Dinge von einer anderen, ungewöhnlichen Seite zu betrachten, durch den Perspektivwechsel das zum Vorschein bringen, was dem Bewusstsein meist verborgen bleibt, und die Menschen mitzunehmen auf diese Reise, die den Blick öffnet für neue Sichtweisen auf die Welt und sich selbst. Dazu lädt die Künstlerin Miriam Ferstl derzeit in die Stadtgalerie Alte Feuerwache ein, wo ihre Werke unter der Überschrift „Vom Ankern in Wolken“ noch bis 3. März zu sehen sein werden. Wer in diesen Tagen den Raum betritt, wird sofort eingefangen von diesen zarten und ästhetischen, gleichzeitig aber auch kraftvollen und ausdrucksstarken Bildern und Textilfahnen, mit denen sich die in Neunburg vorm Wald und München lebende Miriam Ferstl in der Ausstellung präsentiert. Da sind zu allererst die „Friendly Demons“, die entweder als Wandbilder oder auf semitransparente Textilbahnen aufgetragenen Collagen von Fotografien ihrer Glasobjekte. Sie spiegeln die Ängste und Unsicherheiten der Künstlerin wider, sind aber gleichzeitig freundlich, weil der Moment ihrer Offenlegung ihren illusorischen Charakter enthüllt und ihnen dadurch ihre Bedrohlichkeit nimmt.
Um eine weitere dieser Textilarbeiten handelt es sich bei „Those who take care of us“, was einer Übersetzung des Wortes „Pflanzen“ aus indigenen Sprachen entspricht. Hier sind die auf Fotografien der Künstlerin, ihrer Mutter und Großmutter basierenden sowie auf dem Stoff aufgebrachten Bilder ein Ausdruck dessen, was von Generation zu Generation weitergegeben wird. Im Falle der heimatliebenden und naturverbundenen Miriam Ferstl ist dies vor allem auch das Wissen über Heilkräuter, die in ihrer Familie eine wichtige Rolle spielen.
Neben „Farm fatale“, Fotografien von Miriam Ferstls Großmutter, die dieses Jahr ihren 100. Geburtstag feiert und noch immer Bäuerin aus Leidenschaft ist, die durch auf eine Scheunenwand projizierte Aufnahmen entstandenen „Scheunenwesen“ und den Bildern einer früheren Installation sind es vor allem die „Lichtzellen“, die einem bei der Betrachtung der Werke besonders ins Auge fallen. Wessen man erst bei näherem Hinsehen gewahr wird, ist die Tatsache, dass hier Kronleuchter von „erleuchtenden Orten“ wie Kirchen, Moscheen und Synagogen oder auch Theater- und Opernhäusern von unten aufgenommen wurden und nun in ihrer Form an „natürliche Kunstwerke“ wie Schneeflocken oder Regentropfen erinnern.
Bilder auf Spiegelglas
Diese Bilder sind zumeist auf Spiegelglas aufgetragen, wodurch sowohl die Umgebung als auch die Besucher bei der Betrachtung mit den Werken verschmelzen. Einige davon werden aber auch in einem Röntgenkasten gezeigt, was einen klaren und unverfälschten Blick auf die „Lichtzellen“ ermöglicht. Diese Werke sind es auch, die an Orten wie der Sammlung des Bezirks Oberpfalz, der Munich Re Art Collection und neuerdings auch im New Yorker Stadtteil Manhattan einen festen Platz gefunden haben, was die Mutter eines sechs Monate alten Sohnes stolz und glücklich verrät.
Welche Gedanken sie bei der Entstehung der Kunstwerke beschäftigt haben und was sie tagein tagaus aufs Neue bewegt, konnten die Besucherinnen und Besucher der Vernissage erfahren. Dazu stellte Miriam Ferstl nach einer Begrüßung durch Museumsleiterin Julia Riß eine „Lecture Performance“ an den Anfang, die als eine künstlerische Ausdrucksform zwischen Wissensvermittlung und performativem Akt angesiedelt ist. In ihren Ausführungen offenbarte die Künstlerin ihre Gedanken über die scheinbare Unmöglichkeit, in Wolken zu ankern, sowie über ihren Glauben daran, dass eben genau dieses scheinbar Unmögliche, das Illusorische wahr werden kann.
Außerdem legte sie das Augenmerk auf einen Ausspruch von Anaïs Nin, der besagt, dass wir die Dinge nicht so sehen, „wie sie sind, sondern so, wie wir sind“. Jeder, der die Ausstellung besucht, ist demnach dazu aufgerufen, sich selbst zu hinterfragen sowie die Art und Weise, in der er persönlich die Welt wahrnimmt – und wie spannend es ist, unseren Illusionen „aufzulauern“ und das zu entdecken, was sich hinter ihnen verbirgt.
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