München
19.04.2021 - 17:56 Uhr

Verfassungsschutzbericht 2020: Herrmann warnt vor "freien Radikalen".

Die Verunsicherung und das Genervtsein wegen Corona nutzen Extremisten aller Art für ihre Zwecke aus. Mit Verschwörungstheorien, Staatskritik und Gewaltaufrufen versuchen sie, ihre demokratiefeindliche Anhängerschaft zu vergrößern.

Teilnehmer einer „Querdenken“-Demonstration in Berlin. Diese Demos sind oft Nährboden für extremistisches Gedankengut. Symbolbild: Annette Riedl
Teilnehmer einer „Querdenken“-Demonstration in Berlin. Diese Demos sind oft Nährboden für extremistisches Gedankengut.

Die Coronakrise hat die Zahl der offen gegen den Staat und seine Institutionen agierenden Personen in Bayern ansteigen lassen. Bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für 2020 sprach Innenminister Joachim Herrmann (CSU) von einem "Alarmzeichen für unsere Demokratie". Auffällig sei, dass viele dieser Personen aus dem Bereich der "Querdenker" keiner klassischen extremistischen Richtung zuzuordnen seien. Gemeinsam sei ihnen das aggressive und mitunter gewalttätige Vorgehen gegen den demokratischen Rechtsstaat. Der Verfassungsschutz beobachte seit Februar einzelne Personen aus diesem Spektrum gesondert. Ihr Ziel sei, wegen der Corona-Pandemie unzufriedene oder verunsicherte Menschen mit extremistischer und antidemokratischer Agitation zu "infizieren", sagte Herrmann.

Zahl der Reichsbürger steigt wieder

Der Minister betonte, dass auch radikale Kritik an den Corona-Maßnahmen vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sei. Eine Grenze sei aber dann überschritten, wenn vom "Systemsturz fantasiert", Rassismus und Antisemitismus verbreitet und zu schwersten Gewalttaten aufgerufen werde. Derartige Auswüchse könne der Rechtsstaat nicht tolerieren. Mit ihren Verschwörungstheorien und der Verbreitung von Fake News finde vor allem die Szene der "Reichsbürger" wieder Zulauf, berichtete Herrmann. Mit rund 4130 Personen hätten diese wieder fast den Höchststand aus dem Jahr 2018 erreicht. 227 von ihnen sei im vergangenen Jahr das Recht auf Waffenbesitz entzogen worden.

Um 7,7 Prozent auf 2770 Personen zugelegt hat die rechtsextreme Szene. 1035 davon (+35) gelten als gewaltbereit. Aus der Szene heraus wurden 2455 Straftaten (+350) verübt, darunter 81 Gewaltdelikte (+20). Als problematisch erweise sich zunehmend, dass mehr als die Hälfte der als rechtsextremistisch eingestuften Personen nicht mehr an Parteien oder Gruppierungen gebunden seien, sondern sich als "freie Radikale" bewegten, erläuterte Herrmann. Ungeachtet dessen würden aber Parteien wie der "III. Weg", die "Junge Alternative" und der formal aufgelöste "Flügel" der AfD sowie eine einstellige Zahl AfD-Mitglieder weiter beobachtet.

Manipulationen an Polizeifahrzeugen

Als besorgniserregend bezeichnete Herrmann die wachsende Gewaltbereitschaft der linksextremistischen Szene, deren Mitgliederzahl unverändert mit 3600 angegeben wurde. Die Zahl der aus diesem Bereich verübten Straftaten stieg von 669 auf 705, die der Gewalttaten von 47 auf 62. Hauptursache für den Anstieg war laut Herrmann Manipulationen an Polizeifahrzeugen, die zu lebensgefährlichen Unfällen hätten führen können. "Ein Teil der Szene nimmt in seinem Staatshass auch schwere Personenschäden in Kauf", sagte Herrmann.

Als noch nicht gebannt bewertete Herrmann die vom islamistischen Terrorismus ausgehende Gefahr. Zum einen restrukturiere sich der "Islamische Staat" in Teilen Afrikas und Asiens neu, zum anderen verübten immer wieder radikalisierte Einzelpersonen Anschläge. Diese auf eigene Faust handelnden Täter bedeuteten eine latente Gefahr für die innere Sicherheit.

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Oberpfalz09.03.2021
 
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