Dass Künstlerinnen, Künstler und Publikum Lust auf ihr spezielles Format haben und auch darauf, nach Amberg "ins schöne Stadttheater zu kommen", empfindet Nora Gomringer als große Freude, schreibt sie auf Nachfrage von Oberpfalz-Medien. Das sei ebenso wenig selbstverständlich wie das Zutrauen in Live-Veranstaltungen nach Corona. „Das alles dauert seine Zeit. Ich freue mich über das Vertrauen des Kulturamts und dessen Weitsicht.“
Befragt nach Neuheiten der dritten Auflage ihrer Veranstaltungsreihe, antwortet die Gastgeberin: „Das Neue sind immer die Gäste! Klar würde ich am liebsten alles noch bunter und knalliger denken wollen, aber so bleibt es beim Künstler, Autor und Musiker und hat Würde und Muße.“ Im Übrigen glaube sie, dass wer zu „Tinte & Terz“ kommt, sich anschließend ein bisschen verbunden fühlt mit den Künstlern: „Und das ist was Gutes: Verbindung.“
Zu ihren persönlichen Highlights der kommenden vier Veranstaltungen zählt sie, im Dezember ihren Kollegen Philipp Scholz am Jazz-Schlagzeug präsentieren zu können. „Und dann bin ich ganz guter Dinge, dass alle eingeladenen Gäste diesmal auch ein bisschen Leichtigkeit mitbringen. Die brauchen wir doch alle im kalten, grauen Winter.“
Den Auftakt macht Schriftsteller Martin Beyer, mit dem die Gastgeberin schon „zwei Dekaden der Freundschaft“ verbinden. Beyer war ihr Tutor an der Universität Bamberg: „Er war längst veröffentlichter Autor, als ich ihn kennenlernte und hat mich immer sehr beeindruckt.“ Seine Bandbreite und Integrität als Künstler seien ihr ein Vorbild. Sie hätten als Schreibende sogleich einen Freundschaftsdraht zueinander gehabt, erinnert sich Martin Beyer, „und schon als Studis eine Menge ausprobiert: einen kleinen Verlag gegründet zum Beispiel“. Während es den Bego-Verlag längst nicht mehr gibt, blieb die Freundschaft über alle Lebenslagen hinweg bewahrt: „...ich verdanke Nora viel.“
Gomringer und Beyer moderieren gemeinsam die Talkshow „Villa Wild“ im E.T.A.-Hoffmann-Theater Bamberg und haben eine Lyrik-Anthologie herausgegeben. Der Konstellation beim Amberger Abend sieht Beyer gelassen entgegen: „Ja, das wird anders werden, und ich freue mich auf diesen Rollenwechsel. Der Vorteil ist, dass wir uns ja nun schon sehr gut kennen und uns vertrauen, wir können also auf einer anderen Ebene einsteigen. Wobei ich mir aber auch gut vorstellen kann, dass Nora die eine oder andere Überraschung parat haben wird.“
Eine sprechende Posaune
Zumindest was das Musikalische betrifft, gehört Letzteres zum bewährten „Tinte & Terz“-Konzept. Das weiß auch der Gast, der sich aus diesem Grund nicht zu weit aus dem Fenster lehnen möchte, Mutmaßungen in Richtung Posaunistin Antonia Hausmann aber als „eine sehr heiße Spur“ einstuft. Nora Gomringer schwärmt immerhin schon mal von Martin Beyers Bühnenpartnerin: „Wenige denken bei der Posaune an ein ‚sprechendes‘, erzählendes Instrument. Aber genau das kann sie. Die Posaune von Antonia Hausmann spricht.“
Sprechen wird aber natürlich auch der Schriftsteller, und zwar über seinen Roman „Tante Helene und das Buch der Kreise“. Auf die zugrundeliegende wahre Lebensgeschichte sei er in einem Künstlerhaus in Spanien gestoßen, wo ihn die Künstlerin Chus López Vidal neugierig machte auf den Lebenslauf ihrer Bekannten Irene Wedell, eine deutsche Malerin, Zeichnerin und Modeschöpferin. Diese habe ihn wenige Jahre später bei einer Lesung in Berlin angesprochen: „Einen Tag später war ich bei ihr zum Kaffeetrinken, und sie hat angefangen, mir ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Und was soll ich sagen, Chus López Vidal hatte nicht zu viel versprochen.“
Mut, Freiheit und ein großes Geschenk
Obwohl damit das Roman-Gerüst schon stand – leichter wurde das Schreiben dadurch nicht: „Erst hat es das ganz schön erschwert. Das lag aber vielmehr daran, dass ich eine große Verantwortung gespürt habe, dieses Leben zu erzählen, und vielleicht fühlte ich mich auch noch nicht reif genug dafür.“ Einige Jahre später, nach Irene Wedells Tod, fasste er doch den Mut, dieses große Geschenk anzunehmen und in einen Roman umzusetzen: „Irene hat mir von Anfang an alle Freiheiten gegeben – vielleicht musste ich aber erst noch ein wenig wachsen, um mit dieser Freiheit wirklich umgehen zu können.“
Darüber hinaus wird Martin Beyer das Publikum auch schon ein bisschen in seine neuen Projekte schnuppern lassen: „Daraus lesen werde ich noch nicht, aber darüber sprechen bestimmt. Das ist alles sehr aufregend, weil gerade ein neuer Roman fertig geworden ist und ich jetzt damit beginne, ihn anderen Menschen zu zeigen und darüber zu sprechen. Das fällt mir, bevor etwas fertig ist, oft sehr schwer." Aber Nora Gomringer und die "Tinte
& Terz"-Fans werden es ihm sicherlich ganz leicht machen.
Zu Personen, Buch und Veranstaltung
- Martin Beyer, Schriftsteller, geboren 1976 in Frankfurt am Main, promovierter Germanist, 2009 Debütroman "Alle Wasser laufen ins Meer", ausgezeichnet mit dem Walter-Kempowski-Literaturpreis 2009, dem Kulturförderpreis der Stadt Bamberg 2011, 2019 Finalist beim Ingeborg Bachmann Preis, Dozent für kreatives Schreiben, lebt in Bamberg
- Tante Helene und das Buch der Kreise, 416 Seiten, Hardcover, Ullstein Verlag, 23 Euro
- Tinte & Terz mit Nora Gomringer und Martin Beyer am Donnerstag, 16. November, um 20 Uhr im Stadttheater Amberg, Tickets bei der Tourist Information Amberg, Telefon 09621/101233
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