Gefühlt ständig werde Julia (33) aus Amberg auf der Couchsurfing-Plattform angeschrieben, weil jemand in der Region eine Unterkunft sucht. Erst im Sommer bekam sie Besuch von zwei jungen Frauen. "Eine Schweizerin machte Station in Amberg, weil sie mit dem Rad nach Finnland fahren wollte." Ein Teil ihrer Reise verlief über den Fünf-Flüsse-Radweg, weshalb die Luzernerin auf Amberg aufmerksam wurde.
Das Ganze funktioniere ein bisschen wie ein Blind-Date, erklärt Julia. "Wir haben uns am Marktplatz verabredet und sind einen Kaffee trinken gegangen." Danach wurde gemeinsam gekocht, am nächsten Tag zeigte Julia der Schweizerin die historische Altstadt. "Sie fand Amberg ganz putzig und war ganz begeistert, als wir durch die Gässchen geschlendert sind. Ihr gefiel auch die Vils mit ihren Brücken."
Unterschiedliche Menschen
Im Sommer übernachtete auch eine Französin auf Julias Matratze. "Sie fuhr auf Inline-Skates von Frankreich zu einer Ausstellung nach Prag", erinnert sich die Pressereferentin. "Etwas verrückt. Aber genau das ist das Spannende." Der Reiz am Cochsurfing mache das aus: "Man lernt innerhalb kürzester Zeit die unterschiedlichsten Menschen kennen."
Julia ist aber nicht nur "Host", wie die Gastgeber genannt werden: Die reiselustige Ambergerin ist schon viel in der Welt herumgekommen - und hat ebenfalls auf fremden Sofas übernachtet. Im vergangenen Jahr war das Ziel Australien zusammen mit einer Freundin. Auch in Spanien nutzte sie schon die Gelegenheit. "Man lernt definitiv Ecken kennen, die man als Tourist so nie sehen würde." Diese Art zu reisen sei aber nicht nur für Low-Budget-Touristen geeignet. "Wer das Land intensiver kennenlernen möchte, für den ist es ideal." Es sei spannend zu sehen, wie andere Menschen leben. Sie sagt aber auch: "Ich bin ein offener Mensch und habe bislang keine schlechten Erfahrungen gemacht. Die Bewertungen der Hosts sehe ich mir aber ganz genau an."
Einen Tipp für Amberg-Besucher hat Julia auch parat: "Kommt im Sommer. Der Sonnenschein und die Vils: Es ist die lebendigste Zeit in der Stadt, weil es die Menschen in Cafés und nach draußen lockt." Dann erlebe man ganz besonders, den Flair der Stadt. "Selbst ich entdecke beim Spazierengehen immer wieder etwas Neues."
Neun Jahre auf Reisen
Für einen Sommeraufenthalt in Amberg hat sich der Australier Anthony nicht entschieden. Er ist für einige Tage in die Region gekommen - und ist ganz aus dem Häuschen, weil ihm die historische Architektur hier so gut gefällt. Seit 2011 ist der 49-Jährige aus Down Under auf Reisen. Rom, Hamburg, London, Tallinn, Paris, Amsterdam, Berlin, Ljubljana - in Europa hat der Australier schon einiges gesehen. "Ich mag aber die kleinen Städte", sagt er. Natürlich gebe es Gründe, warum die Metropolen so bekannt sind und die Touristen in Scharen dorthin fuhren. "Aber ein Land lernt man vor allem an Orten von der Größe wie Amberg kennen." In den neun Jahren übernachtete er insgesamt bei 188 Hosts.
Die Ideen für seine nächsten Stationen erhalte Anthony wiederum durch Tipps von anderen Reisenden und Backpackern. "Manchmal entdecke ich online tolle Bilder oder eine Postkarte inspiriert mich, dorthin zu reisen." Es ist übrigens nicht sein erster Aufenthalt in der Region: 2019 schlief er schon mal in Ammerthal auf der Couch eines Hosts.
Stadtbrille als Höhepunkt
In Australien hat Anthony Architektur studiert. "So etwas wie hier gibt es in meiner Heimat nicht", ist er fasziniert und hat stets seine Fotokamera dabei. "Manchmal dauert es bis zu einer halben Stunde, bis ich die perfekte Einstellung für ein Motiv an einem Ort gefunden habe", erzählt er. In Amberg gefällt ihm besonders die Stadtbrille - vor allem, wenn sich auf der Vils die Architektur spiegelt.
"Es ist eine andere Möglichkeit, Plätze und Orte zu erleben", lautet Anthonys Fazit. Und er hat festgestellt, dass Einheimische in Städten, die so klein sind wie Amberg, ihm wirklich etwas über das Leben und die Stadt erzählen können. "In Berlin oder Hamburg leben ja kaum Berliner oder Hamburger." In Kleinstädten wüssten die Menschen einfach mehr über ihre Heimat. "Das kommt mir als Fremder zugute."
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