Ein ungewöhnlicher Anblick auf der Allee über dem Amberger Stadtgraben bei der Hochschule: Quer über den Geh- und Radweg haben Experten am Mittwochvormittag einen langen Seilzug gespannt – das Herzstück eines so genannten "Zugversuchs". Damit prüfen Fachleute, ob ein Baum standfest ist und ob Astteile herunterfallen könnten. Gäbe es hier Bedenken, müsste die Stadt tätig werden, um keine Radler und Fußgänger zu gefährden.
Die Verkehrssicherheit ist ein Aspekt. Ein anderer ist, dass die Stadt versucht, ihren Baumbestand zu erhalten – gerade die sehr alten Exemplare. Ohne zwingenden Grund wolle man keine Äste oder gar den ganzen Baum kappen, betont Michael Berschneider, Baumkontrolleur bei der Stadt Amberg. Selbst wenn ein Baum abgestorben ist, lasse man ihn bewusst stehen, wenn es die Verkehrssicherheit erlaubt. "Wir lassen Totholz drin, so lange es standfest ist – als Habitat", erklärt Berschneider die Devise des städtischen Teams Grün, das unter anderem den Baumbestand im Blick hat.
Ein Blitzeinschlag
Was früher tatsächlich nur mit Blicken ging, kann seit etwa 20 Jahren mit spezieller Technik noch sehr viel genauer beurteilt werden. Am Mittwoch hatten Experten einer Baum-Sachverständigen-Firma eine gut 100 Jahre alte Linde mit Sensoren bestückt, Messgeräte und Laptop aufgebaut und einen langen Seilzug installiert. Im Stamm des mächtigen Baumes klafft ein langer, tiefer, breiter Spalt. "Ein Blitztreffer", erklärt Berschneider. Keine junge Verletzung. Der Blitzeinschlag könnte schon gut 20 Jahre her sein, meint der Baumkontrolleur. "Er ist aber auf jeden Fall interessant", merkt Berschneider noch an, denn Blitztreffer "mitten in der Stadt sind selten". Die Linde hat's überlebt: Bernschneider deutet nach oben, in die Krone, mit vielen frischen, saftig grünen Blättern.
Der Blick-Check alleine reicht aber nicht, Bruchsicherheit und Standfestigkeit müssen genauer überprüft werden. Über eine Konstruktion aus Stahlseilen und Gurten wird die alte, über 20 Meter hohe Linde schrittweise mit Hilfe einer Ratsche auf Spannung gesetzt. Dabei wird mit einer Kraft von vier Kilonewton (400 Kilogramm) an dem Baum gezogen. Mit Hilfe der Technik erheben die drei Experten dabei verschiedene Daten, bei denen zum Beispiel feinste Dehnungen/Stauchungen der äußeren Jahresringe im Stamm oder kleinste Veränderungen im Wurzelsystem erfasst werden: Allerlei bunte Grafiken und viele Zahlen tauchen auf dem Bildschirm des Laptops auf, den die Fachleute mitgebracht haben.
Fällung steht nicht zur Debatte
Ob es bei der alten Linde Probleme gibt, die ein Eingreifen erfordern, können die Experten erst sagen, wenn sie ihre Daten ausgewertet haben. Aber, das betont Baumsachverständige Lena Wilms schon jetzt: "Eine Fällung steht nicht zur Diskussion." Ihr Kollege hat als Baumkletterer oben im Baum Kotspuren des Rosenkäfers und auch Spechtabschläge gesehen. Der Baum ist also "bewohnt" und soll deshalb stehenbleiben.
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.