Ein Leben als Frührentner kann sich Siegfried Schröpf nicht vorstellen. Auch wenn der geschäftsführende Gesellschafter von Grammer Solar am Mittwoch die nächste Hürde reißt: Für das sechste Lebensjahrzehnt hat der umtriebige Geist noch einiges vor. Vor allem will der pragmatische Idealist sein Lebenswerk vollenden: die Energiewende dahoam.
Anpacken statt Schwarzmalen
Mindestens zwei Seelen wohnen in Schröpfs Brust: Der Diplom-Psychologe und -Volkswirt (Universität Würzburg) blickt zwar mit Sorge auf die derzeitige Lage, in der Despoten wie Putin, Trump, Xi Jinping, Bolsonaro oder Orban die Welt demokratisch, wirtschaftlich und ökologisch zurückwerfen. Aber Schwarzmalen ist seine Sache nicht: „Die Welt ist heute vernetzter als vor 80 Jahren“, sagt er, „ich bin in einem Europa groß geworden, das sich immer mehr angenähert hat und freier wurde.“
Trotz aller Rückschläge setzt der Oberpfälzer auf die Vernunft: „Mit intelligenter Energiepolitik können wir den menschgemachten Klimawandel verlangsamen.“ Mittelfristig bringe das auch geopolitisch nur Vorteile: „Wenn wir uns von Öl und Gas unabhängiger machen, hilft das nicht nur unserer Umwelt, es verringert auch globale Krisen, deren Ursache oft der Kampf um die verbliebenen Rohstoffe ist.“
Durch ein tiefes solares Tal
Es ist diese innere Überzeugung, die Schröpf sein Unternehmen auch durch politisch gemachte Krisen der Solarbranche führen ließ: „Merkel hatte wenige Monate vor Fukushima den durchdachten rot-grünen Atomausstieg rückgängig gemacht, um dann nach der Katastrophe einen hektischen Ausstieg durchzusetzen.“ Der darauf folgende erbitterte Widerstand der Stromriesen habe enorme Kosten verursacht: „Die Konzerne traten massive Kampagnen los, die das Image der Solarenergie zeitweise beschädigten.“ Diese gipfelten in Schlagzeilen der BILD-Zeitung, reiche Zahnärzte würden ihre Photovoltaikanlagen auf Kosten von Hartz-IV-Empfängern finanzieren, die Erneuerbaren trieben den Energiepreis in die Höhe, deren Ausbau führe zu Blackouts: „Nichts davon entsprach der Realität“, sagt Schröpf, „aber es hat die Verbraucher verunsichert.“
Schröpf führte Grammer Solar, das er zusammen mit seinem damaligen Kompagnon Wolfgang Dotzler 2002 aus der Grammer AG herauskaufte, durch ein tiefes Tal. Seitdem die großzügige Entschädigung der Konzerne für den Atom- und Kohleausstieg feststehe, sei es still geworden. „Inzwischen haben wir wieder eine positive Berichterstattung und stabile Bedingungen.“ Dazu komme: „Ministerpräsident Söder ist Katalysator dieser Entwicklung.“ Und selbst die Corona-Krise habe den Wiederaufschwung beflügelt: „Vielleicht haben sich die Leute zu Hause überlegt, wie sie unabhängiger werden können“, sagt Schröpf. „Und sowohl Privathaushalte als auch Unternehmen sparen einfach Geld mit Energie vom Dach.“
Stehvermögen des Mittelstreckenläufers
Sein Stehvermögen hat Schröpf über Jahrzehnte als Läufer trainiert. Bei den deutschen Jugendmeisterschaften 1976 in Bremenhaven schnitt das Amberger Talent als bester 16-Jähriger über 3000 Meter ab: „8 Minuten 48 Sekunden“, sagt er lachend, „Ich kann mir das heute gar nicht mehr vorstellen.“ Klar, dass er als Jugendlicher da bereits Olympia vor Augen hatte. Dann kamen andere Interessen und das beständigste Glück seines Lebens: Noch im Gregor-Mendel-Gymnasium lernt er seine Brigitte kennen – und ist bis heute mit ihr verheiratet. Der Blick über den Tellerrand verbindet den Unternehmer und die Lehrerin: Zusammen verbringen sie 2014 ein Jahr in Chile – natürlich alles andere als ein Sabbatical: „Brigitte hat in Santiago an einer deutschen Schule unterrichtet und ich habe unsere chilenische Niederlassung gegründet“, sagt der Spanisch sprechende Südamerika-Liebhaber.
Eine südamerikanische Militärdiktatur spielt auch in einem seiner vier Romane eine Rolle: In drei davon begibt sich der Leser mit dem Würzburger Anwalt Schöngeist auf Expeditionen an Orte, mit denen Schröpf eine Rechnung zu begleichen hat. So auch in „Breslauer Schatten“, in dem die deutsch-polnische Vergangenheit seiner Familie eine Rolle spielt.
So laufen an Siegfried Schröpfs 60. Geburtstag die Fäden zusammen: Der Vater dreier Kinder hat noch einige Ideen im Köcher. Eine davon: „Noch einmal eine gemeinsame Zeit in Südamerika.“
- „Schöngeist“ (2009)
- „Dicht dran“ (2010)
- „Breslauer Schatten“ (2014)
- Außerhalb der Schöngeist-Reihe „Fluchtpunkt Spanische Allee“ (2018).
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