Weiden in der Oberpfalz
25.07.2018 - 10:41 Uhr

Viel Wirbel um Valsartan

Rückruf für Blutdruckmittel verunsichert Patienten

Große Aufregung gibt es derzeit um ein gängiges Blutdruck-Medikament. Andrea Warnecke/dpa-tmn
Große Aufregung gibt es derzeit um ein gängiges Blutdruck-Medikament.

Bluthochdruck ist eine Volkskrankheit, unter der in Deutschland Millionen Menschen leiden. Viele von ihnen benötigen Medikamente. Nun ist ein Blutdrucksenker in die Schlagzeilen geraten: Anfang des Monats haben Aufsichtsbehörden in Europa einen Vertriebsstopp und vorsorglichen Rückruf für zahlreiche Präparate angeordnet, die den Wirkstoff Valsartan enthalten.

Kein akutes Risiko

Hintergrund ist eine Verunreinigung mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA), das als potentiell krebserregend gilt. Bis zu 900 000 Patienten könnten einem Zeitungsbericht zufolge bundesweit betroffen sein. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen hervor, die dem Berliner «Tagesspiegel» (Samstag) vorlag. 2017 seien etwa neun Millionen Packungen Valsartan-haltiger Arzneimittel allein für gesetzlich Krankenversicherte verordnet worden, teilte die Parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium Sabine Weiss demnach mit. Rund 40 Prozent der Chargen wurden zurückgerufen. Ein akutes Gesundheitsrisiko bestehe trotzdem nicht.

Valsartan sei durchaus ein recht häufig verordnetes Medikament, sagt Andreas Biebl, Sprecher der Weidener Apotheker. Der Wirkstoff weise ein günstiges Wirkungs- und auch Nebenwirkungsprofil auf. "Vom Rückruf sind deshalb auch relativ viele Patienten betroffen. Wir haben schon Engpässe." Allerdings, betont der Pharmazeut, habe er bisher immer eine Lösung finden können. "Wenn man Glück hat, bekommt man noch etwas in der entsprechenden Stärke", sagt Biebl.

Manche Kassen kulant

Die Kassen haben üblicherweise Rabattverträge mit einzelnen Pharmafirmen abgeschlossen, die nicht das Originalpräparat, sondern günstigere Nachahmer-Medikamente, sogenannte Generika, vertreiben. Manche Kassen übernähmen inzwischen aber auch die höheren Kosten für das Originalpräparat Diovan. "Das kann bis zu 100 Euro ausmachen." Würden "alle Stricke reißen", sagt Biebl, bestehe die Möglichkeit, innerhalb derselben Wirkstoffklasse auf andere Sartane auszuweichen. "Bisher hatten wir aber noch keinen Patienten, der von seinem Arzt komplett umgestellt worden ist."

Dr. Werner Speckner, Leiter der Apotheke der Kliniken Nordoberpfalz AG, ließ alle verdächtigen Präparate aus dem Verkehr ziehen. "Wir haben uns jetzt mit sauberer Ware versorgt", betont er: "Im Moment machen wir uns keine Sorgen, wir haben genügend bevorratet." Allerdings seien nur drei Firmen nicht von dem Rückruf betroffen. Es sei daher schwer abzuschätzen, wie sich die Lage weiter entwickelt. Speckner gab auch deshalb vorsorglich eine Liste an die Ärzte heraus, wie sie Patienten auf andere Blutdrucksenker umstellen können.

Zum Gefahrenpotential von NDMA meint der Pharmazeut, „der Stoff ist als krebserregend bekannt und kann auch in Lebensmitteln, Tabak, Abgasen und der Umwelt überall vorkommen. In den kleinen Tabletten ist die Menge sehr gering, er hat in Arzneimitteln trotzdem nichts verloren“. Speckner sieht ein Versagen der europäischen Arzneimittelüberwachung, die bereits im Jahr 2012 hätte nachprüfen müssen, ob eine damals erfolgte Umstellung im Produktionsprozess von Valsartan negative Folgen hatte. Das sei offensichtlich unterblieben.

Verdichtung ein Problem

Problematisch sei in der Pharmaindustrie die zunehmende Verdichtung auf einige wenige Produktionsstätten. Die Folge: Allein in Deutschland hätten 16 Firmen Valsartan aus jenem Werk in China bezogen, das Probleme mit NDMA-Rückständen habe. Dass es in Europa kaum noch Hersteller gebe, sagt Speckner, sei durchaus der Preispolitik der Krankenkassen anzulasten. Er stellt fest: "Insgesamt sind wohl 106 Präparate betroffen und 2300 Chargen in 22 Ländern."

Hintergrund:

Experten auf Surensuche

Wie kommt das Nitrosamin ins Valsartan? In einem Beitrag in der Deutschen Apotheker Zeitung gehen die Chemiker Dr. Ulrike Holzgrabe und Dr. Helmut Buschmann auf Spurensuche. Sie vermuten, dass der Verunreinigung eine Umstellung des Produktionsprozesses zugrunde liegt. Zur Synthese des Wirkstoffs sei ab 2012 ein Lösungsmittel eingesetzt worden, dessen Zerfallsprodukt im Zusammenspiel mit einer anderen chemischen Verbindung zur Bildung von NDMA führen kann.

Die beiden Chemiker stießen bei ihrer Recherche auf ein 2014 veröffentlichtes Patent des chinesischen Herstellers zur verbesserten Synthese von Valsartan. Der Vorgang an sich sei zwar durchaus üblich, allerdings hätte die europäische Arzneibuch-Kommission aufmerksam werden und ihre Analytik anpassen müssen. Dass Patienten, Apotheker und Ärzte nun so lange auf Aufklärung warten müssten, sei nicht nachvollziehbar, da der Nachweis von NDMA leicht zu bewerkstelligen sei. Zusätzlich sollten jetzt aber auch andere Sartane auf Rückstände untersucht werden. (m)

 
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