Terrorprozess gegen zwei Männer aus Neustadt/WN: Überraschendes Urteil

15.05.2018 - 16:00 Uhr

Mit einem Freispruch und einer Verurteilung zu einer Haftstrafe ist am Dienstag der Prozess gegen zwei Männer aus Neustadt/WN wegen Terrorismusverdachts vor dem Oberlandesgericht München zu Ende gegangen. Der 38 Jahre alte Fatih K. muss wegen Unterstützung und Werbens für eine terroristische Vereinigung im Ausland für zwei Jahre und neun Monate ins Gefängnis. Der 26-jährige mitangeklagte Abdullah K. wurde mangels Beweisen freigesprochen. Zudem wurde der Haftbefehl gehen Fatih K. außer Vollzug gesetzt.

Die wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland („Junud al-Scham“) angeklagten 26 (rechts) und 38 Jahre alten Männer stehen vor dem Oberlandesgericht München. Der jüngere wurde freigesprochen, der ältere muss in Haft. Bild: Sven Hoppe/dpa

Vor Gericht wurde zwar festgestellt, dass Abdullah K. in Syrien war, aber es konnte nicht geklärt werden, was er dort gemacht hatte. Besuche im Bürgerkriegsland seien auch heute noch nicht ratsam, machte der Vorsitzende Richter Manfred Dauster in der Urteilsbegründung deutlich, aber eben nicht strafbar. Verteidiger Tobias Konze begrüßte den Freispruch für seinen Mandaten. Dieser habe sich abgezeichnet. Der 26-Jährige hatte vor Gericht geschwiegen. Vor viereinhalb Jahren, im Herbst 2013, waren beide Männer zusammen nach Syrien gereist und hatten dort einen Angehörigen getroffen, der an führender Position für die dschihadistische Miliz "Junud al-Sham" (Soldaten Syriens) kämpfte.

Der 38-Jährige hatte am sechsten Verhandlungstag ein Teilgeständnis abgelegt und eingeräumt, Kleidung in Syrien an den Neustädter Mehmet C. übergeben zu haben. Letzterer gehörte zu dieser Zeit zur Führungsmannschaft von "Junud al-Sham", einer tschetschenischen Dschihadisten-Miliz. Das wertete das Gericht als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Das vom Angeklagten eingeräumte Werbegespräch mit einem jungen Mann aus Weiden stufte das Gericht als Werben für eine terroristische Vereinigung ein. Zugleich wertete des Gericht das Geständnis zugunsten von Fatih K.

Im Einzugsbereich des Islamischen Zentrums Weiden

In der Urteilsbegründung wandte sich der Vorsitzende Richter sehr ausführlich an Fatih K. und legte dar, dass dieser spätestens als er seinen Cousin Mehmet C. traf, hätte wissen können, was dieser in Syrien tat. Der Vorsitzende Richter machte unter Verweis auf des Grundgesetz auch deutlich, dass es nicht um die Gesinnung des Verurteilten gehe. "Die Gedanken sind frei", betonte er. Allerdings habe Fatih K. im Jahr 2013 Grenzen überschritten, als sich dessen Gesinnung mit der Bereitschaft zur Gewalt verbunden habe. Zugunsten des 38-Jährigen wertete das Gericht, dass er sich seither nichts mehr zuschulden kommen lassen habe. Ein Verhängnis für Fatih K. nannte Dauster, dass Fatih K. in den Einzugsbereich des Islamischen Zentrums Weiden geraten sei. Dieses sei ja von einem Verwandten des Verurteilten mitgegründet worden. Damit spielte er auf den Stiefvater des getöteten Mehmet C. an. Der Fußballer aus dem Landkreis Neustadt/WN war im Jahr 2014 in Syrien getötet worden.

Der Vorsitzende Richter sagte zu Fatih K., er habe Vertrauen, dass er künftig ein gesetzestreues Leben führen werde. Das Urteil solle ihm Perspektiven eröffnen. So forderte er den Verurteilten auf, sich um seine Frau und seine vier Kinder zu kümmern. Er solle die Zeit der Haftbefehlsaussetzung nutzen, um mit seiner Familie zu beraten, ob er die Strafe lieber in Deutschland oder in Österreich verbüßen will. Eine Vollstreckungsübernahme ist bei Zustimmung des jeweiligen Staates innerhalb der Europäischen Union möglich. Nach den deutschen Regeln müsste Fatih K. mindestens noch zehn Monate Haft verbüßen, das wären zusammen mit der Zeit in  Untersuchungshaft zwei Drittel der Gesamtstrafe.  Der Verurteilte saß seit einem Jahr in Untersuchungshaft. Diese Zeit im Gefängnis wird auf die Gesamthaftstrafe angerechnet.

Der Vertreter der Anklage hatte für Fatih K. wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland sowie Werben für diese Vereinigung eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten gefordert. In seinem Plädoyer sprach Oberstaatsanwalt Andreas Franck den 38-jährigen Angeklagten direkt an. Fatih K. sei kein Pazifist, sondern eine Terrorist, was der Angeklagte mit Lachen quittierte. Später entschuldigte er sich dafür, was von Oberstaatsanwalt Franck angenommen wurde. Das von Verteidigerin Ricarda Lang am sechsten Verhandlungstag verlesene Geständnis wertete der Oberstaatsanwalt zwar zugunsten des Angeklagten, betonte, aber ein Pazifist ballere nicht mit der Pistole in der syrischen Wüste herum. Letzteres hatte Fatih K. eingeräumt.

Freispruch gefordert

Die Verteidigung von Abdullah K. schloss sich der Staatsanwaltschaft an und fordert ebenfalls Freispruch für ihren Mandanten. Die Verteidigung von Fatih K. wollte die von ihrem Mandanten eingeräumten Taten nur als Werben für eine terroristische Vereinigung gewertet haben und nicht als Unterstützung. Sie forderte eine Bewährungsstrafe sowie eine sofortige Aussetzung des Haftbefehls. Nach Verkündung des Urteils teilte die Verteidigerin Lang mit, dass ihr Mandat auf Rechtsmittel verzichtet. Fatih K. saß seit seiner Festnahmen am 30. Mai 2017 in Neustadt/WN in Untersuchungshaft.

In der ursprünglichen Anklage hatte die Staatsanwaltschaft den beiden türkischen Bürgern unter anderem Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland und Vorbereiten einer schweren staatsgefährdenden Straftat sowie Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz vorgeworfen. Das Verfahren hatte Ende März begonnen und endet nach sieben Verhandlungstagen. Ursprünglich waren 16 Tage angesetzt gewesen.

 
 

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