LEO träumt: Nadine Laemmler über hartes Training, Rückschläge und ihren Traum von Olympia

Schwandorf
24.05.2022 - 13:57 Uhr
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Internationale Erfolge, Topzeiten und ein ungebrochener Wille: Als eine der besten deutschen Schwimmerinnen erkämpft sich die Grafenrichterin Nadine Laemmler eine beispiellose Profi-Karriere - voll Erfolge, aber auch harter Rückschläge.

Mit ihren heute 27 Jahren beendet sie ihre aktive Sport-Zeit und blickt auf unvergessliche Augenblicke, aber auch harte Rückschläge, zurück. Und sie verrät, warum sie auch heute noch an ihrem großen Traum von Olympia festhält.

Nadine Laemmler lebt für das Wasser, den Sport, „das Gefühl, dass man verspürt, wenn man auf dem Startblock steht und weiß: Jetzt kommt es darauf an“. Hinter ihr liegen über 20 Jahre hartes Training, große Erfolge und ihr Ziel: Olympia. „Als Schwimmerin habe ich das leider nicht geschafft. Aber noch gebe ich meinen Traum nicht auf.“ Am 3. November 2021 gibt die 27-Jährige das Ende ihrer Karriere bekannt. „Ich habe lange darüber nachgedacht. Der Zeitpunkt war richtig. Auch, wenn mir die Entscheidung schwer war. Schließlich begleitet mich das Schwimmen schon mein ganzes Leben.“

Kleiner Anfang, großer Weg

Das erste Mal steigt Laemmler mit sechs Jahren ins Becken des Tus Dachelhofen. „Mein Papa war leidenschaftlicher Skifahrer, meine Mama Handballerin. Da haben sie beschlossen: unsere Tochter könnte etwas ganz anderes probieren. Also haben sie mich zum Schwimmen gebracht“, erinnert sie sich. „Alles hat klein angefangen mit zwei Mal Training pro Woche.“ Schnell merkt Laemmler, wie sehr ihr dieser Sport gefällt – und wie gut sie darin ist. Der Übergang zum professionellen Schwimmen kommt schon nach wenigen Jahren. Mit 12 Jahren wechselt sie nach Regensburg, um effektiver zu trainieren. Eine harte Zeit. „Aber ich wusste, wofür ich es mache.“ Ihre Tage sehen ab diesem Zeitpunkt so aus: 6 Uhr Training in Regensburg, Schulbeginn um 7.45 Uhr in Schwandorf, dann wieder nach Regensburg, um weiterzutrainieren. „Das war wahnsinnig anstrengend. Ich habe auf vieles verzichtet. Wenn sich meine Freunde nachmittags getroffen haben, war ich im Becken. Ich bin meinen Eltern heute noch unglaublich dankbar, dass sie diesen Weg mit mir gegangen sind. Sie haben mich zwei Mal pro Tag nach Regensburg gefahren. Rückblickend ist es schwer zu sagen, wer von uns in dieser Zeit mehr geleistet hat.“ Mit 15 Jahren der nächste Schritt: Die Schwimmerin wechselt an ein Nürnberger Sportinternat, schwimmt dort für den 1. FCN. „Das war schwer – so weit weg von zu Hause. Auch für meine Eltern. Aber ich bereue es nicht.“ Noch während ihrer Schulzeit wechselt steigt sie in einem Erlanger Sportprogramm ein: Unterricht bis 16.30 Uhr, dann mit dem Zug zum Training, nach drei bis vier Stunden wieder zurück ans Internat … „eine stressige Zeit. Doch ich hatte dort einen super Trainer, der mich motiviert und angetrieben hat. Rückblickend konnte ich meinen Weg nur gehen, weil ich die Unterstützung von vielen Menschen hatte.“

