Das war ursprünglich von der Staatsanwaltschaft gar nicht so geplant. Zunächst war der Fall als gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr beim Amtsgericht Weiden angeklagt worden. Der zuständige Amtsrichter Hubert Windisch sah sich die Akten an und entschied anders: Er sah zumindest einen bedingten Tötungsvorsatz und legte das Verfahren dem Landgericht vor. Inzwischen lautet die Anklage auf versuchten Mord. Zuständig ist damit die 1. große Strafkammer unter Vorsitz von Landgerichtspräsident Gerhard Heindl.
Bisher ist noch nicht entschieden, ob die Anklage in dieser Form zugelassen wird, informiert Landgerichtssprecher Matthias Bauer. Die Strafkammer hat ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben. Unfallanalytiker Professor Dr. Hans Bäumler aus Gebenbach soll versuchen, über Tesla weitere Daten zu erlangen. Es gibt zwar bereits ein Gutachten, in dem die Geschwindigkeitsdaten ausgewertet wurden, die das Elektroauto gespeichert hatte. Ein Tesla zeichnet möglicherweise auch Brems- und Lenkbewegungen in einer Blackbox im Auto oder auf dem Server des amerikanischen Herstellers in Kalifornien auf. Man will nichts unversucht lassen.
Beweismittel auf Rädern
Das verwendete Auto könnte ein Beweismittel auf vier Rädern sein. Der Tesla "Model S" speichert auf einer Blackbox Daten aller Art und gibt diese an den Server nach Kalifornien weiter. Das ergibt durchaus Sinn: Der amerikanische Hersteller tüftelt am optimalen Auto-Piloten. Und diese Entwicklung für perfektes autonomes Fahren lässt sich mit umfangreichem Datenmaterial aus der Praxis forcieren.
Laut Anklage hat sich am Mittsommerabend 2017 Folgendes abgespielt: Der inzwischen 54-Jährige Weidener soll gegen 21.20 Uhr auf der B 470 von Weiden nach Eschenbach gefahren sein. Schon auf der Fahrt soll er mehrmals Gas gegeben haben, bis der E-Oberklasse-Wagen fast Tempo 200 fuhr. An der Einfahrt Pichlberg war eine Polizeikontrolle aufgebaut. Ein Auto mit einem Rentnerehepaar wartete schon, als der Tesla links vorbeigezogen haben soll - geradewegs auf einen Polizeibeamten (damals 32) zu, der mit der Kelle auf der Fahrbahn stand.
Es handelte sich um eine allgemeine Verkehrskontrolle. Den 54-Jährigen hätte man gar nicht im Visier gehabt. Aber der Weidener soll laut Staatsanwaltschaft ein durchaus schlechtes Gewissen gehabt haben. Er habe seinen Führerschein in Gefahr gesehen, weil laut Anklage in Flensburg schon fünf Punkte eingetragen und zwei weitere in Aussicht standen. Aus diesem Grund habe er die Geschwindigkeit, die 27 Meter vor dem Polizisten bei 138 km/h lag, sogar noch gesteigert. Der Beamte warf sich blindlings auf die Gegenfahrbahn, die er gar nicht einsehen konnte. Zum Mordversuch kommt die Staatsanwaltschaft mit "niederen Beweggründen", die zur Tat verleitet hätten, in diesem Fall der Angst vor Folgen im Verkehrsregister.
Mit Statisten nachgestellt
Im Juni 2017 war eine umfangreiche Fahndung nach dem Tesla und dessen Fahrer angelaufen, die nach der Aktion zunächst wie vom Erdboden verschwunden war. Laut Staatsanwaltschaft war der 54-Jährige in einen Feldweg eingebogen. Es gelang die Ermittlung des Weideners, der eine Woche nach dem Vorfall festgenommen und wegen Flucht- und Verdunklungsgefahr zunächst in Untersuchungshaft genommen wurde. Das Auto ist auf den Namen eines Freundes in einem Nachbarlandkreis zugelassen. Der Angeschuldigte hat sich als Rechtsbeistand den Regensburger Strafverteidiger Professor Dr. Jan Bockemühl an die Seite geholt.
Das Unfallgeschehen war im August 2017 in einer sehr besonderen Aktion rekonstruiert worden. Die B 470 wurde gesperrt. Statisten, Gutachter, Ermittler, knapp 30 Personen, waren von 18.30 bis 21.30 Uhr vor Ort, um die Fahrt und die Kontrolle nachzustellen. Selbst die Originalfahrzeuge wurden herbeigeschafft. Das Auto steht bis heute bei der Kriminalpolizei Weiden in Verwahrung.
Sobald das Gutachten von Professor Bäumler vorliegt, wird die große Strafkammer unter Vorsitz von Landgerichtspräsident Heindl (Beisitzer Matthias Bauer und Wolfgang Voit) entscheiden, ob die Anklage in dieser Form zugelassen wird. Dann wird das Hauptverfahren eröffnet. In der Regel vergehen dann noch einmal Wochen oder Monate, in den die Hauptverhandlung vorbereitet und terminiert wird.
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