Amberg, die Hauptstadt des Beat

Amberg
31.05.2021 - 00:56 Uhr
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Der Stein kam 1964 ins Rollen und er löste rings um Amberg eine Lawine aus, die mit Getöse niederging. Nirgendwo sonst gab es oberpfalzweit eine so ausgeprägte Musikszene wie an der Vils. Mit Bands, die wie Pilze aus dem Boden schossen.

So fing es 1964 an: Mit drei Kumpels gründete Günter Kälberer (links) in Amberg die Beatband The Cannonballs und trat ab dann in Wirtshäusern, Tanzlokalen und verrauchten Kellern auf. Nicht lange danach war Konkurrenz für die Jungs da. Denn innerhalb kürzester Zeit gab es zahlreiche weitere Gruppen auf regionaler Ebene.

Der Mann heißt Günter Kälberer und ist nun 77 Jahre alt. Noch immer greift er zur Gitarre und spielt. Heute bei der von ihm gegründeten Schlager-Band Hula Hoop, damals vor über fünfeinhalb Jahrzehnten als Chef der Beat-Gruppe The Cannonballs. "Die Musik ist mein Leben", hat Kälberer einmal gesagt und all das in einem Heft niedergeschrieben, was zeitweise recht stürmisch in Amberg und Umgebung an ihm vorüberzog. Wie ein nicht enden wollendes Klanggewitter.

Startschuss in Hahnbach

1964 ging Günter Kälberer mit seiner Gruppe The Cannonballs im Hahnbacher Café Siegert erstmals auf die Bühne. Das war der Startschuss für eine sich auf regionaler Ebene vollziehende Entwicklung, deren Dimension keiner ahnen konnte. Die Cannonballs bekamen bald schon Konkurrenz. Der unterdessen verstorbene Schriftsetzer Reiner Meier rief die Gruppe The Four Dynamites ins Leben und spielte mit seinen Jungs perfekt nach, was damals Gitarrengruppen wie die Shadows und die Spotnicks machten.

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Die Serie der Band-Gründungen ging weiter. Plötzlich traten Otto Bergler und seine Rotten Bones an die Rampe, gab es The League 66, The Nightwalkers, The Lonely Tears, The Sharks und etliche andere. Oft traten sie in alten Kellergewölben an der Sulzbacher Straße und unter dem Ziegeltor auf. Dort mischte sich einmal die bundesweit bekannte Band The Lords aus Berlin unter die Gäste.

Auch die Jet Strings waren unterwegs. Sie hatten allerdings sehr rasch unter ihrem im vergangenen Jahr gestorbenen Bandleader Otmar Stüber ein solch professionelles Niveau erreicht, dass ihr Hobby zum Beruf wurde. Das hatte zur Folge, dass es Monat für Monat Enagegemens in deutschen Städten gab. Zum Stammlokal der Stüber-Leute wurde das "De la Musica" in Sulzbach-Rosenberg. Günter Kälberer gehörte einmal zu dieser Formation. Denn wenn jemand einen guten Gitarristen und Sänger brauchen konnte, war er da. Seit 1964 bei insgesamt zehn Bands und Kapellen.

In Amberg gab es Beat-Stadtmeisterschaften, bei denen Titel vergeben wurden. Im Josefshaus wurde sehr zum Unwillen des Jugendamts gerockt und jeden Sonntag lief im Lokal "Metropol", das damals dem Grafenwöhrer Wirt Josef Kamper gehörte, eine Veranstaltung mit dem Namen "Tanz-Tee". Der Tee stand dabei nur im Titel. Wichtig allein war, dass Songs wie "I Saw Her Standing There" und "Hey Joe" aus den Verstärkern dröhnten.

Amberger Gruppen hatten bayernweit den besten Ruf. Sie rückten zu sogenannten Beatabenden bis nach Franken und Oberbayern aus und gewannen Wettbewerbe, die damals der BR-Moderator Rüdiger Stolze inszenierte. Als die 1960-er Jahre zu Ende gingen, war alles vorbei. Die jungen Leute hatten ihr Abitur gemacht, meldeten sich zum Studium an, standen vor beruflichen Entscheidungen. Die Szene erlosch bis auf die von Helmut Spörl geführte Gruppe "Major Knockout". Das war ebenfalls eine bei den Leuten sehr beliebte Band, die noch etliche Jahre danach weitermachte.

Der Beat geht bis heute

Über die Jahrzehnte hinweg blieb Günter Kälberer aktiv. "The Beat must go on", schrieb er in seinen Erinnerungen und wurde nicht müde, in einer Reihe von Musikformationen, die es nach der wilden Zeit gab, aufzutreten. Der heute 77-Jährige hatte außerdem zusammen mit Otmar Stüber, Reiner Meier, Mike Martinec, dem Steel-Gitarristen Frank Baum und Herbert Olbrich den Amberger Musikerstammtisch gegründet und damit vor nun fast vier Jahrzehnten dafür gesorgt, dass Erinnerungen wach bleiben. Einmal im Monat, so ist es der Brauch, treten alte Haudegen zusammen mit Nachwuchsmusikern im Amberger Wirtshaus "Am Kugelfang" vor ihr Publikum. Bisweilen auch Kälberer selbst. Und dann wird es Zeit für "The Young Ones" und "Hang On Sloopy".

Interessant ist, dass sich lange nach dem Ende der Amberger Beat-Ära einige Musiker von damals zusammentaten, um unter dem Namen Sound Society gelegentlich und bis heute die alten Songs zu spielen. Zu ihnen gehören der Drummer Leo Beck, die Gitarristen Bernd Stief und Werner Schlenzig, der zu Auftritten aus Freiburg anreist. Alle sind unterdessen über 70 Jahre alt. Auch dabei hat Günter Kälberer übrigens eine Rolle übernommen: Wenn seine Kumpels zeigen, dass sie es noch können, sitzt er an der Kasse.

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Nach 57 Jahren ist Günter Kälberer (77) noch immer aktiv. Er spielt in der Amberger Schlagerband Hula Hoop und erntet Beifall, wenn er zusammen mit Sängerin Renate Liebl (links) ans Mikrofon tritt.
Info:

Elvis Presley in Deutschland

Elvis Presley war 1958 und 1960 zu Manöveraufenthalten in Grafenwöhr. Er galt damals schon als King of Rock and Roll, gab musikalische Marschrichtungen vor. Doch richtig los ging es erst, als Elvis längst in die Staaten zurückgekehrt war und dort teilweise recht seichte Filme drehte. Plötzlich musste der König anderen Platz machen, die den Rock auf völlig neue Weise in sämtliche Hitparaden brachten. Allen voran die Beatles und die Rolling Stones. Dicht gefolgt von Jimi Hendrix, den Byrds und Eric Burdon.

 
 

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