Was denn nun? Besser ein schlechter Deal als gar kein Deal? Oder: Besser ein Schein-Brexit als gar kein Brexit? Am Sonntag soll ein EU-Sondergipfel das Verhandlungsergebnis absegnen, Mitte Dezember das britische Unterhaus über den Deal abstimmen. Der Clou: Nach jetzigem Stand wird Premierministerin Theresa May scheitern.
Auch fast zweieinhalb Jahre nach dem Brexit-Votum und nach 16-monatigen Verhandlungen weiß London nicht, wie es umgehen soll mit der historischen Fehlentscheidung von 2016. Der Brexit erweist sich als Fata Morgana. Großbritannien ohne die EU, das geht nicht. Genau das steht letztlich auch im 585-seitigen Vertrag. Noch mehr: Bis 2022 wird sich so gut wie nichts ändern - und danach nicht viel. Es sei denn, London wäre bereit zum Harakiri.
Die Stimmen für ein zweites Referendum mehren sich. Kürzlich haben 700 000 Menschen in London für einen weiteren Volksentscheid und den Verbleib in der EU demonstriert. Anders als 2016 sind jetzt die EU-Befürworter in der Offensive. Und ein Großteil der Argumente, mit denen die EU-Gegner für den Brexit mobil machten, hat sich als Lüge erwiesen.
Natürlich bleibt Großbritannien EU-skeptisch. Natürlich pochen viele Briten auf die volle Souveränität. Natürlich trauern sie den Zeiten nach, als das Land noch ein Global Player war. Deshalb würde auch ein weiteres Referendum sehr knapp ausfallen, aber mit einer Mehrheit für den Verbleib in der EU. Trotzdem ist ein weiteres Referendum die ehrlichere Lösung als ein Schein-Brexit.
Aber darf man ein Volk solange abstimmen lassen, bis das Ergebnis "stimmt"? In diesem Fall ja. Denn genau genommen gilt bis heute, wofür sich die Briten schon beim allerersten Referendum 1975 entschieden haben - für eine ganz besondere Mitgliedschaft in der EU.
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.