangenen Sommer veröffentlicht wurde.
Die 49-Jährige ist von der Unschuld ihres Mannes überzeugt. „Er ist keiner, der auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist“, sagte sie. Eine Handwerker-Leistung im Eigenheim ohne Rechnung sei für ihn nicht denkbar gewesen. „Ich habe dann halt selbst gestrichen.“ Penibel habe er darauf geachtet, nichts umsonst zu bekommen, weil er Stadtoberhaupt war.
Weniger genau sei er allerdings bei Geldfragen allgemein gewesen, sondern eher ein „Schlamper“. Geld bedeute ihm einfach nichts. Das könne mit seinen vermögenden Eltern zu tun haben, meinte Anja Wolbergs, die in der Familie immer für die Finanzen zuständig war – bis heute. Oder auch damit, dass sein Interessensschwerpunkt ganz klar in der Politik lag. „Hätte man ihn um 3 Uhr früh geweckt und nach etwas Politischem gefragt, hätte er eine Stunde referiert. Seinen Kontostand hätte er nicht nennen können.“
Ähnlich äußerte sich am Nachmittag Anja Wolbergs‘ Mutter im Zeugenstand über ihren Schwiegersohn. Kostenlose Würstel bei einem Stadtteilfest habe der „Wolli“ abgelehnt, er habe als Stadtoberhaupt keine Vorteile annehmen wollen. Von 8 Uhr morgens bis spät in die Nacht habe er sich für die Menschen in der Stadt ins Zeug gelegt. Auf seinen Arbeitseifer schiebt es die Schwiegermutter auch, dass die Ehe mit ihrer Tochter in die Brüche ging. Die beiden hätten sich schlicht zu wenig gesehen.
Zu den Vorwürfen gegen Joachim Wolbergs trugen die beiden Frauen wenig bei. Anja Wolbergs ist bis heute Kassiererin beim SPD-Ortsverein Regensburg-Süd, bei dem die Wahlkampfspenden eingingen, die Teil der Anklage sind. Zwar seien ihr zahlreiche Spenden knapp unter der Veröffentlichungsgrenze von 10 000 Euro aufgefallen, sagte sie, nicht aber, dass sie über die Jahre immer wieder von den gleichen Personen überwiesen wurden. Dem Bauteam Tretzel habe sie unter den Spendern nur einen Mitarbeiter sowie Volker Tretzel selbst zuordnen können. Die Ermittler gehen von einer gestückelten Großspende von Tretzel aus.
Wolbergs‘ Schwiegermutter wurde zu einer Wohnung befragt, die sie 2015 vom Bauteam Tretzel (BTT) kaufte. Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass sie die Wohnung „allein im Hinblick auf die Stellung des Angeschuldigten Wolbergs als Oberbürgermeister“ um knapp 50 000 Euro günstiger bekam. Die Schwiegermutter hingegen führte aus, dass Wolbergs weder in die Wohnungssuche noch in den Kauf involviert war. Er sei zu dieser Zeit als OB sehr beschäftigt gewesen, sie habe ihn kaum gesehen. Dass der Innenausbau der Wohnung vertraglich ausgenommen war, obwohl BTT diesen doch übernahm, sei ihr beim Notartermin nicht aufgefallen. Ihr sei von BTT ein Komplettpreis genannt worden, den habe sie auch bezahlt.
Auch beim Kauf einer weiteren BTT-Wohnung durch Wolbergs‘ eigener Mutter vermuten die Ermittler Preisvergünstigungen. Die 78-Jährige sollte dazu eigentlich am nächsten Montag aussagen. Wolbergs’ Anwalt Peter Witting kündigte am Donnerstag aber an, dass sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht. „Sie ist 78. Die Aufregung ist zu groß.“















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