Amberg
21.05.2021 - 15:35 Uhr

Kaspar Gottfried Schlör – ein Amberger Vater des Grundgesetzes

Am 23. Mai 1949 trat das Grundgesetz in Kraft. An diesem Tag traf sich der Parlamentarische Rat zu seiner 12. und letzten Sitzung zur Verkündung des Grundgesetzes. Mit Amberger Beteiligung.

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland stammt aus dem Jahr 1949. Seit 1990 gilt es auch für das wiedervereinigte Deutschland. Der Amberger Kaspar Gottfried Schlör brachte sich vor allem bei der Finanzverfassung der Bundesrepublik ein. Archivbild: Julian Stratenschulte/dpa
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland stammt aus dem Jahr 1949. Seit 1990 gilt es auch für das wiedervereinigte Deutschland. Der Amberger Kaspar Gottfried Schlör brachte sich vor allem bei der Finanzverfassung der Bundesrepublik ein.

Von Dieter Weiß

Viele Amberger wissen sicher nicht mehr, dass eigens zur Verkündigung des Grundgesetzes ein Mann aus Amberg angereist ist, um seine Unterschrift unter die Urschrift des Grundgesetzes zu setzen. Dieser Mann war Kaspar Gottfried Schlör. Er war zu dieser Zeit Amberger Stadtrat und Amtsleiter des Finanzamts Amberg.

Kaspar Gottfried Schlör wurde am 17. Dezember 1888 als Sohn eines Weinhändlers im unterfränkischen Dettelbach geboren. Nach dem Abitur am humanistischen Neuen Gymnasium in Würzburg begann er als Werkstudent ein Studium der Rechts- und Verwaltungswissenschaften an den Universitäten Würzburg und München. Sein erstes juristisches Staatsexamen absolvierte er 1912, um dann als Rechtsreferendar in den Staatsdienst einzutreten. Der Erste Weltkrieg (1914 bis 1918), indem er als Soldat diente, unterbrach seine weitere Ausbildung. Nach dem zweiten Staatsexamen wurde er Assessor im Landesfinanzamt Würzburg.

Seit 1921 im Reichsfinanzministerium

1919 wurde das Reichsschatzamt in ein Reichsministerium der Finanzen umgewandelt. In der neuen demokratischen Staatsform wurde diese Behörde für die reichsweite Steuererhebung zuständig. Dafür wurden aus allen Teilen des Reiches Fachkräfte benötigt. Kaspar Gottfried Schlör folgte diesem Ruf und wechselte 1921 von Würzburg an das Reichsfinanzministerium nach Berlin. Bis 1932 verfasste er einige Fachbücher aus dem Bereich des Steuer- und Bilanzrechts. Diese galten in Fachkreisen viele Jahre als Standardwerke.

Im Mai 1924 heiratete er Anna Lang, und im Februar 1925 wurde sein Sohn Arnim geboren. 1926 trat Schlör in die Zentrumspartei ein. 1929 verließ er den Staatsdienst und machte sich als Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer mit einer eigenen Kanzlei selbständig. Über seine Gründe dafür kann nur spekuliert werden. Auf jeden Fall ein mutiger Schritt in der damals beginnenden Weltwirtschaftskrise.

Auch während der Diktatur der Nationalsozialisten war Schlör freiberuflich tätig. Seine Partei, das Zentrum, hatte sich auf Druck der Nationalsozialisten am 1. Juli 1933 selbst aufgelöst. Der Zweite Weltkrieg traf auch die Familie Schlör. Sohn Arnim starb im November 1943 im Alter von 18 Jahren in Russland.

Nie NSDAP-Mitglied

Nach dem Ende der Nazidiktatur bekam Kaspar Schlör wieder seine Zulassung als Rechtsanwalt und trat noch im Jahr 1945 in die CDU Berlin ein. Nach Forschungen des Deutschen Bundestags war er nie Mitglied einer nationalsozialistischen Organisation.

Im April 1946 kehrte er wieder nach Bayern und in den Staatsdienst zurück. Er übernahm die Leitung des Finanzamts Amberg. Seinen Umzug nahm er auch zum Anlass, von der CDU in die CSU zu wechseln. Ab 1948 war er Mitglied des Amberger Stadtrats, davon vier Jahre als Vorsitzender der CSU-Fraktion (1952 bis 1956).

Im August 1948 wählte der bayerische Landtag 13 Männer, die für Bayern an den Beratungen des Parlamentarischen Rates teilnehmen sollten. Einer von ihnen war Kaspar Gottfried Schlör. Von den 13 waren 8 Mitglieder der CSU, 4 der SPD und ein FDP-Vertreter. Für Schlör war diese Sitzung quasi ein Heimspiel, fand sie doch im Saal der Oberfinanzdirektion München, dem Sophiensaal, statt, der dem Landtag als Behelfssitzungsort diente.

Im Ausschuss für Finanzfragen

Vorangegangen war ein Auftrag der westlichen Siegermächte an die Ministerpräsidenten der Länder, in den Westzonen eine demokratische Verfassung für einen neu zu bildendem Staat zu erarbeiten. Am 1. September 1948 nahm der Parlamentarische Rat seine Arbeit auf. Als ausgewiesener Finanzfachmann wurde Kaspar Gottfried Schlör Mitglied des Ausschusses für Finanzfragen. Dieses Gremium stand vor einer Mammutaufgabe. Es galt hier eine neue Finanzverfassung für den neuen Bundesstaat zu schaffen und die Finanzverwaltung neu zu organisieren.

