Voller Stolz sitzen vier Menschen im offenen Cabrio vor dem Vilstor. Für das Anfertigen der Aufnahme wird eigens ein Fotograf engagiert, der den Augenblick für die Nachwelt festhält. Entstanden sein dürfte das Foto aus der Sammlung Frey des Amberger Stadtarchivs Mitte oder eher Ende der 1920er-Jahre. Marke und Baujahr des Automobils lassen sich nicht mehr feststellen, auffällig ist aber, dass es in Berlin zugelassen ist. Zugewiesen war diese Nummer IA 3916 im Jahr 1932 einem gewissen Julius Lück aus dem Berliner Stadtdorf Malchow. Womöglich also stattete ein Verwandter aus der Hauptstadt den Angehörigen in der Provinz einen Besuch ab, der dank des für die meisten Amberger damals unerschwinglichen Autos fotografiert worden ist.
Damals fuhren die Autos noch durch das Vilstor, die Mühlgasse, die heutige Route in die Altstadt, war zu diesem Zeitpunkt Flussbett für die Vils, die erst im Zuge der Regulierung in den frühen 1930er-Jahren ihren heutigen Verlauf bekam. Das enge Tor dürfte aber auch kein Problem gewesen sein, denn in den Goldenen Zwanzigern gab es in Amberg überhaupt nur sehr wenige Kraftwagen. 1925 waren im gesamten Deutschen Reich nur 98.000 Pkw zugelassen. Ungefähr so viele, wie heute allein in Amberg und dem Landkreis Amberg-Sulzbach gemeldet sind.
Schon 1923 erste Klagen
Ganz unproblematisch gestaltete sich der Umstieg von einer Pferdestärke auf 40, 60 oder gar 70 PS aber in der engen Amberger Altstadt nicht. Auch wenn die Autos in den Zwanzigern nur selten schneller als 90 oder 100 Stundenkilometer fahren konnten – wenn es das Straßenpflaster überhaupt zuließ. Doch für die Altstadt war das natürlich zu schnell. 1923 betrug die maximal zulässige Geschwindigkeit in geschlossenen Ortschaften 30 Kilometer pro Stunde. Ein Wert, zu dem viele Gemeinden inzwischen wieder zurückkehren wollen. Trotzdem wurde auch damals schon gerast, wie Alfons Swaczyna, der ehemalige Leiter des Regensburger Tiefbauamts und Amberger aus Leidenschaft, herausgefunden hat. In einem Artikel der Amberger Volkszeitung, dem Vorläufer der heutigen Amberger Zeitung, vom 18. Februar 1923 wird an die Automobilisten appelliert, doch bitte vorsichtig und rücksichtsvoll durch die Amberger Altstadt zu chauffieren.
Der Text lautet wörtlich: "Es steht die Veranlassung darauf hinzuweisen, dass das übermäßige Schnellfahren mit Motorfahrzeugen in geschlossenen Ortschaften zu unterlassen ist. Wenn auch die Geschwindigkeit in geschlossenen Ortschaften 30 Kilometer/Stunde betragen darf, so sei doch ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass bei unübersichtlicher Fahrbahn usw. die Geschwindigkeit so herabzusetzen ist, dass das Fahrzeug auf kürzeste Entfernung zu Stehen gebracht werden kann. Besonders ist hier in Amberg üblich, dass Motorradfahrer vielfach in belebten und unübersichtlichen Straßen eine nicht zulässige Geschwindigkeit einschlagen. Die Verkehrsgefahr wird dadurch vielfach erhöht, dass diese Fahrer keine oder nur unzulängliche Signale abgeben. Gerade in Ortschaften wie Amberg dürfte eine Höchstgeschwindigkeit innerhalb der Mauern besonders von 15 Kilometer in der Stunde vollständig ausreichen (d.s. für 100 Meter 24 Sekunden)."
Zwei Minuten für die Georgenstraße
Und weiter heißt es in diesem Bericht: "Um einen Anhaltspunkt dafür in Amberg zu haben, sei darauf hingewiesen, dass der Straßenzug: Krambrücke – Georgenstraße, beginnend an der Ecke: Geschäftshaus Baumgart (historische Ratstrinkstube, heute Vera Moda/Jack & Jones, Anm. d. Red.) bis Ecke Kulturbauamt (ehemaliges Bergamt am Malteserplatz) fast genau 500 Meter beträgt. Es dürfte also ein guter und ordentlicher Fahrer für diese Strecke 2 Minuten brauchen. Eine Minute darf er brauchen für die Hälfte dieses Weges, d.i. ungefähr bis zum Geschäftshaus: Möbel- und Tapeziergeschäft Götz (neben der alten Stadtpost). Damit soll aber keineswegs gesagt sein, dass unbedingt so schnell gefahren werden muss, da vielfach Hindernisse eintreten können, die ein vollständiges Anhalten eventuell bedingen." Ob dieser Appell Früchte getragen hat, liegt allerdings im Dunkel der Geschichte.
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