Wir zitieren ein Sprichwort, das auf diesen Fall wie angegossen passt. Es lautet: "Der Berg kreißte und gebar eine Maus." Am 15. Oktober 2017 lotsten zwei Verkehrspolizisten einen auf der A 6 bei Schmidgaden (Kreis Schwandorf) des Weges kommenden Transporter an den Rastplatz Stockerholz und kontrollierten ihn dort. Was die Beamten im Innern des aus Tschechien stammenden Fahrzeugs sahen, sorgte später für Aufregung in ganz Deutschland: In Käfigen und Behältern wurden 8061 lebende Tiere befördert.
Die Sicherstellungsliste nahm sich aus wie ein Blick in Brehms Tierleben: Weit über 6000 Mäuse, 1300 Wanderraten, dazu 250 Hamster, etliche Chamäleons und Chinchillas sowie 100 äußerst seltene Axolotl, die zur Gattung der Querzahnmolche gehören. Das schier unglaublich umfangreiche Kreaturen-Konvolut wurde beschlagnahmt und ins Amberger Tierheim gebracht. Dort geriet man in eine bis dahin nicht gekannte Versorgungslage. Später wurde die lebende Fracht auf insgesamt 42 Unterbringungsgsorte verteilt.
Tiertransport aus Tschechien: Das geschah im Oktober 2017
500 Euro Sicherheitsleistung
Der fünf Stunden vor dem Polizeistopp in seiner tschechischen Heimat aufgebrochene Fahrer, damals 27 Jahre alt, musste 500 Euro Sicherheitsleistung hinterlegen und kehrte an seinen Standort zurück. Die Begleitpapiere kamen erst in die Hände der Polizei und später auf den Tisch eines Oberstaatsanwalts. Der Strafverfolger leitete umfangreiche Ermittlungen ein. Dabei stellte sich nach einiger Zeit heraus: Die Unterlagen für den Transport, der nach Belgien und Frankreich hätte führen sollen, waren in Ordnung.
Einem großen Verfahren war irgendwann der Wind aus den Segeln genommen. Die Staatsanwaltschaft musste zurückrudern. Auch schon deshalb, weil ein von ihr zum Veterinär-Gutachten beauftragter Professor zu der Ansicht gelangt war, den Wirbeltieren im Transporter habe es allenfalls an Frischwasser und womöglich an Luft gemangelt. Deswegen setzte es für den Fahrer (27) und dessen Auftraggeber (41), einen in Tschechien ansässigen Tierhändler, Strafbefehle in Höhe von 60 Tagessätzen. Beide legten Einspruch ein.
Anwälte aus Bielefeld
Jetzt, nahezu drei Jahre nach dem vermeintlich spektakulären Aufgriff, der Tierschützer bundesweit in Rage gebracht hatte, wurde die Causa "Wanderraten, Mäuse, Axolotl und sonst noch so einiges" vor der Schwandorfer Amtsrichterin Jennifer Jäger verhandelt. Wohlgemerkt dabei: Es ging nur um die Wasserversorgung und die Luftzufuhr im Transporter. Andere Vorwürfe wie etwa beengte Platzverhältnisse gab es nicht.
Für den Tierhändler aus Tschechien sprach dessen eigens aus Bielefeld angereiste Anwältin Eva Schramm. In einem gut 20 Minuten langen Vortrag beschrieb sie ihren Mandanten als Fachmann, der mit eigens dafür umgerüsteten Transportern "in ganz Europa lebende Fracht zu Abnehmern bringen lässt". Überwacht dabei von tschechischen Behörden, vorher nicht beanstandet. Mithin also ein für sein Metier "geschulter Unternehmer". Die gleiche Integrität und Ausbildung machte Verteidiger Klaus Kazior (ebenfalls Bielefeld) für den Fahrer geltend. Nie, so wurde versichert, seien beide als Tierquäler gerügt worden.
Dann wurde debattiert. Wie war das also mit der Frischluftzufuhr im Kastenwagen? Anwältin Schramm ("Wir wollen Freispruch") führte ins Feld: "Es gab eine Klimaanlage." Die Richterin bohrte weiter nach: "Und Wasser?" Auch dazu erhielt sie eine Antwort: "Futter mit Möhren und Gurken war vorhanden. Da ist viel Wasser drin." Und außerdem: "Die Tiere haben ihre Reise mit vollen Bäuchen angetreten."
Wasserflaschen an Bord
Die Richterin fragte gleich danach sich und alle anderen, ob die Lebewesen denn auf dem noch weiten Weg bis Belgien und Frankreich nicht doch irgendwann etwas Flüssiges hätten bekommen müssen. "Aber ja", ließ der Chauffeur übersetzen, "ich hatte Wasserflaschen dabei." Mit anderen Worten: Die Tränkung hätte bei einer Rastpause schon stattgefunden.
Nach dreijähriger Verfahrensdauer nahte das Ende weitaus schneller als ein Axolotl kriechen kann. "Einstellung gegen Geldauflage", schlug die Richterin vor und fand Zustimmung. Dieser Betrag liegt bereits in der Staatskasse. Es handelt sich um die seinerzeit verlangten 500 Euro Sicherheitsleistung. Die Zeugen konnten gehen, auch der Sachverständige im Professorenrang trat unvernommen seine Heimreise nach München an. Ein finaler Strich also, der die Frage nach den Kosten aufwirft. Der deutsche Staat hat dafür aufzukommen. Allerdings müssen die beiden Tschechen die Honorare ihrer Anwälte begleichen.
Drei Jahre Verfahren
Wie kann es sein, dass ein Verfahren drei Jahre dauert, bis es zum Abschluss kommt? Im Fall des von der Polizei gestoppten Tiertransports lautet die Antwort so: Erst musste die Staatsanwaltschaft längere Zeit ermitteln und dabei auf das Gutachten eines Sachverständigen warten, der sich umfangreich mit den Akten zu beschäftigen hatte.
Als es vorlag, wurden im Spätherbst 2018 Strafbefehle gegen zwei beschuldigte Tschechen erlassen. Beide legten Einspruch ein. Dann wurde der damals zuständige Richter krank. Damit häuften sich, weil Ersatz erst nach langer Zeit kam, die unerledigten Fälle beim Schwandorfer Amtsgericht.
8061 Tiere waren im Oktober 2017 auf der A 6 beschlagnahmt worden. Sie wurden erst nach Amberg gefahren, dann an insgesamt 42 Orten in Tierheimen untergebracht und versorgt. Ihr tschechischer Besitzer, so verdeutlichte sich im Prozess, hat Eigentumsverzicht erklärt. Dazu zählt auch ein weiterer Teil der Fracht. Dabei handelte es sich um tote und tiefgefrorene Tiere, die zu Futterzwecken transportiert wurden.
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