„Viele Menschen hatten während des Corona-Lockdowns eine Menge Zeit – und hielten es für eine gute Idee, sich ein Tier anzuschaffen": So beschreibt Jenny Caudill, die Leiterin des Amberger Tierheims, eine Entwicklung, die sich in der Einrichtung jetzt bemerkbar macht. Vor allem Hunde seien als neue Haustiere in den Corona-Monaten beliebt gewesen. Caudill ist überzeugt: Auch wenn einige sich sich diese Anschaffung gut überlegt hätten, gebe es leider auch viele, die sich einen Hund zugelegt, haben ohne sich viele Gedanken dazu zu machen. Jetzt, fast zwei Jahre nach der Ausnahmesituation des Lockdowns, landen viele der "Corona"-Hunde in den Tierheimen. Caudill sagt: Die Hundebabys von damals hätten sich zu pubertierenden Energiebündeln entpuppt, die jetzt wegen ihrer Verhaltensauffälligkeiten abgegeben werden.
Die Amberger Tierheim-Leiterin nennt Gründe für diese aktuelle Entwicklung. Zum einen spielten "die unüberlegte Anschaffung und die falschen Beweggründe eine große Rolle". Deshalb sollten Menschen, die sich einen Hund zulegen wollen, vorher folgende Fragen klären: "Was erwarte ich von dem Hund, welche Charaktereigenschaften des Tiers sind für mich wichtig, kann ich diesen gerecht werden, was kann ich dem Hund bieten, wieso möchte ich einen Hund aufnehmen und kann ich mir dessen Versorgung auch über 10 bis 15 Jahre leisten?“ Wer eine verantwortungsvolle Hundehaltung anstrebe, merke schon an diesem Punkt, dass sich die eigenen Wünsche und Anforderungen an das Tier nicht immer mit der Realität decken. Es hat laut Caudill beispielsweise keinen Sinn, sich einen Schäferhund nach Hause zu holen, wenn man bevorzugt auf der Couch sitzt und es eher bequem haben will. Ebenso unsinnig sei es, sich eine französische Bulldogge anzuschaffen, wenn man mit seinem Hund einen Marathon laufen möchte.
Nicht nur die Optik zählt
„Bei er Anschaffung eines Hundes ist es elementar, sich über rassetypische Verhaltensweisen und Anforderungen zu informieren, anstatt nur auf die Optik zu achten", betont Jenny Caudill. Hat man dann die für sich geeignete Hunderasse gefunden, stellt sich die Frage, wo man seinen Hund herbekommt. "Hier lohnt sich ein Blick auf die Homepage eines Tierheims oder ein Besuch dort“, empfiehlt die Leiterin des Amberger Tierheims in Gailoh. Hier gibt es viele junge, aber auch ältere Hunde, die dringend ein neues Zuhause suchen. Ein Tierheim biete bei der Anschaffung eines Hundes einige Vorteile, meint Caudill: Die Betreuer kennen die Tiere gut und könnten deshalb bestens Auskunft darüber geben, wie der Hund "drauf" ist – und damit auch, ob er zu einem Interessenten passt oder nicht. Außerdem seien Tierheim-Hunde in der Regel stubenrein und würden auch das Hunde-Abc bereits kennen.
Falls man sich für einen Welpen entscheidet und dabei im Tierheim nicht fündig wird, sollte man einen seriösen Züchter besuchen, betont Caudill. Diese Anbieter garantierten die richtige Sozialisierung und medizinische Versorgung ihrer Welpen und der Elterntiere. Wenn das Hundebaby ab dem entsprechenden Alter dann zu seiner neuen Familie gezogen ist, fängt nach den Worten der Expertin die Arbeit für den neuen Tierhalter an: Er muss seinem Vierbeiner beibringen, sein Geschäft draußen zu verrichten. Zudem müsse der junge Hund lernen, was er darf und was nicht – und wie er sich in verschiedenen Situationen verhalten muss. „Bei dieser unerlässlichen Erziehungsarbeit wird der Grundstein für das weitere Verhalten des Hundes gelegt“, betont die Tierheimleiterin.
Hunde-Erziehung ist nicht einfach
Viele Leute stellten sich die Erziehung eines Welpen oder jungen Hundes viel einfacher vor, als es tatsächlich ist: Es erfordere eine Menge Zeit, noch mehr Geduld und auch etwas Erfahrung, um die jungen Hunde auf den richtigen Weg zu führen. Caudill verweist darauf, dass während der Lockdown-Zeit die Hundeschulen geschlossen waren und auch Hundetrainer ihre Dienste nicht anbieten durften. Damit hätten wichtige Ansprechpartner gefehlt, die vor allem Hunde-Neulingen wichtige Tipps für die Erziehung geben können.
„Alle diese Faktoren haben letztlich dazu geführt, dass aktuell viele Junghunde im Pubertätsalter wegen Überforderung der Besitzer in den Tierheimen sitzen“, fasst Caudill die derzeitige Situation zusammen. Es gebe aber auch noch einen Grund für die Tierflut im Heim: Viele von denen, die in der Pandemie gezwungenermaßen zu Hause bleiben mussten und sich freuten, einen Hund um sich zu haben, wollen jetzt ihre wiedergewonnene Freiheit für Reisen und Unternehmungen nutzen. "Und der einst so geliebte Vierbeiner ist jetzt nur noch eine unerwünschte Verpflichtung, die man loswerden möchte."
Illegaler Tierhandel floriert
Jenny Caudill bedauert, dass sich der Pandemie-bedingte Hunde-Hype jetzt in vielerlei Hinsicht negativ auswirkt. Die riesige Nachfrage nach Hunden und speziell nach Welpen habe den illegalen Tierhandel florieren lassen. Weil viele dieser jetzt lästig gewordenen Hunde einfach in den Tierheimen abgeliefert werden, stießen diese allmählich an ihre Kapazitätsgrenzen. „Es braucht viel Zeit und Knowhow der Betreuer im Tierheim, um diese Hunde wieder so weit zu bringen, um ihre Vermittlungschancen zu optimieren." Deshalb sagt Caudill auch ganz klar: "Auf Dauer kann dieses Verhalten der Gesellschaft keine Lösung sein. Tiere sind fühlende Mitgeschöpfe und sollten als solche behandelt werden." Der Schritt, sich ein Tier anzuschaffen, sollte also wohl überlegt sein und nicht aus einem momentanen Verlangen heraus entschieden werden. "Letztlich kommt mit dem Hund Familienzuwachs ins Haus, mit dem man bis zu dessen Ende eine glückliche Zeit verbringen möchte, in guten als auch in weniger guten Zeiten.“
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