Der Alkoholkonsum geht in Deutschland zwar zurück, dennoch gilt man bei vielen Anlässen als sonderbar, wenn man sich lieber ein alkoholfreies Bier bestellt. Auf die Bestellung folgt dann die gängige Frage, gepaart mit mitleidigem Blick: "Na, bist du wohl Fahrer?" Wäre ich eine Frau, würde an dieser Stelle noch die Frage aufkommen, ob ich denn schwanger sei. Dass mir Alkohol nicht schmeckt, scheint für viele unvorstellbar zu sein. Früher habe ich mitgetrunken, um im sozialen Gefüge dazuzugehören. Manchmal auch für den Rausch. Mittlerweile sind mir die kurzfristigen Konsequenzen in Form eines Katers und die langfristig möglichen Konsequenzen in Form von tödlichen Krankheiten den Konsum nicht mehr wert.
Ich war zum Glück nie abhängig. Für Menschen mit Suchterkrankung ist es aber extrem herausfordernd, davon wegzukommen. Alkohol ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig und überall verfügbar. Ob bei Geburtstagen oder Beerdigungen, ob bei Hochzeiten oder Trennungen, ob in der Umkleidekabine nach dem Sport (bei manchen auch davor) oder neben Schokoriegeln an der Supermarktkasse. Zu jeder Jahreszeit gibt es viele beliebige Anlässe, die darauf ausgerichtet sind, Alkohol zu trinken. Um positive Gefühle zu zelebrieren oder negative Gefühle zu "betäuben". Auf Volksfesten dreht sich alles um das "flüssige Brot". Nüchtern betrachtet ist es umso paradoxer, wenn auf Bierzeltveranstaltungen in Bayern die Entkriminalisierung und der Konsum von Cannabis kritisiert werden, während man sich einen Liter Bier oder auch zwei genehmigt. Es ist schließlich "Grundnahrungsmittel" und so manch ehemaliger Ministerpräsident fühlte sich in diesem Zustand auch noch fahrtüchtig.
Auch wenn es bereits eine breite Studienlage zu den gesundheitlichen Auswirkungen gibt, ist Alkohol nach wie vor die einzige Droge, bei der man sich rechtfertigen muss, wenn man sie nicht konsumiert. Etwa 7,9 Millionen Menschen im Alter von 18 bis 64 Jahren konsumieren Alkohol in gesundheitlich riskanter Form. Bei etwa 9 Millionen Menschen in dieser Altersgruppe stuft das Bundesministerium für Gesundheit den Konsum als problematisch ein. Die Konsequenzen sind körperliche und psychische Schäden sowie soziale und berufliche Probleme. Schätzungen zufolge sterben jährlich über 40.000 Menschen in Deutschland vorzeitig an den Folgen ihres Alkoholkonsums. Das entspricht in etwa der Einwohnerzahl von mittelgroßen oberpfälzischen Städten wie Amberg oder Weiden. Es wäre wünschenswert, wenn auch diese Zahl stark zurückgehen würden. Gerade deshalb sollte sich niemand rechtfertigen müssen, warum er oder sie keinen Alkohol trinkt.
OTon
Wir sind junge Mitarbeiter von Oberpfalz-Medien. In unserer Kolumne "OTon" schreiben wir einmal in der Woche über das, was uns im Alltag begegnet – was wir gut finden, aber auch, was uns ärgert. Dabei geht es weniger um fundierte Fakten, wie wir sie tagtäglich für unsere Leser aufbereiten, sondern um unsere ganz persönlichen Geschichten, Erlebnisse und Meinungen. Wir wollen zeigen, dass nicht nur in Hamburg, Berlin oder München Dinge passieren, die uns junge Menschen bewegen.
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