Es ist das wuchtige Kreuz in der Mitte, das die bildmächtige Bühne den ganzen Abend lang beherrscht. Es steht für Glaube und Aberglaube, für Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, für Recht und Gerechtigkeit, für Gottes- und Teufelswerk. Bewegliche Quader und verschiebbare Blöcke markieren die restliche Architektur. Licht und Farbe, Henkerstrick und Grabkruzifixe setzen Akzente. Mit heiligem Ernst widmet sich Volkmar Kamm diesem spektakulären Stoff. Er entflechtet alte Zöpfe und entrümpelt verstaubten Geisterglauben. Seine Inszenierung ist modern wie das Bühnenbild, das er gemeinsam mit Rolf Spahn entwickelte.
Auch bei der Texteinrichtung und der Kostümkonzeption spürt man seine Handschrift. Mit Liebe zum Detail formt er kernige Charaktere und baut starke Szenen. Die Linien sind klar - den Rollen und Charakteren, den Funktionen und Aktionen gut zuzuschreiben. Absolut stimmig auch die Bühnenmusik, die vom Keyboard an der Seite kommt und von Alexander Kuchinka gespielt wird.
Eigentlich haben die Mädchen nur mit der schwarzen Sklavin Tituba (Ines Reinhard) im Wald getanzt. Ausgelassen hüpfen sie mit bunten Tüchern über kurzen Hemdchen durch Nebelschwaden. Der bigotte Reverend Parris (Ralf Grobel) entdeckt sie dabei. Am nächsten Morgen liegt seine Tochter Betty (Rebecca Selle) steif im Bett und reagiert auf nichts. Von Geistern und Hexerei ist schnell die Rede. Hexenjäger Reverend Hale (Christian Meyer) verhört die Mädchen. Sie setzen sich zur Wehr, allen voran Abigail Williams (Hannah Prasse). Sie beschuldigen die schwächsten Glieder der Gemeinschaft, mit dem Teufel im Bunde zu stehen. In einem extra einberufenen Gerichtsverfahren werden die Aussagen der Mädchen zum alleinigen Maßstab für Schuld und Unschuld, Tod und Leben. Nicht die christlichen Gebote gelten, sondern Missgunst, Neid und Gier schüren ein Klima der Angst.
Momente der Spannung häufen sich. Exzellent spielt Wolfgang Seidenberg den Ehebrecher John Proctor und Iris Boss seine betrogene Frau Elizabeth. Carsten Klemm liefert als gnadenloser Richter Danforth und als Großgrundbesitzer Putnan eine starke Leistung. Sophie Schmidt spielt die wankelmütige Mary Warren mit exzessivem Einsatz, Alexander Kuchinka gefällt als unbedarfter Querulant Giles Corey, der seine Frau ins Unglück bringt. Die gespannte Stille entlädt sich am Schluss mit explosivem Applaus.
In einer Zeit des gesellschaftlichen und politischen Umbruchs sind Männer wie Trump, Erdogan, Orban oder Kaczynski tonangebend. Mit populistischen Ideologien blasen sie zur Jagd auf Andersdenkende. Ihre Methoden erinnern ganz fatal an die Hexenverfolgungen von 1692/93 in Salem oder die McCarthy-Ära in den USA, als aus Furcht vor dem Kommunismus Verdächtige ohne Beweise verfolgt wurden. 1953, also genau in dieser Zeit hat Miller sein Drama verfasst und damit gezeigt, dass der historische Stoff seine Aktualität nicht eingebüßt hat. Unter der Überschrift "Hexenjagd heute" nachzulesen im informativen Programmheft.
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