Prozess um totes Baby: Mutter muss nicht ins Gefängnis

Amberg
15.03.2023 - 17:17 Uhr
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Das Urteil wird für Diskussionen sorgen. Eine 29-Jährige, die nicht einschritt, als ihr zur US-Armee gehörender Ehemann das gemeinsame Kind durch Schläge tödlich verletzte, muss nicht ins Gefängnis. Sie bekam 18 Monate Haft mit Bewährung.

18 Monate Gefängnis mit Bewährung: Der Prozess ist für die Mutter eines vom Vater erschlagenen Kindes glimpflich ausgegangen. Wegen Totschlags durch Unterlassen hatte die 29-Jährige vor dem Amberger Schwurgericht gesessen, hier zusammen mit ihrem Verteidiger Jörg Meyer.

So krass lagen die Meinungen bei einem Prozess vor dem Amberger Schwurgericht bisher noch nie auseinander. Zum Finale einer viertägigen Beweisaufnahme packte Oberstaatsanwalt Carsten Reichel schweres Geschütz gegen die wegen Totschlags durch Unterlassen auf der Anklagebank sitzende Frau aus. Reichel erinnerte daran, dass der erst einige Monate alte Sohn des deutsch-amerikanischen Ehepaares mehrfach durch seinen Vater schwere Verletzungen zugefügt bekam. Am 5. März 2022 starb das Kind im Weidener Klinikum. Man hatte ihm den Schädel zertrümmert.

"Sie haben gewusst, dass die Verletzungen vorsätzlich verursacht wurden", sprach der Oberstaatsanwalt die Beschuldigte persönlich an und schrieb ihr zu: "Von Ihnen wurde immer wieder versucht, die Vorgänge in Ihrer Wohnung zu vertuschen." Für Carsten Reichel bestand kein Zweifel daran, dass der Verbrechenstatbestand eines Totschlags durch das Unterlassen von einschreitender Hilfe einem Urteil zugrunde gelegt werden müsse. Dann folgte der Satz: "Die Frau wusste, dass ihr Mann eine Gefahr für das Baby war." Deswegen hätte sie sich "vor ihr Kind stellen müssen".

Danach vertrat der Anklagevertreter eine Ansicht, die über den gesamten Verfahrensverlauf hinweg die Debatten geprägt hatte. Sie lautete: "Man kann sich schier nicht vorstellen, was das Kind bis zu seinem Tod durchgemacht hat." Für die Mutter, deren Eingreifen nicht erfolgte, forderte Reichel sechs Jahre Haft und führte den Richtern vor Augen: "Eine Bewährungsstrafe kann doch hier schlichtweg nicht infrage kommen."

Kritik an Behörden

Die beiden Verteidiger Jörg Meyer (Regensburg) und Jörg Jendricke (Amberg) verlangten Freispruch für ihre Mandantin. Zu vieles, hieß es, sei ungeklärt, um eine Verurteilung zu rechtfertigen. Im Rahmen seines Schlussvortrags setzte Verteidiger Jendricke zu massiver Kritik an deutschen und amerikanischen Behörden an. Der Anwalt brachte erstmals im Prozessverlauf zur Sprache, dass es sich bei dem getöteten Jungen "um einen deutschen Staatsbürger handelte". Von daher hätte die Amberger Staatsanwaltschaft den mutmaßlichen Täter auf eine deutsche Anklagebank bringen können. Nun aber sei der Soldat aus Georgia, damals den US-Ermittlern übergeben, seit seinen gewaltsamen und tödlich endenden Angriffen auf freiem Fuß. Später, in der Urteilsbegründung, folgte ein Satz der Richterin Schmiedel, der in die ähnliche Richtung ging. Sie sagte: "Die angeklagte Frau war sechs Monate in U-Haft. Der mutmaßliche Täter bisher nicht."

Die Entscheidung des Schwurgerichts dürfte nun für erhebliche Diskussionen in der Öffentlichkeit sorgen. Wegen eines Vergehens der fahrlässigen Tötung, begangen durch Unterlassen, erhielt die 29-Jährige eineinhalb Jahre Haft mit Bewährung. Wesentlich für diese Entscheidung war der Satz von Richterin Jutta Schmiedel: "Wir haben keine Überzeugung davon, dass die Angeklagte den Tod ihres Sohnes billigend in Kauf genommen hat."

Anklage gegen Soldaten?

Die Frau, so hieß es in der Begründung, habe sehr wohl erkannt, dass im Verhalten ihres Mannes gegenüber dem kleinen Sohn etwas nicht stimmte. "Von daher", so tadelte die Richterin, "hätten Sie aus Gründen der Sicherheit die beiden auch nie allein lassen dürfen." Ganz besonders in jener Nacht zum 5. März 2022, als der 27-Jährige seinem Buben die Flasche gab und dabei zu tödlichen Verletzungen ansetzte. Im Prozess hatte sich davor die Ansicht geformt, dass da einer am Werk war, der nicht über seine Sinne verfügte – ein Berserker, der grundlos drosch, schlug und den Säugling gegen die Wand schmetterte.

Es gab einen Schlusssatz der Vorsitzenden Richterin, der da lautete: "Ja, die Angeklagte hat sich falsch entschieden. Womöglich um ihre Ehe zu retten. Das machte sie nicht aus niederen Beweggründen, sondern deshalb, um die Beziehung zu verbessern." Das Urteil wird in der Öffentlichkeit auf wenig Zustimmung stoßen. Allerdings wurde im Schwurgerichtssaal nach Prozessende die Mitteilung diskutiert, dass zuständige US-Behörden nun, nach über einem Jahr, Anklage gegen den Soldaten aus Georgia wegen des Verdachts auf Totschlag erhoben haben sollen.

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