Wernberg-Köblitz
23.09.2018 - 17:20 Uhr

Zehn Jahre am Drehkreuz

Es sind nur 20 Kilometer, aber auf ihnen ruhten große Hoffnungen: Mit der Freigabe des letzten Teilstücks der Autobahn A6 vor fast genau zehn Jahren wollte die ganze Region wirtschaftlich durchstarten.

Seit 2008 rollt der Verkehr ungehindert über das Autobahnkreuz Oberpfälzer Wald. Bild: ggö
Seit 2008 rollt der Verkehr ungehindert über das Autobahnkreuz Oberpfälzer Wald.

Als einen "wahrhaft historischen Freudentag für die Region" kommentierte der damalige Chefredakteur Clemens Fütterer im September 2008 den Lückenschluss der Autobahn A6 zwischen der Anschlussstelle Amberg Ost und dem Autobahnkreuz Oberpfälzer Wald in unserer Zeitung. Seit 10 Jahren rollt nun schon ungehindert der Verkehr auf der großen europäischen Ost-West-Marginale: Zeit für eine Bestandsaufnahme.

Groß gefeiert

Gut 20 Kilometer lang ist das letzte Teilstück der Autobahn, das Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 10. September 2008 offiziell freigegeben hat. Die Region feierte das Ereignis unter anderem mit einem Halb-Marathonlauf auf der Autobahntrasse und einem Fest in Wernberg-Köblitz. Die Anrainergemeinden setzten in den Lückenschluss besonders große Hoffnungen: Er sollte nicht nur verkehrstechnische Entlastung bringen, sondern auch wirtschaftlichen Aufschwung.

Der Geschäftsleiter des Marktes Wernberg-Köblitz, Stefan Falter, berichtet denn auch tatsächlich von einer positiven Entwicklung. "Das Autobahnkreuz rückt in den Fokus von Projektentwicklern", sagt er. So habe sich das 2010 neu ausgewiesene Industriegebiet West II, in dem ab 2014 Grundstücke verkauft wurden, hervorragend entwickelt. "Wenn alles klappt, ist es spätestens 2019 gefüllt." Auf der Suche nach Bauplätzen seien mittelständische Betriebe ebenso wie börsennotierte DAX-Unternehmen. "Diese Entwicklung hätte es ohne den Lückenschluss sicherlich nicht gegeben."

"War eine Katastrophe"

Für die Marktgemeinde an der Grenze zu den Nachbarlandkreisen Neustadt/WN und Amberg/Sulzbach brachte die durchgängige Ost-Westverbindung aber auch in anderer Hinsicht Positives: "Vor der Freigabe der A6 war der Verkehr durch den Ort eine Katastrophe", sagt Falter. Wer direkt an der B 14 gewohnt habe, sei zu Stoßzeiten mitunter eine Viertelstunde gestanden, bis er auf die viel befahrene Bundesstraße habe einbiegen können.

Auch Schmidgaden erhoffte sich viel von der Autobahn, die das Gemeindegebiet nun auf voller Länge durchschneidet. Tatsächlich aber sei die wirtschaftliche Entwicklung bis 2014 nur "sehr schleppend" verlaufen, berichtet Bürgermeister Josef Deichl. "Aus meiner Sicht hat das daran gelegen, dass wir genau zwischen Ursensollen und dem Autobahnkreuz in Wernberg-Köblitz liegen und auch diese Gemeinden sehr viele Industrie- und Gewerbeflächen haben." Zahlreiche Unternehmen hätten sich zudem für die direkte Anbindung an die Bundesstraße 85 beziehungsweise die Autobahn 93 interessiert, die in Schmidgaden nicht gegeben sei.

Blatt hat sich gewendet

In den vergangenen vier Jahren, sagt Deichl, habe sich das Blatt jedoch gewendet. "Im Gewerbe- und Industriegebiet Trisching siedelten sich seit 2014 insgesamt 8 Firmen an, in Schmidgaden haben wir zwei neue Betriebe und drei Erweiterungen." Der Bürgermeister führt das zunehmende Interesse darauf zurück, dass in den anderen Gemeinden wohl allmählich der Platz knapp werde. Auch die Bevölkerungsentwicklung in Schmidgaden gestaltet sich nach dem Anschluss an die Autobahn inzwischen äußerst positiv. In den vergangenen vier Jahren habe man ein Plus von 80 Bürgern zu verzeichnen, berichtet Deichl. "Im Baugebiet in Schmidgaden siedeln in erster Linie Auswärtige, die in Weiden, Amberg, Schwandorf oder Wackersdorf arbeiten und hier bei uns noch günstige Baulandpreise vorfinden." Die Kommune plane nunmehr rund zwei Millionen Euro ein, um ausreichend Krippen- und Kindergartenplätze zur Verfügung stellen zu können.

