28 Vorstrafen und Alkoholprobleme: Unendliche Geschichte vor Gericht

Amberg
30.05.2023 - 16:33 Uhr
OnetzPlus

Ein Fall der Kategorie "unendliche Geschichte": Erst stolperte der Angeklagte betrunken zu seiner Verhandlung. Dann kam er in U-Haft, wurde freigelassen und glänzte jetzt, zum neu angesetzten Termin, durch Abwesenheit.

Das Strafgesetzbuch und Akten liegen in einem Gericht auf dem Tisch.

Einen solchen Verfahrensablauf hatte die Amberger Justiz bisher nicht. Die Sache begann, als ein 44-jähriger Amberger im August 2022 vor das Amtsgericht zitiert wurde, weil gegen ihn vier Anklagen der Staatsanwaltschaft vorlagen. Keine großen Sachen, die aber unter dem Aspekt von 28 Vorstrafen zu sehen waren. Im Prozessverlauf wurde deutlich, dass der Mann offenbar nicht ganz nüchtern war. Dennoch wickelte man das Verfahren ab. Zum Schluss gab es ein Jahr Haft ohne Bewährung.

Zusammen mit seinem Anwalt Jörg Jendricke ging der 44-Jährige in die Berufung zum Landgericht. Diesen Rechtsweg beschritt auch die Staatsanwaltschaft. Sie hatte in erster Instanz 15 Monate verlangt. Heuer im Februar kam es dann zu einem Termin bei der 3. Strafkammer. "Ist der Mann nüchtern?", fragte zu Verhandlungsbeginn der Vorsitzende Richter Peter Hollweck und deutete auf den Angeklagten, der mit schleppendem Schritt und lallender Sprache den Saal betreten hatte. Daraufhin geschah Ungewöhnliches: Der Richter holte zwei Polizeibeamte, die beim Beschuldigten einen Alkotest veranlassten und zu dem Ergebnis von satten zwei Promille kamen. Daraufhin stellte sich die Frage: Was muss geschehen, um den Mann beim nächsten Termin nüchtern in den Sitzungssaal zu bekommen?

Zu Unrecht in Haft

Im Einklang mit der Staatsanwaltschaft erließ die Strafkammer einen Haftbefehl gegen den Amberger. Ab dann bekam er ein Quartier in der Justizvollzugsanstalt. Fraglich erschien allerdings, ob diese Anordnung gesetzlichen Vorgaben entsprach. Anwalt Jendricke protestierte beim Oberlandesgericht Nürnberg gegen die Inhaftierung und bekam Recht. Ein Haftbefehl angesichts eines alkoholisierten Angeklagten sei nicht angebracht, hieß es aus Nürnberg. Noch am gleichen Tag wurde der 44-Jährige auf freien Fuß gesetzt.

Jetzt, gute zwei Monate später, hätte es vor dem Landgericht eine Neuauflage des Verfahrens gegeben. Mit einer völlig überraschend kommenden Ausgangsposition. Der diesmal nüchtern erwartete Angeklagte erschien nicht. "Wissen Sie, wo er ist?", fragte Richter Peter Hollweck den Verteidiger Jendricke. Der Anwalt wusste es. Allerdings auch erst seit wenigen Stunden. "Mein Mandant befindet sich seit ein paar Tagen zur Entgiftung in einer Bezirksklinik", informierte Jörg Jendricke. Der Verteidiger sprach von "menschlicher Kälte, die man ihm entgegengebracht hat" und erzählte aus Gesprächen mit seinem Mandanten, dass es einen Rückfall in eigentlich überwunden geglaubte Abhängigkeit gegeben habe. Von daher müsse wohl nach der Entgiftung eine längere Entzugsmaßnahme folgen.

Die Geschichte geht weiter

Nach einem Rechtsgespräch zwischen den Richtern, dem Verteidiger und Staatsanwalt Jakub Uhlik war klar: Anwalt Jendricke hätte zwar eine Vollmacht gehabt, doch ohne den Angeklagten mochte man die Frage nicht klären, ob über Bewährung zu reden ist oder nicht. So geht sie nun weiter, die unendliche Geschichte um den Mann mit seinen 28 Vorstrafen und die Frage, ob er einsitzen muss oder nicht. Frühester Termin könnte im August 2023 sein.

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