Weiden in der Oberpfalz
06.10.2023 - 06:16 Uhr

Mord, Totschlag und viel mehr: Hinter den Kulissen der Weidener Justiz

Im Gerichtsgebäude an der Ledererstraße spielen sich oft genug Dramen ab. Richter Matthias Bauer gewährte nun einen Blick hinter die Kulissen. In der Theorie - aber durchaus auch sehr anschaulich.

Hier sinnierte das Weidener Schwurgericht einst über das Urteil gegen die Stoppelfeld-Mörder von Ermersricht, brüteten die Richter über das Strafmaß für die Angeklagten im Flutkanalprozess: Am Tisch im Richterzimmer des Schwurgerichtsaals im Weidener Justizgebäudes sind viele bedeutende Entscheidungen gefallen. Zu Gesicht bekommen den Tisch aber nur Richter und Schöffen. Ausnahmsweise bot Richter Matthias Bauer nun Gelegenheit, einen Blick in den besonderen Raum zu werfen.

Bauer erklärte, dass Urteile an deutschen Landgerichten nicht zwangsweise einstimmig fallen. Das entsprechende Gesetz sehe eine Zwei-Drittel-Mehrheit unter den Richtern vor. Wenn eine Große Strafkammer also in üblicher Besetzung mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen ein Urteil zu fällen hat, ist für eine Verurteilung die Zustimmung von vier Richtern nötig. Sehen nur drei den Angeklagten als überführt an, gibt es den oft zitierten "Freispruch aus Mangel an Beweisen".

Bemerkenswert: Stimmen der Laien- zählen wie die der Berufsrichter. "Wenn die beiden Schöffen also gegen eine Verurteilung sind, können die drei Berufsrichter sie nicht überstimmen", hob Bauer die Konsequenz hervor. Allerdings seien solche Fälle die Ausnahme. "Seit ich Richter bin, habe ich nur zweimal erlebt, dass wir abstimmen mussten, weil wir uns nicht auf eine Entscheidung festlegen konnten."

Im Büro des Präsidenten

Der Einblicke ins Richterzimmer war nicht der einzige, den Matthias Bauer am Mittwochabend seinen rund 30 Besuchern bot. Bauer präsentierte auch die Anlage für Video-Befragungen, über die im Zivilrecht Verhandlungen quasi komplett ablaufen können. Eindruck machten auch die sehr spartanischen, fensterlosen Arrestzellen. "Hier muss niemand über Nacht bleiben", ordnete Bauer ein. Vielmehr dienen die drei oder vier Quadratmeter großen Zellen, um etwa für Angeklagte die Wartezeit während Verhandlungspausen zu überbrücken.

Das Ende des Rundgangs führte ins Büro von Landgerichtspräsident Josef Weidensteiner. Ein passender Abschluss, schließlich ging es darum, Unsicherheit und Ängste im Umgang mit "der Justiz" abzubauen, wie Matthias Bauer schon zu Beginn erklärt hatte. "Hier arbeiten ganz normale Menschen."

Arbeitsgericht andere Baustelle

Begonnen hatte der Landgerichtssprecher den Abend mit einer Einordnung "dieser Justiz". Die erste Erkenntnis: diese eine Justiz-Behörde gibt es nicht. Vielmehr seien im Bau an der Ledererstraße drei unabhängige Behörden untergebracht: Amtsgericht, Landgericht und Staatsanwaltschaft. Als vierte Einheit komme die Justizvollzugsanstalt hinzu, die organisatorisch eine Außenstelle der Amberger JVA darstellt. Das Arbeitsgericht ist ebenfalls im Justizgebäude untergebracht, organisatorisch aber anders verortet. Während die anderen Behörden dem Justizministerium zugeordnet sind, gehört die Arbeitsgerichtsbarkeit dem Arbeits- und Sozialministerium an.

In seinem Durchlauf legte Bauer die Unterschiede zwischen Zivil- und Strafrecht dar. Die Besucher erfuhren auch, dass das Amtsgericht zwar in der Instanzenfolge unter dem Landgericht steht, die Richter dort aber dasselbe verdienen. Zudem steht Amtsgerichtsdirekter Rainer Lehner im Vergleich mit Landgerichtspräsident Weidensteiner der deutlich größeren Behörde vor. Obwohl der Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Weiden nur die Stadt und den Landkreis Neustadt/WN umfasst, sind dort mehr Richter, Rechtspfleger und sonstige Justizmitarbeiter beschäftigt als am Landgericht, das auch für den Landkreis Tirschenreuth verantwortlich ist.

Das habe damit zu tun, dass sowohl im Straf- wie im Zivilrecht im Amtsgericht mehr Fälle verhandelt werden, als am Landgericht, das etwa im Strafrecht dann von der Staatsanwaltschaft angerufen wird, wenn die Straferwartung über vier Jahren Haft liegt. Vor allem aber sind dem Amtsgericht verschiedene weitere Bereiche zugeordnet. Bauer nannte das Insolvenzgericht, das Handelsregister oder auch das Nachlassgericht. Spätestens damit werde früher oder später jeder einmal etwas zu tun haben. Sich mit der Justiz zu befassen, sei also mit Sicherheit keine schlechte Idee.

Hintergrund:

Amts- oder Landgericht?

  • In Zivilsachen ist das Amtsgericht zuständig wenn: der Streitwert unter 5.000 Euro liegt
    immer bei Mietsachen immer bei Wohnungseigentumssachen
  • Im Strafrecht ist das Amtsgericht zuständig: Wenn bei einer Verurteilung eine Strafe von weniger als 4 Jahren zu erwarten ist.
 
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