Als sich vor drei Jahren der 100. Geburtstag von Erwin Walther jährte, da musste das groß angelegte Jubiläumsprogramm arg beschnitten werden: Die Feierlichkeiten fielen entweder der Pandemie zum Opfer – oder mussten unter Beachtung der jeweils geltenden Hygieneanforderungen über die Bühne gehen. Auch konnte 2020 das unter dem Motto „Next Generation“ firmierende Konzert mit dem Ensemble „Der gelbe Klang“ nicht stattfinden – die Zukunftsprojektion konnte lediglich auf CD aufgenommen werden. Umso mehr freut sich seine Tochter Michaela Grammer, dass jetzt, da sich wieder Licht zeigt am Horizont der Gegenwart, doch noch Entscheidendes nachgeholt werden kann. Geplant waren zwei Termine, die sich mit dem Werk ihres Vaters auseinandersetzen. Das Konzert mit dem Varian-Fry-Quartett im Stadttheater für 5. März muss jedoch wegen Krankheit abgesagt werden. Am Freitag, 10. März, wartet jedoch der A.K.T.-Kunstverein abends um 19.30 Uhr im Ring-Theater mit einem besonderen kulturellen Leckerbissen auf. Präsentiert werden dabei zwei Arbeiten von Gerd Winkler – einem Filmemacher, der in Amberg als Leiter der Studiobühne nicht nur sein Handwerkszeug erlernte, sondern auch eine tiefe künstlerische Freundschaft mit Erwin Walther schloss.
Zu Beginn der 60er-Jahre verließ Winkler die Oberpfalz, um von Frankfurt aus für den Hessischen Rundfunk und später für den WDR und das ZDF Dokumentationen über zeitgenössische Kunst, aber auch Spielfilme zu produzieren. Erwin Walther blieb in all den Jahren sein musikalischer Partner: Er komponierte, arrangierte und dirigierte die Rundfunkorchester. Und entwickelte dabei eine Musiksprache, die anschlussfähig war, an die großen Filmkomponisten dieser Aufbruchsjahre. Durch Winklers frühen Tod – er starb 1978, kurz vor Vollendung seines 50. Lebensjahres – fand diese überaus fruchtbare und erfolgreiche Zusammenarbeit ein jähes Ende.
Konzeptkunst in Schwarzweiß
Der Dokumentarfilm „Wasser und Luft“ (1967), der das Oeuvre des Konzeptkünstlers Hans Haacke vorstellt, führt die Arbeitsweise des heute fast 90-jährigen emeritierten Kunstprofessors vor, der bis 2002 in New York lehrte. Schon in seinen frühen Arbeiten thematisierte Haacke – Wilhelm Kochs Luftmuseums-Idee ist sicher eine der Folgen dieser Ansätze – Systeme und Prozesse. Damit stellte er Interaktionen dar, die sich zwischen Tieren, Pflanzen sowie den Zuständen von Wasser und Wind entwickeln. Dies alles ist auf gut 20 Minuten zu erleben in dem erstaunlich gegenwärtig wirkenden Schwarz-Weiß-Film, der durch Erwin Walthers Mitwirken akustisch noch immer höchst modern wirkt.
Von ganz anderer Wucht und auch akustischer Durchschlagskraft ist der 80-minütige Spielfilm „Mike Blaubart“. Der „Spiegel“ bezeichnete das noch in Schwarzweiß gedrehte „Optical“ (also eine Mischung aus Musical und optischer Explosion) als „eines der klügsten Experimente im Deutschen Fernsehen“, das so kontrovers diskutiert wurde, dass es „die Nation spaltete“. Das auf einem französischen Märchen basierende Drehbuch erzählt – übertragen in die Gegenwart der Wilden Sechziger – die Geschichte des vielfachen Frauenmörders als monströse Collage aus Nonsens-Sprüchen, philosophischen Lehrsätzen sowie damals geläufigen Bundeswehr-Dienstanweisungen. Blaubart wird dabei als deutscher Superman dargestellt, der mit Sport-Coupés, Maschinenpistole und neun Ehefrauen durch Trickmontagen, Pop-Spielereien und bizarre Dekorationen geistert und ballert. Der Abend wird übrigens moderiert von Winni Steinl: Der Amberger Kulturpreisträger war als Lehrer und Theaterpädagoge seinerseits Protagonist jenes Aufbruchs, der ganz im Geiste Erwin Walthers Revolutionäres und Widerständiges einbrachte in die damals stocksteifen Verhältnisse. Und so Bühnen und Klassenzimmer stürmisch neues Leben einhauchte.
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