Amberg
16.06.2020 - 16:49 Uhr

Amberger Landgericht wartet vergeblich auf den Frühaufsteher

So etwas ist der Ersten Strafkammer seit Jahren nicht passiert: Alle waren da, nur der Angeklagte fehlte. So musste ein auf zwei Tage angesetzter Prozess verschoben, mussten Zeugen abgeladen und ein neuer Termin gefunden werden.

Das Strafgesetzbuch Bild: Oliver Berg/dpa
Das Strafgesetzbuch

Weil die Strafkammer meist nur schwere Delikte verhandelt, sitzen die Angeklagten im Regelfall in U-Haft oder werden aus psychiatrischen Einrichtungen vorgeführt. Diesmal befand sich der Beschuldigte auf freiem Fuß. Vor Wochen hatte der 43-Jährige eine Ladung erhalten und darin mitgeteilt bekommen, man könne ihn auch holen, wenn er nicht erscheine.

Im Vorfeld bereits hatte sich, weil der Amberger dem Vernehmen nach oft recht früh aus dem Haus geht, ein Streifenwagen der Polizei vor seinem Anwesen postiert. Um 7 Uhr begann die Beobachtung. Doch er kam nicht. Nach längerer Wartezeit sprachen die Uniformierten bei der Mutter des 43-Jährigen vor und erfuhren: "Der ist heute schon um 5.30 Uhr fort." Sie sahen sich in der Wohnung um und bekamen das bestätigt.

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Ein mehrtägiges Verfahren vor dem Landgericht bedarf intensiver Vorbereitung. Drei Berufs- und zwei Laienrichter waren da, eine psychiatrische Sachverständige hatte sich von Nürnberg aus auf den Weg nach Amberg gemacht, Staatsanwältin und Verteidigerin nahmen Platz, Zeugen waren geladen. Nur der Frühaufsteher glänzte durch Abwesenheit. Dem Mann hätte im Prozess möglicherweise die Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt gedroht. Früher schon auffällig geworden, hatte er im vergangenen Jahr für zwei spektakuläre Auftritte gesorgt: In der Bahnhofswirtschaft zog er aus und warf eine Bierflasche in Richtung eines Bediensteten, der hinter einer Verkaufstheke stand. Der Glasbehälter verfehlte zwar sein Ziel, richtete aber einen Sachschaden von über 3000 Euro an. Ähnliches ereignete sich in einer Amberger Metzgerei. Auch dort flog eine Flasche in Richtung der Verkäuferin. In beiden Fällen ging die Staatsanwaltschaft von versuchter gefährlicher Körperverletzung aus.

Nun hätte in einem sogenannten Sicherungsverfahren geklärt werden sollen, ob der 43-Jährige ein Fall für die forensische Unterbringung ist. Der gerichtliche Terminkalender ließ nur einen erneuten Prozesstermin Ende des Monats Juli zu. Dann wird vermutlich auch über die zwischenzeitlich entstandenen Kosten zu reden sein. Immer vorausgesetzt, dass der Beschuldigte dann erscheint.

 
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