Jakob Graf über hartes Training, die bedeutende 200-Kilo-Marke und sein Ziel: den Deutschen Rekord

Störnstein
14.08.2023 - 12:00 Uhr
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Der gebürtige Störnsteiner ist leidenschaftlicher Kraftdreikämpfer. Ein Sport, in den er viel investiert. Vor wenigen Wochen gewinnt er den Bayerischen Meistertitel im Einzelbankdrücken. Zudem sichert er sich auch den Bayerischen Rekord.

Im Interview erzählt der disziplinierte 30-Jährige von seinem strikten Trainingsplan, aufregenden Wettkämpfen und wie er sein großes Ziel erreichen will: die 215 Kilo.

ONETZ: Du hast bei der Bayerischen Meisterschaft 190 Kilo gestemmt, ein neuer Bayerischer Rekord. Was bedeutet dir dieser Erfolg?

Jakob Graf: Es ist unbeschreiblich. Die Bayerische Meisterschaft im Einzelbankdrücken in Amberg war mein erster offizieller Wettkampf des Bundesverbandes Deutscher Kraftdreikämpfer, in meiner sportlichen Karriere erst mein zweiter. Der erste war 2017, eine Stadtmeisterschaft in Regensburg. Ich bin mit einem klaren Ziel in diese Bayerische Meisterschaft gegangen: Ich wollte 190 Kilo drücken. Im Training hatte ich dieses Gewicht schon oft geschafft, aber ein Wettkampf ist etwas anderes. Man ist angespannt, es gibt Kampfrichter, die deine Technik bewerten. Da passiert es schnell, dass man seine Bestleistung nicht abrufen kann oder ein Lift ungültig ist, weil man bestimmten Regularien nicht entspricht. Doch an dem Tag hat alles geklappt. Ich habe die 190 Kilo geschafft und damit nicht nur in meiner Klasse „bis 93 Kilogramm“ gewonnen, sondern auch den bisherigen Rekord, der bei 186 Kilo lag, eingestellt. Gleichzeitig habe ich mich für die Deutsche Meisterschaft im Einzelbankdrücken in Landshut qualifiziert, die in diesem Oktober sein wird. Für mich ist das ein Traum, der wahr geworden ist.

ONETZ: Wie hast du den Wettkampf erlebt?

Jakob Graf: Insgesamt sind 140 Teilnehmer in allen Altersklassen angetreten. Damen, Herren, unterschiedliche Gewichtsklassen. Ich bin für den Verein Kraftsport Niederbayern angetreten, bei dem ich seit kurzem Mitglied bin. Eine Vereinszugehörigkeit ist eine Voraussetzung, um teilnehmen zu können. Da ich jetzt in Regensburg lebe, habe ich mich für ihn entschieden. Zwei Stunden, bevor man an der Reihe ist, muss man sich einwiegen. Das bedeutet, es wird kontrolliert, ob man wirklich unter 93 Kilo wiegt, damit man in der Klasse antreten darf. Deshalb achte ich am Wettkampftag penibel genau darauf, dass ich nicht zu viel esse und trinke. Zusätzlich gibt es Dopingkontrollen und die Verantwortlichen prüfen, ob wirklich nur zugelassenes Equipment verwendet wird. Geht es los, hat man drei Versuche. Die Gewichte legt man selbst fest. Bei meinem Ersten habe ich 165 Kilo gestemmt. Ich wusste, dass ich das leicht schaffe. Beim Zweiten waren es 180 Kilo. Auch für ihn habe ich drei weiße Lampen von den Kampfrichtern bekommen, keine einzige rote. Dann habe ich die 190 Kilo geschafft, das hat an diesem Tag unglaublich gut funktioniert. Ich bin sicher, es wäre noch mehr drin gewesen. In diesem Moment war mir klar, dass ich in meiner Gewichtsklasse gewonnen und den Bayerischen Rekord eingestellt habe. Ich war mega glücklich, das bin ich immer noch. Am Ende des Wettkampfs habe ich sogar noch die Relativwertung gewonnen. Das bedeutet, dass das gestemmte Gewicht in Relation zum eigenen Körpergewicht gesetzt wird und so ermittelt wird, welcher der 140 Teilnehmer am meisten gehoben hat. Das war ich. Ein unglaubliches Gefühl.

ONETZ: Was hat dich zum Kraftdreikampf geführt? Und wie bist du so erfolgreich geworden?

