Amberg
22.06.2023 - 15:25 Uhr

Buchvorstellung "Von Moskau nach Beirut" in der Jüdischen Gemeinde Amberg

Die Herausgeber und Übersetzer Alex Carstiuc und Miriam Mettler stellen am Donnerstag, 29. Juni, um 18 in der Jüdischen Gemeinde Amberg, Salzgasse 5, Léon Poliakovs "Von Moskau nach Beirut. Essay über die Desinformation" vor. Im Sommer 2022 jährte sich der Libanonkrieg zum 40. Mal: 1982 rief Israels Libanon-Offensive heftige Reaktionen in der westlichen Öffentlichkeit hervor, die damals noch nicht zum Standardrepertoire der Berichterstattung gehörten. In den Massenmedien wurde der jüdische Staat – von Léon Poliakov in dieser Schrift als "Jude unter den Staaten" bezeichnet – des Völkermords an der palästinensischen Bevölkerung bezichtigt und die Israel angekreideten Verbrechen mit denen der Nazis gleichgesetzt, heißt es in einer Pressemeldung dazu. Während in der arabischen Welt und den meisten sozialistischen Staaten diese Gleichsetzung bereits seit Israels Staatsgründung im Jahr 1948 an der Tagesordnung war, bedurfte es in der westlichen Welt, wie Léon Poliakov anhand eindrücklicher Beispiele und Quellen nachweist, einer längeren Entwicklung, um diese Form antisemitischer Desinformation für sich zu entdecken und zu popularisieren.

Poliakov war diese Neuerung Anlass für seinen 1983 auf Französisch publizierten Essay De Moscou à Beyrouth. Essai sur la désinformation, der nun zum ersten Mal in deutscher Sprache erscheint. Hier analysiert er die antisemitische Propaganda und die damit einhergehenden judenfeindlichen Exzesse, die sich im Zuge der israelischen Intervention im Libanonkrieg bahnbrachen, heißt es in dem Schreiben weiter. Um zu beantworten, wie es so weit kommen konnte, zeichnet er die Entwicklung des Antisemitismus im 20. Jahrhundert nach, insbesondere die Transformation, die dieser in der Sowjetunion erfuhr, und schildert die zentrale Rolle, die die stalinistische Propaganda hierbei spielte.

Von Moskau nach Beirut stellt eine politische Intervention für Israel und gegen die modernen Formen des Antisemitismus dar. Der Essay kann gleichwohl als Fortsetzung von Poliakovs Schrift "Vom Antizionismus zum Antisemitismus" (1967, Calmann-Lévy; 1992, ça ira) begriffen werden. Hatte er dort bereits unmittelbar nach dem Sechstagekrieg den Antisemitismus im Gewand des Antizionismus erkannt, so weist Poliakov in dieser Schrift nach, dass im Sommer 1982 die antiisraelische Propaganda zu einer Aufhebung aller Schranken und Tabus führte, die den Antisemitismus seit der Shoah noch irgendwie eingehegt hatten.

Léon Poliakov, 1910 in St. Petersburg geboren und 1997 in Orsay gestorben, floh mit seiner Familie nach der Oktoberrevolution 1917 über Berlin nach Paris. Während der deutschen Besatzung Frankreichs überlebte er die Shoah im Untergrund und war in der Résistance an Judenrettungen beteiligt. Als autodidaktischer Historiker publizierte er 1951 mit "Vom Hass zum Genozid" die erste analytische Studie über die Shoah, die erst 2021 auf Deutsch (Edition Tiamat) veröffentlicht wurde, während sie in Frankreich, ebenso wie seine achtbändige "Geschichte des Antisemitismus" zum Standardwerk avancierte. Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Verdi-Ortsverein Medien Oberpfalz Nord statt und ist kostenlos. Eine Anmeldung unter nadine.randak[at]ikg-amberg[dot]de wird erbeten.

 
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