Es ist kalt an diesem Herbstabend. Nebel zieht über dem kleinen Ort Tabernackel im Landkreis Amberg-Sulzbach auf, als das Ghosthunterteam Bavaria den dicht bewachsenen Schotterweg hinauf zum Schloss Neidstein entlangfahren. Sightseeing treibt den Nittenauer Daniel Biersack und die Neunburgerin Stefanie Maurer nicht zu dem historischen Gebäude. Ihr Kofferraum ist voll mit technischem Equipment. Kameras, Diktiergeräte, Bewegungsmelder. Die 31-Jährigen werden in dieser Nacht in den geschichtsträchtigen Gemäuern auf Geisterjagd gehen. Das Team, das normal aus vier Mitgliedern besteht, erforscht seit 2009 unerklärliche Erscheinungen und Spukphänomene. Ihr Einsatzort: Verlassene Gebäude, Ruinen, Wohnung von Klienten, die unter „Spuk“ leiden und die Geisterjäger um Hilfe bitten. Ihre Motivation: Das Interesse am Übernatürlichen, persönliche Erfahrungen, der Nervenkitzel.
Tragische Todesfälle
Am schweren Eisentor empfängt sie Max Wilfurth, Bruder des Schlossherren. Es ist nicht das erste Mal, dass er Ghosthunter auf dem Anwesen begrüßt. „Die Geschichte des Schlosses interessiert – und lockt paranormale Gruppen an“, weiß der Amberger. Gerne öffnet er für einen Abend die Türen auf Neidstein, die sonst nur Kongressen, Hochzeitsgesellschaften oder privaten Festen offenstehen. Warum Geisterjäger fasziniert von dem Schloss sind, wird bei dem Rundgang schnell klar. „Hinter diesen Mauern ist viel passiert. Jobst von Brand errichtete das Schloss, nachdem seine Burg 1504 zerstört worden war. Der Komplex umfasst die Ruine der alten Burg, die etwa 1050 entstanden ist sowie das 1513 fertiggestellte Schloss.“ Wilfurth zeigt seinen Besuchern das standesamtliche Zimmer, die prachtvolle Bibliothek, die Zisterne im Eingangsbereich, über die das Schloss über Jahre hinweg mit Wasser versorgt wurde. „Das wird euch besonders interessieren“, sagt er und steigt einige Treppen hinab. „Das ist unser Schwedenbau. Während des Dreißigjährigen Krieges war ein schwedischer Offizier inhaftiert, der zuvor plündernd durch das Gebiet gezogen sei. Dieser sei, so sagt man, in diesem Raum verstorben.“ Es ist nicht der einzige Todesfall, der Daniel und Steffi neugierig werden lässt. Ein junger Mann sei vor über einem Jahrhundert bei einem Unfall in die Tiefe gestürzt und gestorben. Zudem soll eine weiße Frau im 1634 erbauten Turm ihr Unwesen treiben.
„Das Schloss war im Besitz vieler. Dem Erbauer Jobst von Brand, Kaiser Ludwig von Bayern, Herzog Ludwig von Bayern – und natürlich Hollywood-Star Nicolas Cage.“ 2009 kaufte der Amberger Rechtsanwalt Dr. Konrad Wilfurth das Anwesen und renovierte es aufwendig. „Es ist der perfekte Ort, für unsere Untersuchung. Wir müssen unbedingt in den Schwedenbau, das ehemalige Schlagzimmer der Gräfin Faber-Castell – und in das Gewölbe“, sagt Daniel. Ihren „Sammelpunkt“ richten die Geisterjäger im Erdgeschoss des 29 Zimmer umfassenden Schlosses ein. Ihr Equipment transportieren sie in drei Metall-Koffern. „Technik im Wert von Tausenden Euro“, erzählt Steffi. „Ein teures Hobby. Einiges davon haben wir selbst gemacht.“ Unverzichtbar für jede Untersuchung: Kameras in allen Variationen – von Wärmebild bis Infrarot, kleine Hand-Exemplare und Geräte für Langzeitaufnahmen. Auch Diktiergeräte, Temperatur- und Magnetfeldmesser, Wünschelruten und Steffis ganzen Stolz, das „Portal“, haben sie mit auf Schloss Neidstein gebracht. „Das habe ich selbst gebaut.“ Ein Gerät, dass Frequenzen verarbeitet und Stimmen möglicher „Geister“ übertragen kann Doch wozu all die Technik? „Geister, Wesen, übernatürliche Erscheinungen ziehen Energien aus technischen Geräten, um sich bemerkbar zu machen. Auch wir bestehen aus Energien. Nur kostet es uns nicht so viel Anstrengung, uns zu äußern. Geister brauchen dabei Hilfe.“ Sie zieht ein kleines Plüschtier aus einem der Koffer. „Das sind unsere Trigger-Objekte. Stofftiere benutzen wir, wenn wir davon ausgehen, dass Kinder als Geistwesen spuken. Diese Objekte sollen sie locken – und Vertrauen herstellen.“
