Amberg
12.11.2020 - 11:00 Uhr

Gericht berät über Psychiatrieeinweisung wegen zweifachem Mordversuchs

Es geht um die Zukunft eines 52-Jährigen. Vor dem Landgericht Amberg stellt sich die Frage: Ist der Mann so gefährlich, dass er sein weiteres Leben in der Psychiatrie verbringen muss?

Prozess wegen eines zweifachen Mordversuchs. Symbolbild: Franziska Kraufmann/dpa
Prozess wegen eines zweifachen Mordversuchs.

An den Tatort kam die Polizei zunächst nicht. Sie erfuhr erst viel später von einer Begebenheit, die sich am 29. September 2019 im nördlichen Landkreis Schwandorf ereignet hatte. Dazu muss man wissen: Es gibt in diesem Bereich sechs Häuser, in denen Bewohner leben, die wegen ihrer Pflegebedürftigkeit rund um die Uhr betreut werden. Offene Einrichtungen, in denen allerdings Regularien für alle vorgegeben sind, die dort ein Obdach haben. In einem dieser Gebäude lebte seit längerer Zeit ein 52-Jähriger, dem der Leitende Oberstaatsanwalt Joachim Diesch nun zweifachen Mordversuch vorwirft.

Allerdings tut er das mit der Einschränkung, dass der mutmaßliche Täter wegen einer Erkrankung im Zustand der Schuldunfähigkeit handelte. Fest steht: Mit dem Mann, seit 25 Jahren in der Obhut von Betreuern, gingen 2019 Veränderungen vor. Laut sei er geworden, hieß es am ersten Prozesstag vor der Ersten Strafkammer des Landgerichts Amberg. "Plötzlich aggressiv und unbeherrscht". Er selbst sagte: "Es ist mir nicht so gut gegangen."

Luft aus Autoreifen gelassen

Im Haus gab es eine junge Pflegekraft, deren Dienste der Beschuldigte offenbar ganz für sich allein beanspruchte. Doch die 27-Jährige war in ihrer Betreuungsfunktion auch für andere zuständig. Darunter befand sich eine Frau, die der seltsam gewordene Hausbewohner offenbar nicht ausstehen konnte. "Sie hat genervt", erzählte er nun den Richtern und fügte hinzu: "Ja, ich war es." Was er mit dieser Feststellung meinte, wollte die Kammervorsitzende Roswitha Stöber genau wissen.

Die von dem 52-Jährigen nicht besonders gelittene Hausbewohnerin sollte am 29. September letzten Jahres zu einem Arztbesuch nach Weiden gebracht werden. Über eine Informationstafel im Gebäude erfuhr der Mann davon und er wusste auch, wo das zu dieser Fahrt vorgesehene Auto stand. In der Nacht davor ging er hinaus und ließ die Luft aus dem rechten Vorderreifen heraus. Der war danach platt.

Wenige Stunden später hätte die Fahrt nach Weiden beginnen sollen. Die Hausbewohnerin saß auf dem Beifahrersitz, ans Steuer setzte sich die 27-jährige Pflegerin. Sie merkte schon nach 30 Metern, dass etwas nicht stimmte. Ene Anzeige im Wagen signalisierte ihr den mangelnden Reifendruck, zudem begann das Fahrzeug zu schlingern. Die Pflegerin bremste sofort ab und brachte den Pkw zum Stehen. Das Ereignis sorgte nicht sofort für Aufregung. "Ein Loch" wurde vermutet. Doch die Prüfung des Reifens ergab: Da war kein Loch. Da musste wohl jemand am Werk gewesen sein.

Unabhängig davon kam der Mann wegen seines auffälligen Benehmens nicht lange danach zur Beobachtung ins Regensburger Bezirkskrankenhaus. Knapp zwei Monate später gab es ein Gespräch mit mehreren Teilnehmern, bei dem geklärt werden sollte, ob er denn wieder in die Betreuungseinrichtung zurück dürfe. Er selbst war mit dabei und wurde darauf angesprochen, ob er etwas mit dem platten Reifen zu tun habe.

Die Teilnehmer dieser Diskussionsrunde waren nun am ersten Verhandlungstag als Zeugen geladen. Sie erinnerten sich nahezu ausnahmslos, "dass er diese Angelegenheit zugegeben hat." Daraufhin wurde nachgebohrt. Mit dem Ergebnis, dass der 52-Jährige einräumte, die bei ihm ins Hass-Visier geratene Heimbewohnerin hätte "umkommen sollen". In anderen Zeugenversionen hieß es: "Sie hätte sterben" oder "sie hätte nicht zurückkehren sollen."

Da war aber auch noch die Pflegerin, die am Steuer saß. Sollte auch der etwas geschehen? Nicht unbedingt ein tödliches Schicksal, hatten die Teilnehmer der Gesprächsrunde im Gedächtnis. "Aber in Kauf genommen hat er es." Oder anders: " Er hat gesagt, es sei ihm egal gewesen."

Regensburg07.11.2019

Versuchte Brandstiftung?

Erst nach dieser Diskussion erfuhr die Polizei von dem Ereignis und begann zu ermitteln. In ihren Unterlagen steht nun, dass der 52-Jährige sich offenbar auch mit Brandstiftungsgedanken trug. Um ein Feuer zu entfachen, entzündete er eigene Bekleidungsstücke in der mutmaßlichen Absicht, das Gebäude einzuäschern und damit der von ihm nicht geschätzten Heimbewohnerin Schaden zuzufügen. Die Flammen gingen aus. Unter sichergestellen Gegenständen befindet sich nun der mit Brandspuren versehene Fan-Schal eines von dem 52-Jährigen verehrten Sportvereins.

In die Betreuungseinrichtung ist der Mann nicht mehr zurückgekehrt. Er befindet sich seit dem 21. November 2019 mit amtlicher Einweisung in der Psychiatrie des Regensburger Bezirkskrankenhauses. Es könnte sei, dass er dort noch sehr lange bleiben muss. Der Prozess wird fortgesetzt.

 
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