Donau, Elbe, Rhein. Hier in Nordostbayern kann man ihnen allen dreien begegnen. Zumindest fast. Tatsächlich sind es die Flusssysteme der drei großen deutschen Ströme, die im Fichtelgebirge, keine zehn Kilometer entfernt der Oberpfälzer Bezirksgrenze, in Oberfranken aufeinandertreffen.
Geografisch sind es drei Wasserscheiden, die sich 200 Meter entfernt von der bekannten Wanderhütte Seehaus am Schneeberg-Massiv treffen. Nach Norden zieht die Linie, an der sich die Zuflüsse von Rhein und Elbe scheiden. Nach Südosten verläuft die Grenze zwischen Elbe und Donau, nach Südwesten die zwischen Donau und Rhein. Was banal klingt, ist in Mitteleuropa ziemlich einmalig. Immerhin geht es um die drei größten europäischen Flüsse westlich der früheren Sowjetunion. Gemeinsam nehmen sie das Wasser einer Fläche auf, die dreimal so groß ist wie Deutschland. Und nur an einem Punkt treffen die Flusssysteme aufeinander, kann man Wasser aus einem Eimer gleichzeitig in Rhein, Elbe, die Donau kippen.
Dazu entspringen hier auf Frankens Dach nur wenige Kilometer voneinander entfernt vier Flüsse, die ihr Wasser in die vier Himmelsrichtungen tragen: Die Fichtelnaab fließt vom Südhang des Ochsenkopfes nach Süden, um über die Naab in die Donau zu münden. Nur wenige Hundert Meter westlich der Fichtelnaabquelle entspringt ebenfalls am Ochsenkopf der Weiße Main, einer der beiden Mainquellflüsse, die gemeinsam bei Mainz in den Rhein fließen. Am Nordhang des Schneebergs liegt die Egerquelle. Der Fluss wird in Tschechien zur Ohře und fließt viele Kilometer weiter östlich in die Labe (Elbe). Ebenfalls der Elbe zu strebt die Saale. Der Fluss mündet kurz vor Magdeburg, er entspringt aber über 400 Kilometer weiter südlich in der Gemeinde Zell im Fichtelgebirge.
Die geografische Besonderheit ist nicht nur den Menschen im Fichtelgebirge früh aufgefallen. Die in die vier Himmelsrichtungen strömenden Flüsse beschäftigten die Menschen wohl schon seit dem Mittelalter. Im 15. Jahrhundert wird als Besonderheit des Fichtelgebirges herausgestellt, dass von hier "vier schiffreiche Wasser kreuzweis in die Welt fließen". Der Historiker, BR-Moderator und überzeugte Fichtelgebirgler Adrian Roßner hat sich mit den Fließgewässern der Region intensiv beschäftigt, hat ihnen sogar einen eigenen BR-Beitrag gewidmet.
Darin zeigt Roßner, welche Bedeutung man den Flüssen der Region einst zugeschrieben hat. Dafür stellt er den bekannten Markgrafenbrunnen am Schloss in Bayreuth vor, der die Flüsse des Fichtelgebirges auf eigene Weise aufgreift. Das Werk des Barockarchitekten Elias Renz soll vor allem den Markgrafen Christian-Ernst rühmen. Dazu zeigt der Brunnen den Adligen im Zentrum und an der Quelle der vier Fichtelgebirgs-Flüsse, die allegorisch gleich noch die vier Himmelsrichtungen und die an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert bekannten Kontinente symbolisieren. Der Markgraf aus dem kleinen Bayreuth stellt sich und das Fichtelgebirge mit dessen hydrologischer Besonderheit also gleich ins Zentrum der Welt.
Und der Glaube ging nach Adrian Roßner noch weiter: In der Bibel wird erwähnt, dass aus dem irdischen Garten Eden vier Flüsse in die vier Himmelsrichtungen strömen. Sollte also in Wirklichkeit das Fichtelgebirge ...? Als gemeinsamer Ursprung war dabei früh der Fichtelsee ausgemacht. Der liegt nicht nur in der Nähe der tatsächlichen Quellen. Das dunkle Wasser zwischen Ochsenkopf und Schneeberg, aus dem nicht nur im Herbst oft der Nebel aufzieht, dürfte auf die Menschen auch mystisch genug gewirkt haben, um eine so zentrale Rolle einzunehmen. Die Bedeutung von Wasserscheiden wurde später klarer. Dass sich hier aber die drei großen Flusssysteme auf besondere Art treffen, ist bis heute nur Experten wirklich bewusst. Immerhin weist an der Bundesstraße 303 ein großes Schild auf die europäische Hauptwasserscheide zwischen Rhein und Donau und damit zwischen Atlantik und Mittelmeer hin, die auf ihren Weg von Gibraltar nach Moskau hier vorbeikommt.
An dem Wanderparkplatz nahe an diesem Hinweisschild ist auch der beste Ort, um zu einer Wanderung zum "Flusstreffpunkt" aufzubrechen, an dem das Flusssystem der Elbe hinzustößt. Doch einen Hinweis auf das Alleinstellungsmerkmal des Fichtelgebirges gibt es nicht. Am besten orientiert man sich als Wanderer daher am Weg zum Seehaus, das gute anderthalb Kilometer und fast 180 Höhenmeter entfernt am Schneeberg-Hang liegt. Von der Schutzhütte aus sind es rund 200 Meter nach Osten in den Wald. Der genaue Punkt unterhalb des Seehügel-Gipfels sei mit bloßem Auge allerdings kaum auszumachen, bestätigt Christian Weiß. Laut des stellvertretenden Leiters des zuständigen Wasserwirtschaftsamts Hof sei es für die Behörde dennoch etwas Besonderes, diesen Kreuzungspunkt und so Zugehörigkeit zu den drei großen Flusssystemen Deutschlands zu betreuen.
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