Amberg
Update 23.11.2018 - 17:01 Uhr

So kommt Wallenstein aufs Schlachtross

Er ist nicht nur eine herausragende Figur der deutschen Geschichte, er ist ein Mythos - Wallenstein. Und Mythen haben eines an sich: Sie sind unerschütterlich. Außer, einer schaut genau hin.

Dr. Till Strobel (rechts), der die Präsentation im Staatsarchiv mit konzipiert und gestaltet hat, führt durch die derzeit dort laufende Ausstellung „Menschen im Krieg. Die Oberpfalz 1618 bis 1648“, ergänzt durch den Vortrag „Wallensteins Zipperlein“ von Prof. Dr. Fritz Dross. Bild: Hartl
Dr. Till Strobel (rechts), der die Präsentation im Staatsarchiv mit konzipiert und gestaltet hat, führt durch die derzeit dort laufende Ausstellung „Menschen im Krieg. Die Oberpfalz 1618 bis 1648“, ergänzt durch den Vortrag „Wallensteins Zipperlein“ von Prof. Dr. Fritz Dross.

Diese Aufgabe hat sich Prof. Dr. Fritz Dross gestellt. Er knöpfte sich Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein (1583-1634), besser bekannt als Wallenstein, und dessen Gesundheitszustand vor. Heraus kam der ebenso fundierte wie aufschlussreich-unterhaltsame Vortrag "Wallensteins Zipperlein". Dross, ein Philologe, der sich der Medizingeschichte zugewandt hat, hielt ihn am Donnerstag im Staatsarchiv und bereicherte damit die dort derzeit laufende Ausstellung "Menschen im Krieg. Die Oberpfalz 1618 bis 1648".

Dross wollte also nicht die übliche Geschichte vom großen Landesfürst und Heeresgeneral Wallenstein erzählen, sondern eine Geschichte, wie sie Hunderte, Tausende, Zehntausende Soldaten und Menschen während des Dreißigjährigen Kriegs durchleben mussten. Und am Schluss kam heraus, dass alles irgendwie doch anders war und der glorifizierte Schlachtengewinner eher für das soziale Leben der damaligen Ständegesellschaft steht. Dazu gehört auch, dass die Gesundheit der Mächtigen (siehe Vladimir Putin oder Donald Trump) als Staatsgeheimnis gilt. Für den Wissenschaftler Dross bedeutet das, dass die konkrete historische Quellenlage nicht allzu üppig ist. Die hauptsächlichen Erkenntnisse seines Vortrages stützt er deshalb auf ein Horoskop des damaligen Prager Hofmathematikers Johannes Keppler (1571-1630), Friedrich Schillers (1759-1805) einschlägige Werke und Dramen und Golo Manns (1909-1994) Wallenstein-Biografie (1971).

Das Keppler-Horoskop

Mit am ergiebigsten erweist sich aus der Sicht von Dross das Keppler-Horoskop von 1608. Wer etwas auf sich hielt und es sich leisten konnte, so der Referent, habe sich eine derartige Weissagung anfertigen lassen. Vornehmlich anonym, lediglich unter der Angabe des Geburtsdatums. Wohl auch aus rein taktischen Gründen der Glaubwürdigkeit, ließ Dross anklingen, habe sich Keppler gerne eher vielsagend statt klar und eindeutig ausgedrückt. Dem Horoskop kommt dennoch eine recht tragende Bedeutung zu, weil Wallenstein es mit Randbemerkungen versehen hat, die kommentierten, ob die Voraussagungen auch eintrafen.

Ein Jahr hin oder her

Allzu kleinlich hinsichtlich der zeitlichen Einordnung war er dabei allerdings nicht. Ein paar Jahre hin oder her, spielten eine eher untergeordnete Rolle. So müssten auch diese Betrachtungen laut Dross im übergreifenden Kontext des damaligen Standes der Medizin, des menschlichen Verständnisses von Krankheit und der nachgewiesenermaßen tatsächlich grassierenden Krankheiten gesehen werden.

So sei beispielsweise der damalige Begriff von Pest deutlich weiter gefasst gewesen als heute. Alle hochinfektiösen Erkrankungen seien darunter subsummiert worden. Außerdem habe sich Wallenstein - was er sich offenbar als Feldherr schuldig war - gerühmt, so furchtlos zu sein, dass er sich zwar ein hochansteckendes Fieber eingefangen, es ihn aber nicht dahingerafft habe. Denn, so Dross, weit verbreitet sei der Glaube gewesen, dass eine ausgeprägte Angst vor der Pest sehr wohl als ursächlich für den Ausbruch der Krankheit angesehen wurde. Zudem lässt sich Wallenstein auch einmal zur "Ungarischen Krankheit" aus, die heute als Typhus eingestuft wird. Davon sei er ebenfalls verschont geblieben.

Nicht aber von den "Zipperlein", die Eingang in den Titel der Vortrags gefunden haben. Heute wird dieser Begriff eher in die Richtung nicht allzu ernst zu nehmender Wehwehchen gerückt. Bierernst sei er auch damals nicht verwendet worden, eher genau das Gegenteil, betonte Dross. "Das Reden über Krankheiten ist in dieser Zeit stark von viel Metaphorik und Ironie geprägt." Oft sei das Wort Zipperlein mit einem eindeutig satirischen und sozialkritischen Unterton eingesetzt worden.

Bittere Ironie

Aus anderen Quellen lasse sich erschließen, dass Wallensteins großes Zipperlein eine Gicht-Zehe gewesen sein dürfte, bekanntermaßen verbreitet in Kreisen der Wohlstandsvöllerei in einer meist armen und unterernährten gesellschaftlichen Umgebung. Deshalb der satirische bis bissige Unterton in einigen Quellen, der auch Eingang in die Kriegspropaganda gefunden habe. Während sich die einen darüber echauffiert hätten, dass sich der große Feldherr vor dem vernichtenden Kampfgetümmel in der Sänfte an seinen Heerscharen habe vorbeitragen lassen, hätten die anderen gekontert, dass er danach sehrwohl noch heldenhaft sein Schlachtross bestiegen habe. Bei mit Seidentüchern umwickelten Steigbügeln allerdings.

 
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