Steht in der Breslauer Straße im Amberger Stadtteil Bergsteig ein Auto mit KL-Kennzeichen, weiß das ganze Viertel: Alexander Bugera, der wohl berühmteste Sohn des Quartiers, hat sich von Kaiserslautern aus auf den Weg in die alte Heimat gemacht. So wie am vergangenen Samstag, als der 44-Jährige zum Benefizspiel von Global United angereist war.
Doch diesmal war die Rückkehr anders als in den vielen Jahren zuvor. Denn: „So viele sind es ja nicht mehr“, die wissen, wer er ist. Bugera war mit 17 Jahren in den Profikader des FC Bayern München gewechselt, um später als Fußballer auch in Unterhaching, Duisburg und eben Kaiserslautern, wo er aktuell die A-Jugend des Zweitligisten trainiert, Karriere zu machen.
Bei einem Spaziergang mit „Bugi“ durch sein altes Viertel wird schnell klar: Viel hat sich seit 1995 verändert, als er nach München zog. Aus dem alten Bergsteig, den Bugera als Kind und Jugendlicher erlebt hat, ist der neue Bergsteig geworden, der sein Gesicht völlig verändert hat. Der alte Sportplatz, neben dem er gewohnt hat („Ich habe zum Fenster raus geschaut und den Fußballplatz gesehen“), ist einem kleinen Baugebiet gewichen. Der den Stadtteil baulich so prägende Rundbau, in dem die Eltern seiner Mutter Maria gewohnt haben, wurde 2016 abgerissen. Er hat Platz für ein 15 Millionen Euro teures Senioren-Service-Haus gemacht. Und dann ist da noch die neue Ringerhalle. Zu Bugeras Zeiten gab es noch nicht mal die Ringersparte beim SV Inter beziehungsweise den heutigen Verein: „Diese Entwicklung ist schon der Wahnsinn.“ Auch rund um die neue Gropiusstraße unterhalb des Sportheims stehen mittlerweile Häuser, deren zugezogene Bewohner Alexander Bugera nicht kennt.
„Wahnsinn, gell?“
Zum Beispiel eine vierköpfige Familie, die 2022 Teil der Serie „Neues Jahr, neuer Bergsteig“ von Oberpfalz-Medien war. Ein mit einer Ambergerin verheirateter gebürtiger Franzose, der als Ingenieur in der Automobil-Industrie tätig ist, zog von München nach Amberg, um am Bergsteig neu zu bauen. Als er diese Geschichte hört, verschlägt es Alexander Bugera fast die Sprache: „Wahnsinn, gell? Früher war das unvorstellbar. Man hätte sich das damals nie vorstellen können, dass mal so ein Klientel auf den Bergsteig zieht.“ Das Viertel, das Bugera noch kennt, sei für Auswärtige nie attraktiv gewesen: „Man muss das ganz klar sagen, dass es nicht ganz einfach war. Wenn man als Jugendlicher gesagt hat, man kommt vom Bergsteig, hatte man gleich diesen Stempel drauf. Assi und so.“ Aber warum war das so? Viele Nationen lebten auf relativ engem Raum. Während er so durch das Viertel geht, erzählt er in dem Wissen, dass die Aussage heute politisch nicht korrekt ist, weiter: „Da hast du nebendran die Zigeuner gehabt. Ich weiß, dass man das nicht mehr sagen darf, aber es waren Zigeuner. Das waren auch meine Kumpels.“
Während er „seine“ Breslauer Straße weiter entlanggeht, sprudelt es aus ihm nur so heraus: „Es war eine schöne Zeit. Die Kindheit war so schön, weil es hier so viele Kinder gab, aus vielen Nationen. Das war so eine Gemeinschaft, die kann man gar nicht beschreiben.“ Zum Beispiel morgens und mittags auf dem gemeinsamen Weg zur Barbaraschule: „Da gab es Lutz, einen älteren Mann, der hatte einen Tante-Emma-Laden. Der hatte Süßigkeiten. Alles. Für Kinder war das ein Traum.“
Alexander Bugera und seine Freunde kauften dort am liebsten Glühweinbonbons, Schokokuss-Semmeln und Wassereis.“ Obwohl? Kauften? Der 44-Jährige grinst: „Der Lutz wurde auch oft beklaut, muss man sagen. Aber er hat es durchgezogen.“ Das Viertel sei früher zwar verrufen gewesen, das habe den Zusammenhalt unter den Kindern aber nur noch stärker gemacht – und auch Vorteile gehabt: „Es gab keinen Neid.“ Und: „Wenn du gesagt hast, du bist vom Bergsteig, hatte jeder gleich Respekt vor dir. Da war dann gleich Ruhe. Wie so eine große Familie war das damals. Das ist brutal. Wenn ich daran denke, bekomme ich Gänsehaut. Du warst immer mit 15 oder 20 Kindern unterwegs. Das war sensationell.“
Nie endende Verbindung
Zu einem seiner engsten Freunde von damals, Serdar Göksu, hat er immer noch Kontakt: „Serdar war auch mein Trauzeuge.“ Diese privaten Bindungen seien wie die zum Bergsteig: Sie werden nie enden. Das liegt auch an seinen Eltern Maria und Roman, die noch immer am Bergsteig leben – und nie auf die Idee kommen würden, das Viertel zu verlassen: „Das hat mich bodenständig gemacht.“ Dennoch sei es wichtig, dass sich der Bergsteig verändert: „Wenn das hier nicht alles passiert wäre, wäre der Bergsteig irgendwann ausgestorben.“
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