Janina Leinhäupl besucht das Elly-Heuss-Gymnasium. Vor 16 Jahren hat sie dort selbst ihr Abitur gemacht. Heute ist die 35-Jährige Richterin am Landgericht in Weiden. Deswegen kam sie nun im Auftrag der Verfassung zurück an ihre alte Schule.
Zum aktuellen Schuljahr hat das Kultusministerium verpflichtend eingeführt, dass Schulen in den zweiten, vierten, sechsten, achten und elften Klassen wöchentlich eine Verfassungsviertelstunde halten müssen. „Die Schülerinnen und Schüler setzen sich anhand aktueller und lebensnaher Beispiele mit zentralen Werten des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung auseinander“, schreibt das Kultusministerium. Sie soll zudem die Bedeutung der Verfassungswerte für jeden Einzelnen und in der Gesellschaft stärken.
Vortrag zum Thema: Die Wahrheit
Leinhäupl beginnt ihren Vortrag mit der Hilfe einiger Schülerinnen. Ohne dies vorher anzukündigen, hielten sie einige Gegenstände in die Luft. Die erste Frage der Richterin an die übrigen Schülerinnen lautete: „Welchen Gegenstand hatte die Schülerin in der Hand?“ Zahnbürste oder Taschentücher wurden von den Mädchen genannt. Die Schülerin hielt jedoch eine Handyhülle in der Hand.
Dieses Experiment sollte den Gymnasiastinnen zeigen, wie wichtig es ist, aufmerksam zu sein und die Wahrheit zu sagen. Manche Schülerinnen haben falsche Dinge genannt, weil sie es nicht besser wussten. Vor Gericht kann solches „Raten“ viel schlimmere Folgen haben als in der Schule. „Wenn man nicht genau weiß, was passiert ist, dann muss man das vor Gericht auch mitteilen“, mahnte die Richterin.
Die Wahrheit vor Gericht
Danach verdeutlichte sie ihren Punkt mit einem Fallbeispiel, das sie selbst als Jugendrichterin verhandelt hat. Ein junges Mädchen gab an, von einem Mann vergewaltigt worden zu sein. Es kam zur Anklage des Mannes. Im Laufe der Verhandlung stellte sich heraus, dass das Mädchen sehr wohl mit dem Mann geschlafen hatte, aber das einvernehmlich geschehen sei, sagt Leinhäupl. Da sie das im Nachhinein bereute und als „nicht schön“ empfand, dachte sie, es sei eine Vergewaltigung gewesen. „Sie kannte die wahre Bedeutung des Wortes nicht und keiner hat nachgefragt, was wirklich geschehen ist“, erklärt die Richterin.
Dieser Fall zeigt, wie wichtig es ist, die Wahrheit zu sagen und die Wahrheit herauszufinden. Der Mann wäre ansonsten wegen Vergewaltigung verurteilt worden. „Wahrheit führt zu Vertrauen und Vertrauen zu Demokratie“, sagt Janina Leinhäupl. Dadurch wird gezeigt, warum auch eine Verfassungsviertelstunde für die Demokratie wichtig werden kann. Das versuchte die Richterin mit ihrem Vortrag den Schülerinnen beizubringen.
Die Umsetzung am Elly-Heuss-Gymnasium
Das Elly-Heuss-Gymnasium hat in der Verfassungsviertelstunde bereits verschiedene Themen wie Grundrechte, Menschenrechte, die Bayernhymne oder das politische System in den USA behandelt. Die Vorträge finden dort immer am Montag in der Schulvollversammlung statt. Dieses Ritualisieren sieht der Schulleiter als wichtigsten Punkt. Dadurch, dass die Verfassungsviertelstunde immer am gleichen Tag zur gleichen Zeit stattfindet, gewöhnen sich die Schülerinnen daran.
Meistens bereitet eine Lehrkraft mit einer Klasse den Vortrag vor. „Die Ausführung wurde stückweise verfeinert“, sagt Harald Pröm, der Schulleiter des Gymnasiums. Manchmal kommen Gäste wie Janina Leinhäupl zu Besuch. Diese Viertelstunde soll die Schülerinnen nicht nur politisch bilden. „Wann hat eine Schülerin schon mal die Möglichkeit, vor 400 Menschen in ein Mikrofon zu sprechen?“, fragt Pröm. Er sieht dies als eine Chance für die Schülerinnen ihr Auftreten vor großen Gruppen oder fremden Personen zu üben.
Das Landgericht in Schulen
„Das Projekt liegt uns am Herzen“, sagt Leinhäupl. Der Vortrag am Elly-Heuss-Gymnasium war der erste, den die junge Richterin zur Verfassungsviertelstunde gehalten habe. Gerne würde sie in Zukunft noch mehr Schulen besuchen. Sie vergleiche diese Arbeit mit einem Ehrenamt. „Ich als Frau möchte ein Vorbild für die Mädchen sein“, sagt sie. Im Moment sei sie die einzige Person vom Landgericht, die diese Vorträge anbiete. Weitere Richter und Staatsanwälte sollen aber folgen.
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.