Nur Spaß, nur Party, das soll Ambergs erster Christopher-Street-Day (CSD) nicht sein. "Kunterbunt", eine kleine Gruppe von jungen Leuten, hat auch ein klares gesellschaftspolitisches Anliegen. Sie bekennen sich zu ihrer lesbischen, schwulen, bisexuellen oder Transgender-Orientierung und wollen in der konservativ geprägten Stadt ein sichtbares und - wie sie sich wünschen - nachhaltiges Zeichen gegen die Diskriminierung sexueller Minderheiten setzen.
Unter Nachhaltigkeit verstehen Charlie, Johanna und Phillip "mehr Rückhalt" für sich und Gleichgesinnte im Alltagsleben. Sie streben nach nichts anderem als der Selbstverständlichkeit der Akzeptanz ihres anders-als-die-Masse-Seins. Das ist mehr als bloßer grundgesetzlich garantierter Minderheitenschutz. "Kunterbunt" sammelt sich unter dem Zeichen des Regenbogens, um verschämt-verunsicherten Blicken, als Scherz oder Frotzelei kaschierten Anfeindungen oder gar handgreiflichen Attacken entgegen zu treten.
Positives Feedback
Ein bisschen etwas hätten sie schon erreicht, erzählen Charlie, Johanna und Phillip und meinen damit nicht nur den von ihnen organisatorisch mit auf die Beine gestellten CSD. Bisher hauptsächlich im Netz aktiv, hätte es bereits anerkennende und sie bestärkende Rückmeldungen von Persönlichkeiten des Amberger öffentlichen Lebens gegeben, habe eine Schule eine Einladung ausgesprochen, um ihr Anliegen unter Gleichaltrigen zu thematisieren, "sind Leute einfach auf uns zugekommen".
Der Christopher-Street-Day am Samstag, 31. August (Info-Kasten), soll nun das bisher öffentlichste und farbenfrohste Zeichen der Anliegen von "Kunterbunt" sein, um die Breitenwirkung zu forcieren. Als Teilnehmer ansprechen wollen die Organisatoren Gleichgesinnte aus der gesamten Oberpfalz. Enge Kontakte zu überregionalen Schwulen- und Lesbenverbänden bestehen sowieso. Auch Grüne aus der Region hätten bereits ihre Unterstützung zugesagt. Als Veranstalter hat "Kunterbunt" gegenüber den Behörden 300 bis 400 Teilnehmer angemeldet, realistischerweise hoffen die Organisatoren auf "vielleicht 200 bis 250 Leute".
Nichts für Voyeure
Party-Wagen oder viel nackte Haut wie beim CSD am zurückliegenden Wochenende in Berlin wird es in Amberg nicht geben. Voyeure können also Zuhause bleiben. Auf - umgangssprachlich formuliert - "Gschau" und eventuell ein paar unpassende Bemerkungen von Passanten, stellen sich die Veranstalter allerdings ein. Wenn es so gelingen sollte, dass damit ein Nachdenken oder die Diskussion über ihre Anliegen der Akzeptanz und Toleranz in Gang gesetzt wird, wäre etwas erreicht, sagt Charlie. Nur ernst soll der erste Amberger Christopher-Street-Day aber nicht sein. Nach der Abschlusskundgebung wird auf dem Marktplatz weitergefeiert, danach ist Party im "Von und Zu" (ehemals Magma ) angesagt. Angemerkt www.www.csd-amberg.de
Route, Programm
Ambergs erster Christopher-Street-Day beginnt laut Genehmigungsbescheid der Stadt am Samstag, 31. August, um 15 Uhr mit einer Auftaktkundgebung auf dem Multifunktionsplatz gegenüber dem Bahnhof.
Von dort setzt sich ein „Demonstrationszug“ in Bewegung. Er nimmt die Route Bahnhofstraße, Ziegel-, Fronfest-, Mühl- und Franziskanergasse, Schrannen- sowie Viehmarktplatz, Viehmarktgasse, Georgenstraße, Marktplatz.
Dort findet die Abschlusskundgebung statt, „nach dem politischen Teil werden wir Musik spielen (keine Live-Bands)“. Gestattet ist dieser Part bis maximal 22 Uhr. Danach „inoffizielle Aftershow-Party“ in der Disco „Von und Zu“, Eintritt sechs Euro. (zm)
Sie entlarven Scheinwelten
Ein paar junge Leute setzten binnen weniger Wochen die Idee des ersten Amberger Christopher-Street-Days in die Tat um. Womöglich wird es eine bittere Enttäuschung. Sicher ist ihnen aber schon jetzt der Erfolg, das geschafft zu haben als Gesicht zeigende sexuelle Minderheiten, denen kleinbürgerliche oder ideologische Engstirnigkeit gebietet, besser still zu sein.
„Kunterbunt“ tut das nicht, sondern was schon lange gilt, aber nicht adäquat im gesellschaftlichen Alltag und Denken angekommen ist: ein universelles Diskriminierungsverbot als Menschenrecht. Nach Jahrzehnten eines Dämmerschlafs scheinen jungen Menschen solche Widersprüche wieder aufzustoßen. Grund genug haben sie: Umweltraubbau, politischer Despotismus, wirtschaftliche Ausbeutung, soziale Ungerechtigkeit. All das nimmt auch EU-weit wieder zu, während die Eliten für sich beanspruchen, dagegen anzukämpfen.
Viele junge Menschen nehmen ihnen das mit dem Fingerzeig auf die Realitäten nicht mehr ab. So schnell wie heute wurden noch nie massenhafte Solidaritäten und außerparlamentarische Mehrheiten organisiert. Das Netz macht es möglich und beschleunigt so politische Prozesse ungemein. Diesem Tempo kann die arrivierte Politik kaum mehr folgen, so dass sie in vakuumierten Scheinwelten zu verharren scheint. Junge Menschen lassen wieder Luft hinein, frische, dringend nötige.
Von Michael Zeißner