Amberg
10.10.2022 - 16:10 Uhr

Kulturpreisträger und Theaterpädagoge Winfried Steinl wird 80 Jahre

Manche Menschen werden mit einem Brett vorm Kopf geboren. Für Winfried Steinl aber, der in dieser Woche 80 wird, bedeuten Bretter genau das Gegenteil. Dem Theaterpädagogen öffneten sie nämlich ein Leben lang seine Sinne für die Welt.

Winfried Steinl bei einer Probe des Jugendtheaterclubs im Stadttheater. Archivbild: Stephan Huber
Winfried Steinl bei einer Probe des Jugendtheaterclubs im Stadttheater.

Stets hat Winfried Steinl die Bühne dazu gedient, jene Spezies, die den Globus bevölkert, in den Blick zu nehmen. Und so seinem Publikum, das ihm als Regisseur und Theaterpädagoge am Herzen liegt, Aufschlüsse darüber zu vermitteln, über Funktionsweisen des Schicksals und die Mechanik des Glücks. Nun wird der große Mann des Theater 80 Jahre. Wäre man kein Texter, sondern Bühnenbildner, dann müsste man – um das Leben des Winfried Steinl inszenieren zu können – nachfolgende Szene aus seiner Jugend herausgreifen. Denn spricht man mit Wegbegleitern (sie nennen ihn „Winni“) und mit ihm selbst, dann kommt man am Ziegeltor in der Amberger Altstadt nicht vorbei. Hier war er Mitglied in der Jugendgruppe des charismatischen Hitlergegners Monsignore Merz, der den „Bund Neudeutschland“ leitete und – sagen wir’s mit den Worten des Jubilars – trotzdem „rückwärtsgewandte Ziele“ verfolgte.

Das alles soll in den Turmstuben stattfinden, die Erziehung zum „elitär Katholischen“ sowie den Fahrten mit den „Fähnlein“ genannten Gruppen. Im Keller aber, da entwickelte sich die Gegenwelt: Weil der Gruppenkaplan nämlich so große Freude am Gesang und der Musik hatte, besorgte er – wir sprechen von den späten 1950er-Jahren – seinen jungen Bündnisbrüdern Instrumente. Und weil gerade Jazz und Swing en vogue waren, gründete Winni eine Combo , die sich „Bricktower Stompers“ nannte. Und so wurde aus dem Keller ein Paradies der verdrängten Wünsche: Hier wurde geraucht. Die Brauerei Bruckmüller sponserte Getränke. Und bald scharten sich dort die Mädchen.

Glücksfall Sulzbach-Rosenberg

Man kann das Ganze dramaturgisch auch als „Initiationsakt“ oder als „Vorgang einer Emanzipation“ bezeichnen: Der Keller sorgte dafür, dass Winni seine Priesterpläne ad acta legte und sich nach dem Abitur für das Studium der Germanistik und der Geschichte eintrug. Am Ende der 1960er-Jahre – zwischenzeitlich war noch viel mehr Grundstürzendes passiert, als dass nur Priestergewands-Trägern auf die Zehen getreten worden wäre – da hatte er den gemeinsam mit seinem guten Freund Uli Wähner gedrehten Film „Kollisionen“ (Amberg progressiv!) auch an der Schule seiner Heimatstadt gezeigt. Prompt wurde er strafversetzt. Nach Sulzbach-Rosenberg, ans HCA-Gymnasium. „Ein Glücksfall“, wie er heute sagt – denn dort fand er im Kollegium jenes Umfeld vor, das es ihm gestattete, seine pädagogischen Ideale zu verwirklichen.

Es muss wohl 1972 gewesen sein, da nahm er täglich einen Abiturienten mit hinüber, in die Nachbarstadt. Das war der nachmalige Kunsterzieher Achim Hüttner – bis heute ein ganz enger Freund. Winni Steinl gründete dort ein Schultheater und erreichte mit seinen Inszenierungen bundesweite Aufmerksamkeit. 2006 beispielsweise lief die Inszenierung von Schillers „Jungfrau von Orleans“ in ganzer Länge im Theaterkanal des ZDF. Das war schon allerhand! Leute, die ihn damals auf Fortbildungen trafen, sagen, er verfügte über „magische Fähigkeiten“. Ehemalige Schüler wiederum berichten davon, dass es bei ihm immer um alles ging – und dass es nie langweilig war. Nach der Pensionierung setzte Winni Steinl seine Theaterarbeit fort, unter anderem mit dem Jugendclub hier in Amberg. Und als er für seine Verdienste 2014 mit dem Kulturpreis der Stadt Amberg ausgezeichnet wurde, da stand ein Lehrer-Kollege – der Kabarettist Han’s Klaffl – auf den Bühnenbrettern, und sprach eine begeisternde Laudatio.

Stadt Amberg lädt ein

Am kommenden Freitag wird gefeiert: Die Stadt Amberg lädt Gäste ein, zu Ehren des 80. Geburtstagstags des Kulturpreisträgers Winfried Steinl. An seiner Seite wird eines der Mädchen aus dem Keller des Ziegeltors sitzen: Helga, seine Gattin. Die aus den Niederlanden stammende Schauspielerin Lot Vekemans wird den Monolog „Judas“ sprechen. Und erneut wird im Sinne Schillers deutlich werden: „Alles wiederholt sich nur im Leben, / Ewig jung ist nur die Phantasie; / Was sich nie und nirgends hat begeben, / Das allein veraltet nie!“ Ad multos annos, Winni Steinl!

 
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