Jakob Graf: Ich war in der Schule nie sportlich. Vor allem Ausdauersport war nie etwas für mich. Das Einzige, in dem ich wirklich gut war, war Kugelstoßen. Kräftig war ich schon immer. Als ich ungefähr 17 Jahre alt war hat sich ein Freund von mir in Störnstein einen kleinen Trainingsraum eingerichtet. Wir haben zusammen trainiert und ich habe schnell gemerkt, dass mir das brutal viel Spaß macht. Mein Körper hat sich verändert, ich habe schnell Erfolge gesehen. Ich habe gemerkt, dass ich stärker werde. Das hat mich so motiviert, dass ich auch während meiner Studienzeit weitergemacht habe. In Regensburg, wo ich jetzt wohne, habe ich mir dann ein Fitnessstudio gesucht, das spezielles Equipment für Kraftdreikämpfer anbietet und in dem viele andere Kraftdreikämpfer trainieren, die auch zu Wettkämpfen gehen. Der Austausch ist mir wichtig – über das Training, die richtige Ernährung, die Erfahrung. Ich habe mein Training kontinuierlich gesteigert, bis heute.

ONETZ: Welche Disziplin ist deine stärkste im Kraftdreikampf?

Jakob Graf: Kraftdreikampf setzt sich zusammen aus Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben. Im Bankdrücken bin ich am besten. Bisher habe ich noch keinen Kraftdreikampf-Wettkampf bestritten, aber das ist mein Ziel für das kommende Jahr – die Bayerische Meisterschaft. Deshalb werde ich die Bereiche Kniebeugen und Kreuzheben verstärkt trainieren.

ONETZ: Du stehst kurz vor der 200 Kilo-Marke im Bankdrücken. Finales Ziel oder nur eine weitere Etappe?

Jakob Graf: Definitiv ist die 200-Kilo-Marke aktuell mein Ziel. Das will ich unbedingt bis zur Deutschen Meisterschaft im Oktober erreichen. Ich will meine Technik perfektionieren und es so schaffen. Aber mein finales Ziel ist dieses Gewicht nicht. Ich will in den kommenden zwei bis drei Jahren den Deutschen Rekord knacken, der im Moment bei 213 Kilo im Bankdrücken liegt. Deshalb ist mein großer Plan die 215-Kilo-Marke. Habe ich das erreicht, sehe ich weiter.

ONETZ: Wie empfindest du den Moment, in dem du Gewichte in die Höhe stemmst?

Jakob Graf: Direkt davor gehe ich immer die gleichen Anhaltspunkte durch: Schultern zurück, Spannung im Bauch halten, Gewicht in den Rücken leiten. Ich stelle mir genau vor, welche Muskeln ich anspannen und wie die Stange liegen muss. Sobald ich die Stange heraushebe, denke ich an nichts mehr. Mein Kopf schaltet aus und ich spüre nur noch das Gewicht. Diese komplette Leere im Kopf, das ist toll. Weil ich das in meinem oft stressigen Alltag kaum habe. In diesem Moment gibt es nichts mehr außer das Gewicht und mich.

ONETZ: Wie trainierst du? Und wie bereitest du dich auf Wettkämpfe vor?

Jakob Graf: In meinem Alltag habe ich immer viel zu tun. Ich habe ein eigenes Start-up gegründet und bin selbstständig. Habe ich genug Zeit, trainiere ich idealerweise zwei Mal unter der Woche und zwei Mal am Wochenende. Das ist genug, denn im Kraftdreikampf ist der Körper großen Belastungen ausgesetzt. Deshalb braucht er Erholungsphasen, in denen er sich regenerieren kann. Mein Training mache ich immer im Wechsel: zwei Mal Unterkörper, zwei Mal Oberkörper. Vor Wettkämpfen gliedere ich mein Training in verschiedene Phasen. Ich erhöhe die Gewichte, übe die Technik, alles muss sitzen. Die vier bis sechs Wochen davor sind entscheidend. In dieser Zeit tracke ich genau, was ich esse. Meistens wiege ich es ab, damit ich genau weiß, wie viele Kohlenhydrate, Eiweiße und Fette ich zu mir nehme. Ich muss mein Gewicht halten, um in meiner Gewichtsklasse antreten zu können. In einer normalen Trainingsphase bin ich damit nicht so streng. Auch Schlaf ist wichtig. Ich brauche acht Stunden, um richtig trainieren zu können. In der Woche vor einer Meisterschaft hebe ich keine schweren Gewichte mehr. Diese Zeit braucht der Körper, um sich zu erholen, damit er am Wettkampftag maximal belastbar ist. Grundsätzlich ist das Training enorm wichtig für mich. Wenn ich beruflich auf Messen bin und keinen Sport machen kann, bin ich unausgeglichen. Er hat einen großen Einfluss auf mein Wohlbefinden. Trainiere ich nicht, fühle ich mich spätestens nach zehn Tagen schlaff. Ich erinnere mich noch gut, ich habe mir beim Skifahren meinen Daumen gebrochen und musste eine Schiene tragen. Eine Katastrophe für mich. Ich habe versucht, meinen Trainingsdrang mit Spazierengehen auszugleichen, das hat nicht funktioniert. Nach einer Woche bin ich wieder ins Fitnessstudio gegangen – und war glücklich.

ONETZ: Wie belastbar ist ein Körper? Ist deiner schon an seine Grenzen gestoßen?