Gemeinsame Liebe

Nicht nur aus sportlicher Sicht ist die Zeit in Nürnberg für Nadine Laemmler erfolgreich. An der Bertholt-Brecht-Schule lernt sie ihren heutigen Freund Fabian kennen. Schnell verbindet beide mehr als nur ihre Leidenschaft fürs Schwimmen und den Profisport. Nach dem Abi ziehen sie gemeinsam für ihr Studium nach Heidelberg. „Das war perfekt, weil es in dieser Stadt auch einen Olympiastützpunkt gibt.“ In dieser Zeit reifen in Nadine zwei große Ziele: Einmal die deutsche Nationalmannschaft zu vertreten – „und ich wollte, dass etwas beim Schwimmen für mich rausspringt. Das zweite Ziel ist gar nicht so leicht. Schwimmen ist ein undankbarer Sport, vergleicht man es mit Profifußball. Diese Sportler bekommen unglaublich viel Geld, ein hohes Ansehen. Bei Schwimmern ist das anders.“ Nach eineinhalb Jahren merkt Nadine: Studium und Leistungssport sind kaum vereinbar. „Ein zu hohes Pensum.“ Auch ihr Lehramtsstudium erfüllt sie nicht. Von einem Freund erfahren sie und Fabian von der Möglichkeit, in den USA zu studieren. „Wir haben uns für ein Stipendium beworben – und es hat geklappt. Ziel zwei war somit erreicht. Der Sport hatte sich finanziell gelohnt.“ Viereinhalb Jahre verbringt sie in den USA. „Die beste Entscheidung eines Lebens.“ Die junge Frau trainiert hart, erlebt, was es bedeutet, „Teil eines unglaublichen Kollege-Teams“ zu sein. „Das habe ich am meisten geliebt, das Schwimmen im Team, die gegenseitige Motivation.“

"Freude und Leid"

In dieser Zeit erreicht sie ihr anderes, großes Ziel, erlebt aber auch einen bitteren Rückschlag. 2015 tritt Nadine Laemmler für die Deutsche Nationalmannschaft bei der Universiade an. 2016 dann die große Enttäuschung: Sie hat die Chance, sich für Olympia zu qualifizieren - in ihrer Disziplin 200 Meter Rücken. „Ich habe die Norm um zehn Hundertstel verpasst. Ich bin meine beste Zeit geschwommen und dennoch war es einer der schlimmsten Momente in meiner Karriere. Freude und Leid liegen so nah beieinander. Sport kann etwas so schmerzhaftes sein.“ Die damals 24-Jährige beginnt zu hadern. Mit dem Schwimmen, ihren Plänen, der Profikarriere. „Gleichzeitig bin ich aus dem Kollege-Team gefallen, weil mein Studium zu Ende war. Ich habe nur noch für mich selbst trainiert. Das war nicht mehr das, was ich wollte.“ Im Dezember 2017 tritt sie bei der Kurzbahn-EM in Dänemark an, kurz vor ihrer Rückkehr aus den USA. „Mein Tiefpunkt. Ich hatte keine Lust mehr, Rückenschmerzen, ich wollte das alles nicht mehr.“ Die junge Frau beendet ihre Karriere. „Es war einfach genug.“ 2018 zieht zu ihrem Freund nach Neckarsulm, der dort am Schwimm-Stützpunkt seine Profi-Karriere vorantreibt. „Ich habe ein Praktikum beim Stützpunkt angefangen, hauptsächlich im Marketingbereich.“ Nadine beobachtet die Schwimmer, verfolgt weiterhin Meisterschaften – und merkt: „Es zieht mich immer noch ins Wasser.“ Sie entdeckt ihre Liebe für den Sport wieder. „Es ist alles wieder hochgekommen. Wettkämpfe waren für mich immer das Schönste. Ich wollte es noch einmal versuchen. Und ich hatte Glück. Mein damaliger Chef war gleichzeitig Trainer.“ Nadine setzt sich ein Limit: Ich trainiere bis Dezember hart und trete bei den Deutschen Kurzbahnmeisterschaften in Berlin an. Bin ich erfolgreich, geht mein Weg als Profischwimmerin weiter.