Der Lückenschluss an der A6 führte auch zur Gründung des Vereins "Das Plus der Oberpfalz", in dem sich die zwölf Kommunen Schwandorf, Schmidgaden, Guteneck, Leuchtenberg, Wernberg-Köblitz, Luhe-Wildenau, Nabburg, Schnaittenbach, Pfreimd, Schwarzenfeld, Wackersdorf und Weiden sowie zwei regionale Unternehmen zusammengeschlossen haben, um die Potenziale ihres Standorts am Autobahnkreuz Oberpfälzer Wald gemeinsam weiterzuentwickeln und die Region gemeindeübergreifend wirtschaftlich voranzubringen. Zurzeit ist die Stadt Schwandorf federführend im Verein. Deren Wirtschaftsförderin Maria Schuierer betont, dass der Lückenschluss der A6 einen enormen Entwicklungsschub für die Region um das Autobahnkreuz A6/A93 bedeute: "Diese Drehscheibe macht die Region zu einem begehrten Standort", sagt sie. Durch die überregionale Verkehrsanbindung zu den Metropolregionen Nürnberg, München, Berlin und Prag rückte das „plus der oberpfalz“ in die Mitte Europas. "Dafür sprechen erfolgreiche Unternehmen, die hier bereits ihre Heimat gefunden haben und zahlreiche Anfragen von ansiedlungswilligen Unternehmen.“

Hintergrund:

Als wichtige innerdeutsche Ost-West-Verbindung von der französisch-deutschen an die tschechisch-deutsche Staatsgrenze durchquert die A6 auf einer Länge von rund 500 Kilometern fünf Bundesländer. Das Teilstück zwischen den Städten Nürnberg und Prag hat dabei eine lange Geschichte: Bereits im 14. Jahrhundert forcierte Kaiser Karl IV. die Verbindung. Deshalb trägt die moderne Autobahn zwischen den beiden Städten auch den Beinamen "Via Carolina".

Das 2008 fertiggestellte Teilstück von Amberg bis zum Kreuz Oberpfälzer Wald zählt auf 20 Kilometern neun Talbrücken, wovon fünf Großbrücken sind, und zwei Anschlussstellen (Schmidgaden und Nabburg West).

Die Verkehrsbelastung auf den Teilstrecken der Autobahn A6 in Bayern stellt sich recht unterschiedlich dar. So weist eine Grafik der Autobahndirektion Nordbayern für das Gebiet westlich von Nürnberg bis Amberg eine tägliche Verkehrsstärke von 25 000 bis 50 000 Fahrzeugen aus. Zwischen Amberg und Waidhaus befahren dann nur noch höchstens 25 000 Fahrzeuge täglich die Autobahn - das sind weniger, als auf der kreuzenden A93 in Nord-Süd-Richtung unterwegs sind.

Karten des Bayerischen Innenministeriums zeigen, dass die Ost-West-Magistrale dennoch ihre Berechtigung hat. Demnach wurden 2005, vor dem Lückenschluss, auf der Bundesstraße 14 im Ortsbereich Wernberg-Köblitz täglich 12375 Fahrzeuge, darunter 5908 im Schwerverkehr, gezählt. 2015 hatten sich diese Werte auf 1177 bzw. 85 verringert. (m)

 
Kommentare

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Tobias Punzmann

Vor einigen Jahren hab ich daheim einen alten Stadtplan von München zur Olympiade '72 gefunden, gedruckt 1971. Hintendrauf war eine Bayern-Karte. Auf der war das fehlende Autobahnstück bis Waidhaus schon gestrichelt eingezeichnet - mit Fertigstellung für 1973 oder 1974 ;-)

24.09.2018
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