Ein hörbares Zähneknirschen darüber, dass jemand in seine Wohnung zurückkehrt, der an paranoider Schizophrenie leidet und durch Gewalttätigkeiten für Beunruhigung gesorgt hat. Kein Fall wie jeder andere, zu dem psychiatrische Sachverständige nach Amberg anreisen.
Zwei Tage lang saß ein 36-Jähriger vor der Ersten Strafkammer des Landgerichts, der seit 2002 an Schizophrenie leidet und vor wenigen Jahren eine Eigentumswohnung in einem mehrstöckigen Gebäude kaufte. Was dort völlig ansatzlos geschah, veranlasste die Staatsanwaltschaft, einen Antrag auf dauerhafte Unterbringung des Mannes in einer geschlossenen Anstalt zu stellen. Die Serie von Gewalttaten begann am 30. Januar 2018. Der körperlich schwergewichtige Frührentner ging auf einen Nachbarn los und versetzte ihm grundlos drei Faustschläge in Gesicht. Das geschah mit Wucht und ließ einen Backenzahn brechen. Als Polizisten eintrafen, hielt der 36-Jährige einen Hammer in der Hand. Danach kam er ins Bezirkskrankenhaus.
Massiver Widerstand
Die Aggressivität setzte sich fort. Wieder entlassen, ging der Angeklagte am 20. Mai 2018 auf einen anderen Mitbewohner des Hauses los. Auch dieser bekam drei Fausthiebe. Im August erschienen dann vier Uniformierte an der Wohnung des 36-Jährigen. Da er nicht zu einer gerichtlich angeordneten Untersuchung beim Landgerichtsarzt erschienen war, hatten sie einen Vorführungsbefehl dabei. Plötzlich wurde es turbulent: Der Frührentner leistete massiven Widerstand und konnte erst durch den Einsatz von Pfefferspray gebändigt werden. "Ich habe mich bedroht gefühlt", sagte er jetzt. Einer der Uniformierten war danach krankgeschrieben.
Die Staatsanwaltschaft wollte die Unterbringung des Mannes. Sie stützte sich dabei auf das im Prozess vorgetragene Gutachten eines medizinischen Sachverständigen, der weitere Gewalttaten des Mannes nicht ausschloss und ihm wegen seiner geistigen Erkrankung eine Gefährlichkeit zuschrieb. Fest stand dabei: Die zur Debatte stehenden Attacken waren im Zustand der Schuldunfähigkeit geschehen. Das schloss eine Ahndung wie Geld- oder Haftstrafe aus. Die Erste Strafkammer unter Vorsitz von Roswitha Stöber beriet über mehrere Stunden hinweg und wog dabei die Sachlage ab.
Dann wurde der Antrag auf Einweisung in die Forensik, gestellt von Staatsanwältin Raphaela Etzold, abgelehnt. Die Vorsitzende begründete das sehr ausführlich. Der Gesetzgeber habe die Rahmenbedingungen für dauerhafte Unterbringungen verschärft, ließ Richterin Stöber anklingen und führte ins Feld, dass zuletzt über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr keine Gewalttaten mehr geschehen seien. Der 36-Jährige bekomme durch einen Facharzt monatlich sogenannte Depotspritzen, nehme auch seine Medikamente.
Zurück in Wohnung
In der Gesamtbetrachtung, so die Richterin, müsse eine Unterbringung abgelehnt werden. Denn sie bedeute in ihrer Konsequenz einen womöglich lebenslangen Aufenthalt hinter Klinikmauern. Im Zuhörerraum saßen Nachbarn des 36-Jährigen, die zähneknirschend äußerten: "Es muss wohl erst einen Toten geben in diesem Haus."
Dorthin ist der Frührentner unmittelbar nach dem Prozess, zu dessen Ausgang die Staatsanwaltschaft keine Rechtsmittel einlegen kann, zurückgekehrt. Denn aus seiner Eigentumswohnung kann ihn keiner vertreiben. Trotz Schuldunfähigkeit und geistiger Erkrankung.













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