"Paargespräche" zum Saison-Finale von "Tinte & Terz" in Amberg

Amberg
05.03.2023 - 17:37 Uhr

Was hätten sich Goethe und Schiller heute zu sagen, worüber philosophieren Steffi Graf und André Agassi? Line Hoven und Jochen Schmidt haben Mäuschen gespielt und erzählen bei "Tinte & Terz" mehr von diesen und anderen "Paargesprächen".

In fantastisch, absurd und in jedem Fall unterhaltsam bebilderten und getexteten Dialogen haben Illustratorin und Autorin Line Hoven und Autor Jochen Schmidt reale Paare wie Jeanne Claude und Christo oder Romina Power und Al Bano ebenso verewigt wie die Legenden Yeti und Reinhold Messner oder die Zahnputzhelden Baktus und Karius. Dass sie damit nun das Finale der „Tinte & Terz“-Reihe bestreiten, hat auch mit ihrer, von Nora Gomringer hoch geschätzten Kolumne im „Chrismon“-Magazin zu tun.

Und natürlich kennt man sich: In ihrer Zeit als Stipendiatin am Internationalen Künstlerhaus Concordia in Bamberg lernte Line Hoven aber nicht nur gemeinsame Auftritte mit Hausherrin Nora Gomringer schätzen, sondern auch deren starke Nerven: „Während ich mich im Kino hinter der XXL-Packung Popcorn versteckte, zog sie sich den Horrorfilm mit größtem Genuss rein“, schreibt sie auf entsprechende Nachfrage.

Die Henne-und-Ei-Frage

Jochen Schmidt wiederum erinnert sich an eine gemeinsam mit Nora Gomringer bestrittene Veranstaltung im Sepulkralmuseum in Kassel, vor allem aber aus Gründen, die eine ganz andere Geschichte sind. Mit Blick auf die „Paargespräche“ räumt er ein, zwar die meisten, aber eben nicht alle Kandidatinnen und Kandidaten allein ausgewählt zu haben: „Manchmal war auch Line ein Paar besonders wichtig, sie wollte zum Beispiel Elon Musk und Grimes, ich kannte Grimes gar nicht, und ich kann in meinem Leben gut ohne Elon Musk auskommen.“

In der Henne-und-Ei-Frage macht der Text das Rennen – außer Line Hoven schwebt ein bestimmtes „Tier oder Tapetenmuster“ vor: „Dann versuche ich, das einzubauen, damit sie auf ihre Kosten kommt“, so Schmidt. Und diese Möglichkeit besteht durchaus, denn Line Hoven googelt sich nach eigenen Angaben vor jeder neuen Aufgabe die Finger wund: „Aus diesem riesigen Informations-Granit schlage ich dann die Illustration heraus. Uschi Obermaier trank jeden Morgen ein Glas Saft zu ihren Drogen? Dann schien es mir wichtig herauszufinden, ob das 1969 bereits ein Tetra-Pack hätte sein können.“ Auf diese oder ähnliche Weise fanden dann wohl auch Schwimmnudeln zu Ginger Rogers und Fred Astaire oder ein Skateboard ins Kratzbild von Engels und Marx.

"Die gefährlichste Art zu zeichnen"

Kratzbild? „Man könnte sagen, die gefährlichste Art zu zeichnen“, konstatiert Hoven. Mit einem Messer kratzt sie die schwarze Oberfläche des Schabkartons von der darunter liegenden weißen Porzellanerde: „Die meisten kennen eine ähnliche Arbeitsweise noch aus ihrer Kindheit, als man mit Wachsmalstiften und einem kleinen „Kratz-Fisch“ magische Bilder aus dem Dunkeln geschabt hat."

Ungefähr 30 Stunden braucht sie, bis ein Bild fertig ist. Die begleitende Text-Lektüre nicht eingerechnet. Und die kann sich ziehen, denn Line Hoven schläft beim Lesen immer ein, was auch den beständig wachsenden, mit dem schönen japanischen „Tsundoku“ benamten Stapel ungelesener Bücher neben dem Bett erkläre.

Ertrotzte Konzentration

Aber kann ein Text vielleicht doch etwas, was eine Illustration nicht kann? „Die Frage betrifft ein altes poetologisches Problem, über das schon in der Antike nachgedacht wurde, später natürlich von Lessing im 'Laokoon'", holt Schmidt aus. Damals habe die bildende Kunst als überlegen gegolten. „Auf jeden Fall kann Line beim Kratzen Musik und Podcasts hören, das kann ich beim Schreiben nicht, und darauf bin ich neidisch“, führt Schmidt aus. Als Vater müsse er sich vielmehr die nötige Konzentration ertrotzen, damit der liebe Gott ihm seine Ideen zuflüstern könne.

„Was die beiden anfangen, hat immer Hand und Fuß, Humor und Tiefsinn“, bringt es Nora Gomringer auf den Punkt. „Ich hoffe, dass das Publikum mal so einen Abend mit viel visuellem Input schätzen mag. Männliche-weibliche-diverse Dynamiken sind doch das, was das Leben und die Gesellschaften zusammenhält. Da steckt viel Erkenntnis drin“.

Ob sich Jochen Schmidts Wunsch erfüllt und Singer-Songwriter Jonathan Richman die "Terz" beim Finale bestreitet, bleibt abzuwarten. Line Hoven jedenfalls hat schon eine kleine Überraschung angekündigt, um sich „an das Publikum ranzuschmeißen“. Und während Schmidt das Paar-Potenzial für die nächsten 30 bis 40 Jahre als ausgeschöpft betrachtet, hat Nora Gomringer noch mehr im Köcher: Nach den im Vergleich zur Vorsaison etwas intimeren Abenden will sie im kommenden Herbst wieder ein bisschen auf die Pauke hauen: „Es geht weiter und es werden Lieblinge eingeladen. Mehr wird nicht verraten.“

Hintergrund:

Wer, wie, was?

  • Line Hoven, Illustratorin und Autorin, geboren 1977 in Bonn, für die Graphic Novel "Liebe schaut weg" u.a. mit dem e.o.plauen-Förderpreis und dem ICOM-Preis des Internationalen Comic-Salons Erlangen ausgezeichnet, 2017 mit dem Hans-Meid-Preis für ihre Buchillustrationen geehrt, darunter auch "Dudenbrooks" und "Schmthologie" von Jochen Schmidt. Line Hoven lebt in Hamburg
  • Jochen Schmidt, Schriftsteller, geboren 1970 in Berlin, 2004 mit dem Förderpreis zum Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor ausgezeichnet, Teilnehmer Ingeborg-Bachmann-Preis 2007, Romane "Schneckenmühle", "Zuckersand", mit dem letzten Roman "Phlox" auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2022. Jochen Schmidt lebt in Berlin.
  • Paargespräche-Together forever, Line Hoven und Jochen Schmidt, Hardcover mit zahlreichen Illustrationen, 88 Seiten, mairisch verlag, 22 Euro
  • Tinte & Terz mit Nora Gomringer am Donnerstag, 9. März um 20 Uhr im Stadttheater Amberg, Tickets bei der Tourist Information Amberg, Tel. 09621/101233
 

Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.