In Oberpfälzer Breiten ergibt sich nicht allzu oft die Möglichkeit, einen internationalen Beitrag zur alle zwei Jahre stattfindenden, wohl angesehensten Kunstausstellung der Welt aus nächster Nähe zu begutachten. „Damit spielen wir jetzt in der Champions League“, bringt Wilhelm Koch seinen veritablen Coup lachend auf den Punkt.
Ein bisschen Glück war aber schon auch dabei: Zum einen, dass beim ägyptischen Pavillon der drei Künstler Weaam El Masry, Mohamed Shoukry und Ahmed El Shaer Luft eine große Rolle spielt. Zum anderen, dass Michaela und Bruno Wank von der „Verpackerei Görisried“ die durchaus diffizilen Verhandlungen in Sachen Ausfuhr mit der ägyptischen Regierung schon erledigt hatten und obendrein noch den rosafarbenen Teppich nach der Ausstellung im Allgäu dem befreundeten Luftmuseum überließen. „Allein hätten wir das alles nicht stemmen können“, bekennt Koch.
Nun aber nehmen dreizehn Luft gefüllte, mehrheitlich rosafarbene Ballon-Objekte im Inneren des Museums die vier Erdgeschoss-Räume ein, einer sorgt draußen für gebührende Aufmerksamkeit. Am Anfang des ersten gemeinsamen Projekts stand für Weaam El Masry, Mohamed Shoukry und Ahmed El Shaer, die sich bereits zuvor gut kannten, das Wort. Ausgehend vom Motto der 2022er-Biennale in Venedig „The Milk of Dreams“ spürten sie all den Lebensfragen nach, die die Menschheit immerwährend umtreiben und hielten ihre Gedanken in einem Text fest, erzählen die eigens aus Ägypten und Schottland nach Amberg gereisten Künstler im Gespräch mit Oberpfalz-Medien.
KI als "Sprache einer Generation"
Zur Ehre, ihr Land in Venedig vertreten zu dürfen, waren sie gekommen, nachdem sie sich bei einer öffentlichen Ausschreibung durchgesetzt hatten. Es sei im Übrigen gar nicht so einfach gewesen, Ägypten zu repräsentieren, erinnern sich die Künstler. Die Freude über den Zuschlag jedenfalls war riesengroß. Weaam El Masry verrät aber auch, dass sie bereits im Vorfeld ein gutes Gefühl hatte.
Das tolle Feedback in Kunst-Magazinen und auf sozialen Plattformen begeisterte das Trio und wird nur dadurch getrübt, dass der Funke der Begeisterung nicht bis in die Heimat übersprang: „In Ägypten ist kein einziger Artikel erschienen“, so El Masry. Was vielleicht auch daran liegen mag, dass „Eden like garden – Preserved for the chosen ones“, so der vollständige Titel der Kunstinstallation, völlig anders ausfiel als die früheren ägyptischen Beiträge, mutmaßt Shoukry. Neben der auf den Ursprung alles Menschlichen hindeutenden Objekt-Form ist es vor allem der gezielte Einsatz künstlicher Intelligenz, der den Unterschied macht. „KI ist eine neue Sprache, die Sprache unserer Generation“, befindet Shoukry. Mit KI gibt es keine Begrenzungen für Lösungen, sie gibt uns Flexibilität, ergänzt El Shaer. Und eines ist für ihn auch klar: „Nicht die künstliche Intelligenz ist die Gefahr, sondern der Mensch.“
Gewissermaßen als vierte Person bezog man also die Künstliche Intelligenz in die Gruppe mit ein und staunte darüber, dass auch die gehypte Computertechnik keine definitiven Antworten auf die existenziellen Fragen des Lebens geben konnte, was beispielsweise den Sinn des Lebens ausmacht, was eigentlich unser Ziel ist und warum wir nie zufrieden sind. Die ständig wechselnden Ergebnisse flossen stattdessen in faszinierende Bild- und Klangwelten, die die Künstler zu einer multimedialen Präsentation auf und um ihre schwebenden, rosafarbenen, in China gefertigten Ballons komponierten.
Euter, Gebärmutter – oder „Schweinderl"
Ob man die organische Form nun als Eizelle oder Gebärmutter identifiziert, die zum warmen, intimen, einhüllenden und rosigen Ambiente passt oder doch eher an Euter denkt, bleibt dem Auge des Betrachters überlassen. Wilhelm Koch, für den das Organische immer schon ein Thema war, hat aber auch seine Freude an Kindern, die einfach Spaß haben mit den „Schweinderln“.
Was speziell in Amberg besticht, ist das Wechselspiel der hoch modernen Installation mit den 600 Jahre alten Mauern des Hauses. Die hier entstehende Beziehung zwischen Form und Raum fasziniert auch El Masry, die noch anfügt, dass es überhaupt das erste Mal sei, dass man die Installation auf verschiedenen Räume verteile. Neu sind zudem die Sitzkissen, die dazu einladen, die meditative Stimmung ausgiebiger auf sich wirken zu lassen.
War es in Venedig ein explizit kunstorientiertes Publikum, setzen die drei Künstler in der Oberpfalz auf aufgeschlossene Betrachterinnen und Betrachter mit offenem Geist und Herzen. Das deckt sich wiederum mit Wilhelm Kochs Bestreben, den Menschen ein Angebot und Kunst unmittelbar erlebbar zu machen.
Wer, was, wann?
- Weaam El Masry, bildende Künstlerin, geboren 1976 in Kairo/Ägypten, vielfach national und international ausgezeichnet
- Mohamed Shoukry, bildender Künstler, geboren 1976 in Kairo/Ägypten, vielfach ausgezeichnet, hielt u.a. auch Workshops im Goethe Institut Kairo.
- Ahmed El Shaer, multimedialer Künstler mit besonderem Schwerpunkt neue Technologien, geboren 1981 in Kairo/Ägypten, derzeit Dozent an der Abertay University, Schottland
- Eden like Garden - Preserved for the chosen ones noch bis 22. Oktober im Luftmuseum Amberg, bis September Mittwoch und Donnerstag, 14 -18 Uhr, Freitag, Samstag und Sonntag, Feiertage 11-18 Uhr, ab Oktober Mittwoch und Donnerstag, 14 -17 Uhr, Freitag, Samstag und Sonntag 11 - 17 Uhr





















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