Zurück an der Spitze

In Berlin holt sie mehrere Deutsche Meistertitel, schwimmt ihre persönliche Bestzeit. Sie ist zurück an der Spitze, zurück als eine der besten deutschen Schwimmerinnen. 2019, nur wenige Monate später, qualifiziert sie sich erneut für die Universiade. „Das war mein absolutes Highlight. Ich war erst so kurz wieder dabei, ein großer Erfolg.“ Im gleichen Jahr erkämpft sie sich einen weiteren deutschen Meistertitel auf ihrer Hauptstrecke 200 Meter Rücken, schafft wieder die Norm, um im Team der Nationalmannschaft zu schwimmen. Die Zeichen für Olympia stehen gut. Mehr als gut. 2020 startet sie mit den Neckarsulmer Schwimmern bei den Deutschen Mannschafts-Meisterschaften, schwimmt auch da Topzeiten. „Ich erinnere mich. Alle haben gesagt: Für Nadine wird es bei Olympia laufen. Und dann … kam Corona.“ Gemeinsame Trainingseinheiten, Wettkämpfe – „das alles war nicht mehr möglich“. Nadine und ihr Team versuchen dennoch, sich fit zu halten, vereinzelt zu trainieren. „Dann stand fest: Olympia wird um ein Jahr verschoben. Von 2020 auf 2021. Ab diesem Zeitpunkt stand für mich fest: Ich will noch einmal versuchen, mich zu qualifizieren, und dann höre ich auf.“

Drei letzte Chancen

Im April 2021 beginnt die Qualifikationsphase für Olympia. Drei Wettkämpfe, drei Chancen, um die Norm zu schwimmen. Der erste Versuch in Heidelberg scheitert. Auch in Eindhoven erreicht Nadine Laemmler die vorgegebene Zeit nicht. „Da wusste ich: Ich schaffe es nicht mehr.“ Die damals 26-Jährige zweifelt, hadert. Und auch in Berlin gelingt ihr es nicht, sich zu qualifizieren. „Das war eine riesige Enttäuschung – und eine schwierige Situation. Fabian hat die Olympia-Quali schon in Heidelberg geschafft. Ich habe mich natürlich wahnsinnig für ihn gefreut. Doch gleichzeitig ist mein großer Traum geplatzt.“ Doch Nadine Laemmler sichert sich das EM-Ticket für Mai 2021 in Budapest. Ihr letzter, großer Wettkampf. Der letzte Auftritt als Profischwimmerin. „Ich habe versucht, mich darauf zu konzentrieren. Aber ich bin schlecht geschwommen. Ich hätte mir einen anderen Abschluss gewünscht. Den Wettkampf habe ich aber sehr genossen.“

Der Traum von Olympia bleibt

Doch ein Abschied vom Becken ist das Ende ihrer Profi-Karriere nicht. „Sportlich wird man mich zwar nicht mehr allzu oft darin sehen – außer vielleicht bei einer Bier-Staffel – aber ich bin noch oft am Beckenrand.“ Heute arbeitet sie als Assistenz der Geschäftsführung der Neckarsulmer Sportler und übernimmt wichtige Aufgaben im Teammanagement. „Ich bin sehr glücklich. Es macht mir Spaß zu organisieren und ich kümmere mich gerne darum, dass es den Sportlern gut geht. Ich denke, das ist mein Vorteil: Ich kann mich gut in sie hineinversetzen“, erzählt Nadine Laemmler. Doch ein Traum bleibt: „Ich wäre langfristig gerne Teil des Deutschen Schwimm-Verbandes. Dann würde es doch noch klappen mit Olympia. Zwar nicht selbst im Becken, dafür aber vom Beckenrand aus.“

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Amberg09.05.2022
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