Der Weidener Oberbürgermeister Kurt Seggewiß verfolgt seit 2007 eine beunruhigende Entwicklung: "Es gibt die Tendenz, dass Bürger beispielsweise gegen Polizisten, Einsatzkräfte des Roten Kreuzes und Feuerwehr renitenter geworden sind. Das ist bundesweit zu beobachten und auch hier in Weiden im Rathaus."
Mit "Rathaus" verknüpfen Bürger oft automatisch Ämter wie Kfz-Zulassungsstelle, Einwohnermeldeamt oder auch Standesamt. Aber in Rathäusern gibt es auch Dienststellen, in denen belastende Bescheide erstellt werden - zum Beispiel bei der Ausländerbehörde, beim Ordnungsamt oder der kommunalen Verkehrsüberwachung.
"Ein anschauliches Beispiel ist der Rückschnitt von Bäumen und Hecken im Frühling", erklärt Seggewiß. "Unsere Mitarbeiter vom Städtischen Bauhof werden deswegen ständig angegangen." Die Toleranz der Gesellschaft habe spürbar abgenommen, und dann musste man eben reagieren. Aus dieser Situation heraus wurde 2016 ein Sicherheitsdienst für das Rathaus engagiert.
"2016 war auch das Jahr der Flüchtlingskrise", erklärt der 62-jährige Kommunalpolitiker. "Damit verbunden gab es in Weiden wie in vielen anderen Städten und Gemeinden einen großen Ansturm auf das Ausländeramt, lange Wartezeiten und volle Gänge." Doch die Flüchtlingskrise war letztendlich nicht ausschlaggebend für die Entscheidung, einen Security-Dienst ins Rathaus zu holen. "Konkrete Pläne, einen Sicherheitsdienst zu beauftragen, bestanden bereits vorher. Die Flüchtlingswelle und der erhöhte Publikumsverkehr hat die Entscheidung nur beschleunigt."
Heute ist der Einsatz von Sicherheitskräften in Rathäusern Normalität. Damit wurde auch der zunehmenden Sorge der Beschäftigen Rechnung getragen. "Allein die Anwesenheit von Menschen in Uniform hilft, die Situation zu entschärfen. Zusätzlich haben wir kleinere Umbaumaßnahmen durchgeführt und sogenannte Empfangstheken in Büros mit Publikumsverkehr eingeführt, um auch einen gewissen körperlichen Abstand zu schaffen", erklärt Seggewiß.
Dass es wichtig war, einen Sicherheitsdienst zu engagieren beweisen die Einsatzzahlen: Zwischen Januar und November 2019 gab es 22 Vorfälle, bei denen Security-Mitarbeiter im Rathaus eingreifen mussten: wegen Beleidigungen, Bedrohungen und auch wegen Gewalttätigkeiten. Bei einigen dieser Fälle wurde auch die Polizei gerufen und der Tatbestand dann zur Anzeige gebracht.
Bauhofmitarbeiter angegangen
Weil Gewalt gegen Staatsbedienstete immer öfter ein Thema in den Medien ist, haben auch Politiker das Problem auf ihre Agenda gesetzt und fordern härtere Strafen. "Natürlich erwartet man von der 'großen Politik' eine Antwort. Doch meiner Meinung nach würde es hier vollkommen ausreichen, wenn man bestehendes Recht anwenden und - ganz wichtig - auch zeitnah umsetzen würde", ist sich Kurt Seggewiß sicher. Und er fügt hinzu: "Natürlich bringen wir Beleidigungen oder Übergriffe gegen unsere Mitarbeiter zur Anzeige. Das kann ja auch alles geahndet werden. Aber durch die Überlastung der Justiz dauert die Abarbeitung einfach sehr lange."
Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst entpuppt sich immer mehr als massives gesellschaftliches Problem. Weg von der "Respekt-Kultur" und hin zu einer zunehmenden Verrohung. "Es besteht Handlungsbedarf in der Vermittlung von Sozialkompetenz", ist sich Seggewiß sicher. Und er sieht auch die Sozialen Medien in der Verantwortung: "Im Netz kann jeder anonym quasi losrotzen. Und dieses aggressive Verhalten wird eins zu eins ins Alltagsleben übertragen. Wo dann aber die Anonymität wegfällt und mir ein Mensch aus Fleisch und Blut gegenübersitzt." So wie in einer Dienststelle im Rathaus in Weiden.
Polizei muss anrücken
Laut Auskunft des Polizeipräsidiums Oberpfalz lag im Jahr 2018 die Anzahl der Einsätze in der Oberpfalz, bei denen Polizeibeamte zu Rathäusern und Agenturen für Arbeit gerufen wurden, im einstelligen Bereich. Bei einigen dieser Einsätze handelte es sich demnach "nur" um verbale Streitigkeiten. Für das Jahr 2019 liegen die Einsatzzahlen im gleichen Bereich wie im Vorjahr. Da Einsätze aus Datenschutzgründen nur für die letzten zwei Jahre recherchierbar sind, kann kein Zehn-Jahres-Vergleich erstellt werden. (cvl)
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