Nicht immer ist Vergesslichkeit ein Zeichen beginnender Demenz

Amberg
26.03.2023 - 11:50 Uhr
OnetzPlus

Laut Alzheimer-Gesellschaft leben in Deutschland rund 1,8 Millionen Menschen mit Demenz. Wie hoch die Dunkelziffer ist, weiß aber niemand. Aber wo hört Vergesslichkeit auf und fängt Demenz an? Zeit für einen Selbstversuch.

Wie hieß jetzt doch gleich wieder der, den ich dringend anrufen wollte? Und warum habe ich schon wieder meinen Zahnarzttermin vergessen? In letzter Zeit ist es ganz schön arg mit der Vergesslichkeit. Ist das normal für mein Alter, ist es der Stress – oder ein Zeichen beginnender Demenz? Es sind Fragen, die wir uns wohl schon alle einmal gestellt haben. Und ebenso schnell wieder verdrängt. Dabei ist es gar nicht so schwer herauszufinden, ob die Gefahr einer Demenz besteht.

Beispielsweise an diesem Samstag, 25. März, im Pfarrheim Hl. Familie am Bergsteig in Amberg. Hier bot das Digitale Demenzzentrum Bayern (Digidem) einen kostenlosen Test zur Demenz-Erkennung an. Dahinter stehen die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen und das Bayerische Gesundheitsministerium. Jan Kreusel, ein junger Ergotherapeut aus Regenstauf, ist der Digidem-Mann für die Oberpfalz und an diesem Tag nach Amberg gekommen. "70 Prozent der Leute, die sich testen lassen, kommen von selbst", sagt er. Andere werden von besorgten Angehörigen gebracht, aber niemand wird gezwungen.

Viele sind sehr hart zu sich selbst

Aber ist Demenz nicht so eine Krankheit, über die man öffentlich lieber nicht spricht? Ja und nein, weiß Jan Kreusel. Diejenigen, die sich schämen, kommen nicht. "Aber viele waren sehr hart zu sich selbst", erzählt er von Menschen, die es einfach wissen wollten. Zumeist mit einem negativen Testergebnis. "Welchen Tag haben wir heute?", fragt Jan Kreusel plötzlich und fängt an, in seinem Fragebogen herumzukritzeln. Hoppala. Ja, Samstag. Aber ist das der 24. oder der 25. März? Das Hirn beginnt zu rattern. Der 25. März ist es, richtig. "Merken Sie sich bitte die Begriffe Tisch, Buch, Apfel." Und was ist 95 minus 7? Und 88 minus 7? Und 81 minus 7? "Wie waren noch gleich die drei Begriffe, die Sie sich merken sollten?"

Frage folgt auf Frage, Aufgabe auf Aufgabe. Es ist gar nicht so einfach, sich so schnell darauf einzustellen. Das Gehirn arbeitet nun auf der Stufe "allerhöchste Konzentration". "Bilden Sie einen Satz mit drei Nomen", sagt Jan Kreusel und schaut schon irgendwie so herausfordernd. Was waren gleich nochmal Nomen? Ach ja: Hauptwörter. "Und in welcher Stadt sind wir hier?" Das ist einfach: Amberg. "Und in welchen Stadtteil?" Bergsteig!. "Wie viele Stadtteile gibt es in Amberg eigentlich?" Gehört das jetzt zum Test oder macht der jetzt nur Smalltalk? Es ist geschafft: 30 von 30 möglichen Punkten. Aber was wäre gewesen, wenn?

Menschen für Studie finden

Hier setzt die Arbeit des Digitalen Demenzzentrums an. Ziel dieses Projekt ist es, die Lebenssituation von Betroffenen und ihren Angehörigen zu verbessern. Dazu gehört Beratung genauso wie Koordination. "Es gibt unermesslich viele Angebote", sagt Jan Kreusel. Selbsthilfegruppen, Beratung und Hilfsmittel auf Rezept. Man muss sie nur kennen. Auch hier arbeitet Digidem aktiv daran, die Situation zu verbessern. Ein weiteres und sehr zentrales Feld des Projekt ist aber die Forschung.

Wer beim Demenz-Screening mit einer Punktzahl zwischen 15 und 23 abschneidet, kann an einer Studie teilnehmen. In fünf Tests über drei Jahre hinweg werden die Teilnehmer genau unter die Lupe genommen um herauszufinden, wie sich die Krankheit Demenz entwickelt. Wo kann man ansetzen, um sie in ihrem Leben zu unterstützen, wo muss mehr getan werden, wo reicht das Angebot? Wer mitmacht, hilft allen anderen Leidensgenossen – und ihren Angehörigen, die oft die Hauptlast tragen, wenn ihre Ehepartner oder Eltern allmählich aus der Welt verschwinden. "Aufhalten kann man Demenz leider nicht", sagt Jan Kreusel – noch nicht.

Einer macht mit

30 Menschen sind an diesem Vormittag gekommen, Jan Kreusel sowie Birgit Hübner von der Fachstelle für pflegende Angehörige in der Stadt Amberg, die vor Ort als Partner die Arbeit von Digidem unterstützt, sind sehr zufrieden. Die Fachstelle hat ihren Demenz-Parcours aufgebaut, in dem die Angehörigen testen können, wie schwer sich Menschen mit einer dementiellen Erkrankung im Alltag tun. Der Selbstversuch, mit Messer und Gabel über einen Spiegel hinweg die Speisen auf einem Teller zu sortieren, zeigt, wie sehr sich diese Menschen schon bei einfachen Alltagstätigkeiten anstrengen müssen.

Wichtig ist Hübner und Kreusel, dass der Screening-Test zwar ein Hinweis auf eine beginnende Demenz sein kann, er aber keine umfassende ärztliche Diagnose ersetzt. Trotzdem liefert er erste Hinweise darauf, dass eine weitere Abklärung notwendig ist. Feierabend: Birgit Hübner und ihre Mitarbeiterinnen bauen ihren Parcours ab, Jan Kreusel sortiert seine Papiere. Der Tag war ein voller Erfolg, so sagen sie übereinstimmend. Trotzdem ist es ein mühsames Geschäft. "Wir haben einen gefunden, der an der Studie teilnehmen wird", sagt Jan Kreusel. Aber auch dieser eine kann unzähligen Menschen irgendwann einmal helfen.

Hintergrund:

Wer sind Digidem und die Fachstelle?

  • Wer das Demenz-Screening am Samstag verpasst hat, kann sich an diese Stellen wenden:
  • DigiDEM Bayern, Schwabachanlage 6, 91054 Erlangen; Telefon 09131-8539106; www.digidem-bayern.de
  • Fachstelle für pflegende Angehörige in der Stadt Amberg, Maltester Amberg, Sulzbacher Straße 15a, 92224 Amberg, Telefon 09621 4933-0, E-Mail: sekretariat.amberg(at)malteser.org
 
 

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