Von Hans-Jörg Schmidt, Prag
Weshalb wählen die Tschechen ihr Staatsoberhaupt direkt?
Die Wahl durch das Volk wurde vor zehn Jahren eingeführt. Davor wählte das Parlament den Staatschef. Der Gesetzgeber sah die Direktwahl als fairer an. Die Wähler sollten sich zudem enger mit der Demokratie verbunden fühlen. Durch die zahlreichen TV-Duelle fühlt man sich jedoch eher an die Kür eines "Superstars" erinnert.
Welche Rolle spielt der Präsident in Tschechien?
Tschechien ist eine parlamentarische Demokratie. Der Präsident hat keine weitreichenden Kompetenzen. Er ernennt nach Wahlen den neuen Regierungschef sowie alle Minister. Er vertritt das Land nach außen, wobei aber die Regierung die Richtung der Außen- und Sicherheitspolitik vorgibt. Damit steht der Präsident auch als Oberbefehlshaber der Armee eher nur auf dem Papier. Er setzt unter anderem die Verfassungsrichter und die Chefs der Nationalbank ein. Der Staatschef gilt trotz der begrenzten Vollmachten aber traditionell als "moralische Instanz" mit einer Art "Papa-Rolle". Die wurde besonders deutlich bei Staatsgründer T.G.Masaryk und nach der "Wende" bei Václav Havel.
Weshalb wollen Andrej Babiš und Petr Pavel auf die Prager Burg?
Nachdem Andrej Babiš vor einem Jahr als Regierungschef abgewählt worden war, konzentrierte er sich darauf, Nachfolger von Präsident Miloš Zeman zu werden, der ihn auch massiv unterstützt. Babiš will von der Burg aus die derzeitige bürgerliche Regierung bekämpfen, damit die von ihm geführte Bewegung ANO die kommenden Parlamentswahlen gewinnt. Dann würde der Multimilliardär und Großunternehmer mit ANO das Land politisch komplett beherrschen. Petr Pavel ist nicht vordergründig gegen Babiš angetreten, sondern mit der Absicht, dem Amt des Präsidenten nach 20 trostlosen Jahren unter Václav Klaus und Miloš Zeman wieder die Würde zurückzugeben, die sie unter Václav Havel hatte.
Wodurch wurde der Wahlkampf derart giftig?
Gleich nach der ersten Runde setzte Babiš aggressiv seine Themen: Pavel müsse erstens verhindert werden, weil er eine "Marionette der derzeitigen Regierung" sei, die völlig versage, nichts für die Menschen tue, die unter steigenden Preisen litten. Er, Babiš, sei der einzige, der sich immer um die Menschen gesorgt habe und sorge. Zweitens: Pavel würde als ehemaliger General Tschechien in den Ukrainekrieg hineinziehen, während er, Babiš, unter allen Umständen Frieden wolle. Die Art, mit der Babiš seine Thesen gebetsmühlenartig wiederholte und mit Halbwahrheiten und Lügen spickte, erinnerte an Wahlkämpfe von Donald Trump. Babiš stellte mit Blick auf die extremen Wähler vom rechten und linken Rand gar die Bündnisverpflichtungen Tschechiens im Rahmen der Nato infrage, was in Polen und im Baltikum Irritationen auslöste. Pavel verlegte sich notgedrungen darauf, in den Debatten mit Babiš dessen Halbwahrheiten und Lügen ruhig und gelassen zurückzuweisen.
Welche Rolle spielten die sozialen Medien und die öffentlichen Auftritte der Kandidaten?
Beide bedienten sich massiv des Internets. Hilfreich für Pavel waren Analysten, die Babiš an vielen Beispielen seine Lügen nachwiesen. Pavel, unterstützt von mehreren unterlegenen Kandidaten aus der ersten Runde, wurde vor allem in Großstädten begeistert gefeiert. Pavel-Anhänger nutzten aber auch Auftritte von Babiš, um gegen dessen Art des Wahlkampfes lautstark zu protestieren. Beide Kandidaten erhielten Drohbriefe, die sie der Polizei übergaben. Babiš sagte zum Ende "aus Sorge um seine Familie" öffentliche Auftritte ab.
Wie könnte die Wahl ausgehen?
Die letzten Umfragen sagten einen klaren 58 zu 42 Prozent-Sieg für Pavel voraus. Experten erwarten jedoch ein Kopf-an-Kopf-Rennen, falls Babiš alle seine Anhänger mobilisiert und Pavel-Fans meinen sollten, die Wahl sei auch ohne ihre Stimme bereits entschieden.
Kommentare
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.