Ein paar Amberger Floskeln gefällig? Amberg ist Bierstadt, war es schon immer. Das Reinheitsgebot wird seit 1516 eingehalten, und vor allem: "zwei Tage vor Bierbrau darf nicht mehr in die Vils geschissen werden". Alles Quatsch. Diese Erzählungen gehören in das Reich der Mythen. Historisch ist keine der Behauptungen haltbar. Zum Tag des offenen Denkmals zeigte Kreisheimatpfleger und Stadtführer Dieter Dörner den Besuchern des Stadtmuseums, was es damit auf sich hat. Der Name seiner Führung: "600 Jahre Brauerei- und Wirtshaustradition".
Für viele Amberger mag es so wirken, als wäre das mit dem Bier schon immer so gewesen. Einige erinnern sich noch an die Zeit, in der Amberg die Stadt mit der größten Brauereidichte in Deutschland war. Alles selbstverständlich. Doch das Bier war hier nicht schon immer da.
Amberg lange Weinstadt
Zum ersten Mythos: Amberg und Bier gehören schon immer zusammen. Der historische Verein Cantus Ferrum feiert alle zwei Jahre mit dem Brunnenfest die Amberger Hochzeit (1474), bei der Kurprinz Philipp von der Pfalz und Margarete von Bayern-Landshut vermählt wurden. Bier fließt dort immer, wie bei jedem anständigen Amberger Fest, in rauen Mengen. Doch eigentlich gab es da 1474 kein Bier, nicht einen Tropfen. "Wenn Sie sich die Verzehrliste anschauen, finden Sie insgesamt 100.000 Liter Wein", erklärte Dörner zu Beginn seiner Führung. Fünf Tage dauerte das spätmittelalterliche Fest. Die 3000 Gäste sowie die 3500 Einwohner Ambergs, Kinder eingeschlossen, tranken laut Berechnungen Dörners in dieser Zeit pro Tag und Kopf 2,5 Liter Wein. Aber kein Bier. Dörner: "Was sagt uns das? Bayern war bis ins 16. Jahrhundert Weinland." Wie also kam das Bier nach Amberg? Zunächst durften nur Amberger Hausbesitzer Bier in den Kommunbrauereien brauen lassen. Doch das änderte sich. "Um 1800 fanden die Bauern Geschmack am Hopfenanbau", sagte Dörner. Das heutige Sulzbacher Land und die Stadt Amberg wurden Teil des europaweiten Hopfenanbaugebiets Nummer eins. "Von der Hallertau sprach damals noch niemand." Um 1800 jedoch wurde auch deutlich, dass sich die Kommunbrauereien nicht mehr rentieren. Das war die Geburtsstunde der gewerblichen Brauereien. Ende des 19. Jahrhunderts gab es laut Dörner bereits um die 20 davon alleine in Amberg. Wir machen einen Zeitsprung: Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es in Amberg noch auf 230 Einwohner ein Wirtshaus. Laut Dörner sind es heute auf 800 Einwohner nur noch eins. "Jeden Döner-Kebab und alles andere, wo was zum Essen gibt, mitgerechnet." Warum sind die Wirtshäuser gestorben? Dörner sagt: Einerseits kam die Flaschenbierkultur auf. Jeder konnte ein Bier daheim vorm Fernseher trinken. Andererseits waren es die staatlich geförderten Vereinsheime, die den Wirtshäusern den Garaus machten, weil man dann dort hin ging, um zu feiern."
Weizen statt Reinheit
Zum Mythos Bayerisches Reinheitsgebot: Jeder, der schon mal ein Bier getrunken hat und die Flasche angeschaut hat, hat dort gelesen: "Gebraut nach dem Reinheitsgebot von 1516". Qualitätssiegel, oder? Nein, ist es nicht. Dörner sagte: "Man hat trotz des Reinheitsgebot bis ins 19. Jahrhundert mit allem möglichen Zutaten gebraut. Da gehörte Tollkirsche, Seidelbast und Bilsenkraut dazu, viele Dinge also, die Halluzinationen hervorrufen können." Zudem galt das Reinheitsgebot zunächst nur für das alte Bayern, also für Landshut und München. Amberg gehörte zu dieser Zeit noch nicht zu Bayern. Dörner vermutet, dass das Reinheitsgebot in Amberg wohl erst um 1617 ankam, was aber diejenigen, die Bier brauten, wenig zu stören schien.
Das Reinheitsgebot von 1516 schreibt eigentlich Gerste als Braumittel vor, um Weizen für Lebensmittel zu sparen. Doch, wie Dörner erläuterte, haben sich die Bayerischen Herzöge schnell darüber hinweggesetzt, als in der Mitte des 16. Jahrhunderts klar wurde, dass sich mit dem Weiz'n, dem Weizen-Bier also, viel Geld verdienen ließ. Es wurden fürstliche Weißbierbrauereien gegründet. Schneider-Bräu gibt es bis heute. 1617 wurde in Amberg die Weißbierbräu-Gesellschaft gegründet, die während dem 30-Jährigen Krieg wegen der in der Region stationierten Soldaten bis zu 113 Prozent Dividende abgeworfen hat. Dörner: "Wir träumen heute von vier oder fünf Prozent Dividende."
Vilswasser war nie sauber
Vor dem Brautag darf nicht mehr in die Vils geschissen werden: Diesen Spruch hat wahrscheinlich schon jeder Amberger gehört. In Amberg gab es sechs Kommunbrauereien im 17. und 18. Jahrhundert in Amberg. Dörner zog die ehemalige Anker-Brauerei in der Herrenstraße als Beispiel heran. "Wasser war ein Problem, aber die Vils gab genug her." Fast alle Amberger Brauereien haben damit gebraut. Hinter der Krambrücke ist die Fleischbankgasse. "Da waren vor 110 Jahren noch die Fleischbänke. Man hat vorzugsweise über dem offenen Plumpsklo geschlachtet, damit die Innereien gleich in die Vils fallen." Vilsabwärts vor dem Zeughaus und dem Schloss ging laut Dörner der Stadtgraben vor der ersten Stadtmauer, also gleichzeitig die Kanalisation, entlang. "Da haben in den schlimmsten Zeiten allein 1000 Soldaten ihr Geschäft verrichtet." In einem der Häuser des heutigen Bootshauses am Eichenforstgäßchen 5 liegt das Wassersteftenhaus, wo sich die Wasserpumpe für die Anker-Brauerei befand. Dörner: "Vergesst den Ausspruch, der Cerny hat gesagt, ab Dienstag darf nicht mehr in die Vils geschissen werden, weil am Donnerstag gebraut wird. Machen Sie das mal Hunderten von Soldaten klar."
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