Als nach dem zweiten Weltkrieg eine Vielzahl von Flüchtlingen und Vertriebenen vor allem aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten nach Amberg strömte, brachte man diese unter anderem in Baracken auf dem Gelände des Heeresnebenzeugamts unter. Die Menschen blieben letztlich dort wohnen und die Keimzelle für den neuen Stadtteil Bergsteig war gelegt – mit all seinen positiven wie negativen Seiten.
Inzwischen hat sich der Bergsteig gewandelt. Nicht zuletzt dank des Programms "Soziale Stadt" ist aus dem ehemaligen Brennpunkt ein durchaus begehrtes Wohnviertel geworden. In dem nichts mehr an die Zeit erinnert, als der Bergsteig für viele Amberger eine No-Go-Area war. Verschwunden sind auch die meisten Baracken, in denen die Geschichte des Bergsteig begonnen hat. Nur an der Breslauer Straße stehen noch zwei davon, wovon die eine unter anderem als orthodoxe Kirche genutzt wird.
Stadtbau will Baracke abreißen
Nun hat die Stadtbau GmbH, also die städtische Bautochter, beantragt, die eine der beiden Baracken abreißen zu dürfen und durch eine Wohnblock mit sozial geförderten Mietwohnungen zu ersetzen. Der Wunsch besteht schon länger. Nachdem die Baracke inzwischen nicht mehr genutzt wird, schien der Stadtbau der richtige Zeitpunkt gekommen, mit dem Abriss und Neubau praktisch einen Schlusspunkt hinter das Programm "Soziale Stadt" zu setzen.
Der "Haken" dabei: Das zweistöckige Gebäude (Breslauer Straße 9 bis 13), das in seinem Ursprung 1940 entstanden ist, ist in die Denkmalliste eingetragen. Als historisches Beispiel "der für die staatliche Planung des NS-Regimes typischen Bauten des Mangels". Typisch für diese Bauweise ist die Errichtung aus normierten Fertigteilen, die schnell auf- und abgebaut werden konnten – und zeigt damit die "Bedeutsamkeit des Provisoriums für das Bauen in der NS-Zeit". Wie Stadtheimatpflegerin Beate Wolters sagt, existieren gerade von der zweistöckigen Variante dieses Barackentyps in Deutschland nur noch sehr wenige, in unserer Region überhaupt keine Exemplare mehr.
Kirchenbaracke soll stehen bleiben
Auf der anderen Seite ist das Provisorium in die Jahr gekommen, der Unterhalt ist aufwendig bis unmöglich (wie die Stadtbau sagt). Und schließlich existiert in der Breslauer Straße 15 noch die zweite – allerdings einstöckige – Baracke, die als Reminiszenz an den alten Bergsteig nach dem Willen des Bauausschusses auch unbedingt erhalten werden soll. "Aber die zweistöckige ist sehr, sehr selten", plädierte die Stadtheimatpflegerin vehement auch für deren Erhalt. "Und wollen Sie in diesen Zeiten tatsächlich eine historische Flüchtlingsunterkunft abreißen?", zog Wolters die Parallele zur aktuellen Situation in der Ukraine. Sie fürchtete, dass das nach dem "Amberger Mauerbau" das nächste unangenehme Thema sein könnte, das die Stadt negativ in die überregionalen Medien bringt.
"Flüchtlinge sind uns nicht peinlich und wir urteilen hier auch nicht über die moralische Situation", wies CSU-Stadtrat Matthias Schöberl diesen Anwurf gleich im Ansatz zurück. "So etwas vergiftet eine Diskussion." Tatsächlich ging es dem Gremium mehrheitlich darum, dass mit dem garantierten Erhalt der Kirchen-Baracke nebenan die Erinnerung an den alten Bergsteig immer noch gegeben sein wird. Zumal der Wunsch, das alte Gebäude abzureißen und durch ein modernes zu ersetzen bereits seit Jahrzehnten vom Stadtrat geteilt werde. "Ich bin etwas verwundert, dass der Wille des Stadtrats so wenig gilt", sagte Uli Hübner (SPD) in Richtung des Landesamtes für Denkmalpflege, das sich vehement gegen diesen Abbruch ausgesprochen hat.
Sechs zu vier Stimmen für Abbruch
Dass letztendlich "nur" eine mehrheitlich Empfehlung an den Stadtrat von sechs zu vier Stimmen für den Abbruch der Baracke zustande kam, hatte ganz unterschiedliche Gründe. So will Josef Witt (ÖDP) erst die vom Landesamt eingeforderte Wirtschaftlichkeitsberechnung für das Gebäude sehen, bevor er sich endgültig entscheidet. Hans-Jürgen Bumes (Grüne) hingegen stimmte für den Erhalt, weil mit dem Polizei- und Rundbau schon bedeutsame Gebäude aus der Geschichte des Bergsteig abgebrochen worden seien. Und Martin Frey (Liste Amberg) hätte gerne erst die Berechnungen für ein alternatives Nutzungskonzept der Baracke, bevor er einem Abriss zustimmt.
Die historischen Baracken am Bergsteig
- Entstanden um 1940 auf dem Gelände des damaligen Heeresnebenzeugamts am heutigen Bergsteig.
- Als normierte Holzbauten unter Verwendung von seriell vorgefertigten Teilen erstellt.
- Spiegeln laut Landesamt für Denkmalpflege die Bedeutsamkeit des Provisoriums für das Bauen in der NS-Zeit und die für die moderne Architekturgeschichte wichtige Entwicklung zur Normierung und zum Fertigbau wider.
- Als Notkapelle und Behelfswohnung inmitten einer Neubausiedlung die letzten Zeugnisse der entbehrungsreichen Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.
- Solche Baracken wurden in den Kriegs- und Nachkriegsjahren üblicherweise z.B. als mobiles Lazarett, Magazin, Gefangenenlager, in den Konzentrationslagern oder provisorischer Wohnraum für „Displaced Persons“ genutzt.
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