Ohne ihn hätte die Welt nie erfahren, worüber sich Rekordnationalfußballer Lothar Matthäus und Lichtgestalt Franz Beckenbauer so am Telefon austauschen. Und das Oktoberfest 2009 wäre ohne den Wiesn-Hit "Zehn Meter geh'" geblieben. Aber Chris Boettcher kann auch anders, vor allem voluminöser: "Nicht ohne meine Big Band" heißt das Programm, mit dem der stolze Träger des Kitzinger Schlappmaulordens – "den schon Helmut Kohl, Markus Söder und jetzt Volker Heißmann bekommen haben" – am Rosenmontag das altehrwürdige Stadttheater Amberg rockt.
Mit dem großen musikalischen Format habe er schon immer geliebäugelt: "Seit ich denken kann, mache ich Musik, ich habe auch schon Alben mit Schwerpunkt Musik statt Comedy veröffentlicht", schreibt Chris Boettcher auf Nachfrage von Oberpfalz-Medien. Meistens seien es dann aber doch die Songs mit ironischen Texten gewesen, die richtig durchgestartet sind. Als Beispiel nennt er den viralen Erfolg "in der Pubertät" oder eben jene "Zehn Meter geh'", in dem er Heidi Klums Top-Model-Sendung eine mitgegeben hat.
Die Crème de la Crème ihrer Zunft
Wie es zur Big-Band-Idee kam, hat er in einem Bayern-2-Radiointerview erzählt. Weil auch er im Lockdown zwangsläufig runterfahren musste, versuchte er mal Puristisches am Klavier und schrieb den Song "Aufm Weg": "Er beschreibt die wesentlichen Wünsche für ein gutes, erfülltes Leben. Ich glaube, es ist mein bester Text." Den Testhörern gefiel er jedenfalls – vor allem, wenn er mit Big Band eingespielt würde.
Gesagt, getan: Arrangeur Andreas Unterreiner besorgte 17 Instrumentalisten und los ging es mit diesem einen Lied in einem Münchener Tonstudio: "Dann kamen immer mehr Songs dazu", so Boettcher. Die Feuertaufe vor Publikum fand dann letzten August im Brunnenhof der Münchener Residenz statt: "Er war hinreißend. 900 Zuschauer an einem unglaublich schönen Sommerabend."
Und weil seine musikalischen Mitstreiter zur Crème de la Crème ihrer Zunft zählen, musste auch gar nicht viel Zeit vorab investiert werden: "Diese Wahnsinnsmusiker brauchen nicht viel Probezeit, alles Top-Notisten. Zwei von denen haben vor zwei Monaten noch mit Paul Carrack und der SWR-Big-Band in der Londoner Royal Albert Hall gespielt, so viel nur zur Qualität der Band."
An Oberpfälzisch nie getraut
Das Projekt soll laut Boettcher auch eine "Hommage an die Vielfalt der Musik" sein. "Eigentlich sind alle Stilrichtungen vertreten, die eine Big Band hergibt, vor allem Swing, guter alter melodischer Jazz, aber auch tolle Balladen und soulig-funky Elemente, damit die Bläser sich so richtig schön austoben können", konkretisiert er.
Das im November erschienene Album war gerade "Album der Woche" im Saarländischen Rundfunk und der "Heimatsound-Tipp" in Bayern 2, berichtet Boettcher und schiebt gleich einen Wermuts-Tropfen nach: "Leider spielen die meisten Radiostationen nur noch englischsprachige Musik. Da wär durchaus Luft nach oben, was das Airplay angeht. Aber ich halte die deutschen und bayerischen Texte hoch, egal, was die Radios wollen."
Als "bayerischer Michael Bublé" tituliert zu werden, würde er als sehr großes Kompliment auffassen. Die "Süddeutsche Zeitung" sprach vom "bayerischen Roger Cicero": "Ich will ganz ehrlich sagen, die eben genannten Herren singen sicher besser als ich. Aber ich schreibe alle Stücke selbst, vielleicht ist das mein größtes Alleinstellungsmerkmal." Das Oberpfälzer Idiom ist übrigens vor Boettcher sicher: "Tatsächlich habe ich mich an diesen wunderschönen Dialekt auch als Parodist nie hingetraut, ich mag ihn und habe Respekt davor, nichts falsch zu machen. Vor'm Fränkischen – siehe Lothar Matthäus – hatte ich komischerweise nicht so viel Respekt."
Ein Schmähgedicht auf den Sechzigsten
Weil es ihm darum ging, etwas total Neues zu schaffen, wird das Publikum am Rosenmontag vergeblich auf "Zehn Meter geh'" warten: "Aber 'in der Pubertät' ist dabei". Und womöglich auch "Lothar & Franz", obwohl die Lichtgestalt ja nicht mehr unter uns weilt: "Lothar könnte und kann ja mit Franz telefonieren, denn der Kaiser sitzt jetzt sicher auf der besten 'Cloud' ever und hat da oben sicherlich keine Verbindungsprobleme". Dass der Bandleader Wert auf gutes Comedy-Entertainment legt, wissen übrigens auch die Big-Band-Kollegen als tolle Abwechslung zum rein musikalischen Alltag zu schätzen.
Als "Mensch mit frechem Mundwerk" verspricht Boettcher denn auch für den Amberger Auftritt viele Parodien und Comedy-Stand-ups zwischen den Songs – "es ist ja Rosenmontag und nicht Heiligabend!" Außerdem wird sich Boettcher einer Sache annehmen, die ihm im April bevorsteht: "Uiui, dass Sie das ansprechen. Mein Agent hat mich einen Tag vor dem Runden und beide Tage danach zu Auftritten gebucht, ich habe also gar keine Zeit zu feiern, aber ich habe den runden Geburtstag zum Anlass für ein kleines Schmähgedicht auf den Sechzigsten genommen, das bei unserem Konzert am 12. Februar im Stadttheater zu hören sein wird."
Danach soll es übrigens ein wenig gedimmter weitergehen: "Ich werde die nächsten Monate und Jahre nutzen, ein Musikprogramm mit kleinerem Besteck auf die Beine zu stellen. Eine Big Band ist auf die Dauer doch ein echt tolles, aber auch schwer bewegliches Projekt. Daher kommt alle und hört Euch diesen musikalischen Rolls Royce an, so lange er noch läuft."
Zu Person und Veranstaltung
- Chris Boettcher, Musiker, Comedian, Radiomoderator, geboren am 11. April 1964 in Ingolstadt, war "Frühaufsänger" bei Antenne Bayern und Lockvogel bei "Verstehen Sie Spaß", schuf u.a. die legendäre Bayern 3 - Parodie "Lothar & Franz" und den inoffiziellen Song zur Fußball-WM 2010 "Högschde Disziplin (Jogi Jogi Joo)"
- Nicht ohne meine Big Band! - Chris Boettcher & Big Band live in Concert am Rosenmontag, 12. Februar um 19.30 Uhr im Stadttheater Amberg, Tickets bei der Tourist-Information Amberg, Tel. 09621/101233.
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