Schlör setzte sich in den Beratungen wiederholt dafür ein, dass die Finanzbeziehungen des Bundes mit seinen Ländern klar geregelt werden müssen. Schlör: „Es wird immer zum Ausdruck gebracht, dass weder der Bund Kostgänger der Länder noch die Länder Kostgänger des Bundes sein sollen.“ Er wehrte sich dagegen, dass die Einnahmen aus der Lohnsteuer, der veranlagten Einkommensteuer, der Körperschaftssteuer und der Umsatzsteuer ausschließlich dem Bund zufließen sollten. „Die Länder haben dann überhaupt nichts.“ Außerdem sprach er sich für Gestaltungsmöglichkeiten der Gemeinden und Länder bei der Höhe der Einkommens- und Körperschaftssteuer aus.

Spaß bei der Biersteuer

Als bayerischer Vertreter setzte er sich vehement dafür ein, dass die Gesetzgebungskompetenz und der Zufluss der Biersteuer ausschließlich bei den Ländern liegen sollte: „In Bayern sind tatsächlich einige Gebiete vollkommen auf das Bier angewiesen, da sie kein Wasser haben." Im Protokoll ist hier „Heiterkeit“ vermerkt und der Zuruf: "Aber sie waschen sich doch." Antwort Schlör: "Sie waschen sich teilweise auch nicht. Es sind Gebiete, die lediglich auf das Regenwasser angewiesen sind.“ Die beiden Vertreter im Finanzausschuss stellten hierfür auch einen Antrag „Das Bier ist in Bayern Volksnahrungsmittel… Bei untragbaren Steuersätzen kommt diese bayerische Schlüsselindustrie zum Erliegen.“ Schlör hatte damit keinen Erfolg.

Aber auch bei weiteren Themen ließ er seine Fachkompetenz einfließen und arbeitete an parteiübergreifenden Kompromissvorschlagen mit. Bundes- oder Landesfinanzverwaltung? Als strikter Föderalist sprach er sich für eine Landesfinanzverwaltung aus. Auch hier wurde ein Kompromiss gefunden. Trotzdem konnte er der Finanzverfassung in ihrer abschließenden Form nicht zustimmen und enthielt sich der Stimme.

Schlör tanzt aus der CSU-Reihe

Dies konnte ihn aber nicht daran hindern, dass er gemeinsam mit dem zweiten Vertreter der CSU im Ausschuss für Finanzfragen bei der abschließenden Abstimmung über das Grundgesetz im Parlamentarischen Rat dem Gesamtwerk zustimmte. Ein Verhalten, das in seiner Partei für einigen Unmut sorgte. Damit scherten sie aus der Blockade der CSU gegen das Grundgesetz aus. Sie lehnte das Grundgesetz ab, weil es ihr zu wenig föderalistisch war. Sie forderte unter anderem mehr Rechte des Bundesrats bei der Gesetzgebung. Das Grundgesetz wurde mit 53:12 Stimmen angenommen.

Die Mehrheit der bayerischen Delegierten im Parlamentarischen Rat hat so für das Grundgesetz gestimmt. Die Blockadehaltung der CSU setzte sich jedoch im Landtag fort. Der Bayerische Landtag lehnte zwar in seiner Sitzung am 20. Mai 1949 das Grundgesetz ab. Er erklärte jedoch in derselben Sitzung die neue Verfassung auch für Bayern als rechtsverbindlich.

Zuletzt am Schliersee gelebt

Bis zum Eintritt in den Ruhestand im April 1953 hatte Schlör nun die Gelegenheit, die neue Finanzverfassung mit Leben zu erfüllen und in die Praxis umzusetzen. In seine Amtszeit fiel auch der Umzug des Finanzamts vom alten Rentamt in das Zeughaus. Nach seiner Pensionierung war er wieder als Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer tätig, ab 1958 auch an seinen neuen Wohnort Schliersee, wo er am 15. Oktober 1964 starb.

Amberg hat also mit Kaspar Gottfried Schlör einen Mann, der das föderative System der Bundesrepublik mit erarbeitet hat. Seine Arbeit für die Verfassung der Bundesrepublik wirkt noch heute. Deshalb sollen er und die weiteren 61 Männer und vier Frauen nicht in Vergessenheit geraten.

Dieter Weiß hat sich als Vertrauensmann der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) im Finanzamt Amberg auf die Spurensuche nach Kaspar Gottfried Schlör begeben, um an diesen Vater des Grundgesetzes zu erinnern.

Bereits 2009 berichtete die AZ über Kaspar Gottfried Schlör

In Bayern sind tatsächlich einige Gebiete vollkommen auf das Bier angewiesen, da sie kein Wasser haben.

Kaspar Gottfried Schlör im Parlamentarischen Rat zu den Eigenheiten seiner Heimat

Hintergrund:

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland

  • Erlassen: am 23. Mai 1949 durch den Parlamentarischen Rat
  • Parlamentarischer Rat: 65 Mitglieder, davon 13 aus Bayern
  • Abstimmung: Der Parlamentarische Rat stimmte dem Entwurf des Grundgesetzes mit 53 zu 12 Stimmen zu.
  • Bayerischer Landtag: lehnte das Grundgesetz mit 101 zu 63 Stimmen (bei neun Enthaltungen) ab.
  • Letzte Änderung am Grundgesetz: 29. September 2020
Kaspar Gottfried Schlör. Repro: NT/AZ
Kaspar Gottfried Schlör.
 
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