Jakob Graf: Ich glaube, dass ein Körper, wenn es rein um Lasten geht, also zum Beispiel Gewichte heben oder auch Ausdauersport, sehr belastbar ist, wenn er einigermaßen trainiert ist. Ich bin immer wieder überrascht, wie viel ein Körper aushalten kann – mehr, als man für möglich hält. Betrachtet man internationale Top-Gewichtheber, ist deren Leistung ja fast irreal. An Grenzen ist mein Körper bisher noch nicht gestoßen, in den ganzen 13 Jahren, in denen ich diesen Sport betreibe, habe ich mich zum Glück noch kein einziges Mal verletzt. Das liegt aber auch daran, dass ich meine Regenerationsphasen achte und auf meinen Körper höre. Ich komme hingehen bei mentalen Belastungen wie Stress an meine Grenzen. Deshalb muss ich sehr darauf aufpassen, dass ich mich selbst nicht zu sehr beanspruche.

ONETZ: Kraftsportlern wird oft nachgesagt, mit Steroiden zu arbeiten. Ein Vorurteil oder durchaus üblich?

Jakob Graf: Das ist schwer zu sagen. Ich hatte noch nie etwas mit Steroiden zu tun. Weder während meiner Anfangszeit noch jetzt in meiner aktiven Wettkampfzeit. Es gibt aber eine große Dunkelziffer von Sportlern, die Steroide oder andere Präparate zu sich nehmen, vor allem im professionellen Bodybuilding. Ein derartiger Muskel- und Körperaufbau sind anders nicht möglich. Im Kraftdreikampf gibt es sicher auch eine Dunkelziffer, wobei sie nicht so hoch ist.

ONETZ: Du hast ein eigenes Start-up, trainierst hart. Worin findest du Ausgleich?

Jakob Graf: Tatsächlich sehe ich meinen Sport als Ausgleich zu meinem oft stressigen Arbeitsalltag. Ich habe viel zu tun, muss viel organisieren, habe Verantwortung. Wenn ich trainiere, konzentriere ich mich nur auf mich und meinen Körper. Aber: Wenn ich etwas mache, dann richtig. Ich setze viel daran, an meine Ziele zu kommen, wodurch auch das Training sehr leistungsorientiert ist. Das verursacht manchmal auch Stress (lacht), aber inzwischen sehe ich es entspannter als früher, wenn eine Einheit mal nicht so läuft, wie ich es mir vorstelle.

ONETZ: Was sind deine Ziele?

Jakob Graf: In diesem Jahr will ich bei der Deutschen Meisterschaft die 200-Kilo-Marke erreichen. Ich rechne mir bei diesem Wettkampf gute Chancen aus, dass ich es unter die Top 3 schaffe. 2024 will ich bei der Bayerischen Meisterschaft im Kraftdreikampf antreten und mich für die Deutsche Meisterschaft qualifizieren. Ich werde viel dafür investieren, um das alles zu erreichen.

ONETZ: Ist Kraftdreikampf ein Sport, von dem man auch finanziell leben kann?

Jakob Graf: Es ist eine Nischensportart. Für viele Athleten ist sie ein reines Hobby. Es gibt keine Sponsoren- oder Preisgelder bei Wettkämpfen. Gerade das gefällt mir, weil es wirklich nur um den Sport an sich geht. Wir fachsimpeln untereinander nicht über Geldgeber oder finanzielle Aspekte, sondern über den Kraftdreikampf, Trainingseinheiten, Ernährung. Würde daraus ein Beruf werden, würde das auch einen großen Teil des Spaßes wegnehmen. Deshalb hoffe ich, dass es noch lange so bleibt, wie es jetzt ist. Will man aber damit Geld verdienen, muss man aus sich als Sportler eine Marke machen: Eigene Produkte auf den Markt bringen, sich als Influencer etablieren, dann könnte es klappen.

ONETZ: Erfolg setzt hartes Training und mentale Stärke voraus. Wie motivierst du dich?

Jakob Graf: Ich habe einen inneren Schweinehund, den ich immer wieder überwinden muss. Aber mit jedem Mal wird es leichter. Trainingseinheiten werden zur Gewohnheit, auf die man irgendwann nicht mehr verzichten will. Wichtig ist, dass man sich auch durch harte Phasen und Momente beißt, in denen es nicht gut läuft, der Körper nicht so mitspielt oder man kaputt vom Alltag ist. Disziplin ist alles – und jeder kann damit alles erreichen. Ich sehe es an mir: Man kann in einem Jahr ein bisschen was bewegen. Nach zehn Jahren kannst du die Welt bewegen. Aushalten und durchhalten, das ist entscheidend.

Kraftdreikampf, international Powerlifting genannt, ist eine Wettkampfsportart der Schwerathletik. Sie setzt sich aus den drei Disziplinen Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben zusammen.

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Oberpfalz19.07.2023
 
 

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