Die Suche beginnt
20.26 Uhr, Schwedenbau: Die Untersuchung beginnt. „Ein mysteriöser Raum“, wie Max Wilfurth bei der Führung erzählt hat – und somit der perfekte Ort, um sich auf Geistersuche zu begeben. Heute lässt sich von der bewegten Geschichte und der Inhaftierung des Soldaten nichts mehr erkennen. Der kleine Raum ist mit einem bunt gemusterten Stoffsofa und dunklen Holzmöbeln ausgestattet. An der Wand hängt ein Kreuz, ein kleines Fenster gewährt einen Blick in den dunklen Innenhof des Anwesens. Nach wenigen Minuten ist der Raum mit dem technischen Equipment ausgestattet: das Portal, zwei Kameras, ein Bewegungsmelder vor dem Zimmer und ein Gerät, dass Schwankungen der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit misst. Auf dem massiven Holztisch in der Mitte des Raumes platziert Steffi zwei Aufnahmegeräte. Licht aus. „Das ist wichtig für unsere Fotos“, erzählt die 31-Jährige. Durch den Blitz können sich Gestalten reflektieren, Orbs. Das funktioniert nicht, wenn es hell ist.“ Die dunkle Stille wird durch das Stimmgemenge des „Portals“ durchbrochen. Auf dem Gerät sind kleine weiße Kärtchen mit Schutzsymbolen befestigt. „Damit sich kein Geist daran festhängt“, sagt Steffi und lacht. Durch das Gerät dröhnen unterschiedliche Frequenzen – und eine rückwärtslaufende Wortdatenbank. „Das macht es uns leichter. Erkennen
wir ein vorwärts gesprochenes Wort, ist es ein Indiz dafür, dass jemand Kontakt zu uns aufnimmt.“ Steffi setzt sich neben das Portal. „Ist heute jemand bei uns?“ Keine Reaktion. „Wir haben gehört, dass hier schwedische Soldaten inhaftiert wurden. Kann das jemand bestätigen?“ Keine Reaktion. „Möchte jemand mit uns Kontakt aufnehmen?“ Keine Reaktion. Auch der Bewegungsmelder vor der Tür bleibt stumm. Nach 25 Minuten brechen Daniel und Steffi die Untersuchung im Schwedenbau ab. „Eine Kamera und ein Diktiergerät lassen wir aber hier. Falls doch noch jemand mit uns kommunizieren will. Die Aufnahmen hören wir uns später an.“ Es geht zurück zum Sammelpunkt, dem Gewölbe des Anwesens, das heute als Festzimmer für Feiern und Hochzeiten dient.
"Rational. Immer mit gesundem Menschenverstand."
Ein Mal pro Monat ist das Team durchschnittlich auf Spuksuche. „Es ist nicht immer leicht, Zugang zu geeigneten Orten zu bekommen. Uns ist wichtig, dass alles legal ist. Wir würden ein Gebäude nie ohne die Zustimmung der Eigentümer betreten“, erklärt Daniel. Immer wieder werden die Investigatoren auch von Privatpersonen angefragt. Familien, die von scheinbar unerklärlichen Phänomenen gegeißelt werden. „Wir helfen, wo wir können. Dafür nehmen wir kein Geld. Für uns ist es ein Hobby, das wir selbst finanzieren.“ Einen Grundsatz befolgt das Team immer – egal, ob es gerufen wird oder sich selbst ein Untersuchungsobjekt sucht. „Wir treiben nicht aus, wir machen keinen Exorzismus.“ Was sich anhört wie eine Szene aus einem Horrorfilm, sei schon mehrfach angefragt worden. „Wir hatten unheimliche Erlebnisse in privaten Haushalten. Böse Präsenzen. In einem Fall ist das Kreuz von der Wand geschleudert worden“, erinnert sich Daniel. „Erleben wir derartiges, wenden wir uns an die Universität in Freiburg. Dort gibt es einen Lehrstuhl für Parapsychologie und Grenzwissenschaften, der von dem Psychologen und Physiker Walter von Lucadou geleitet wird. Experten auf diesem Gebiet.“ 90 Prozent ihrer Untersuchungen bleiben ohne Ergebnis. „Nur in 10 Prozent entdecken wir etwas, das wir nicht erklären können.“ Die Herangehensweise des Teams: Rational, mit gesundem Menschenverstand. „Erst, wenn wir alle wissenschaftlichen Erklärungsansätze ausgeschlossen haben, halten wir es für möglich, dass wir es mit Geistern zu tun haben.“ Dass sich hinter vermeintlichen Heimsuchungen oft eine rationale Erklärung verbirgt, wissen Steffi und Daniel aus Erfahrung. „Vor einiger Zeit hat uns eine Frau angerufen. Ihr kleines Kind berichtete von schwarzen Gestalten, die es in seinem Zimmer sah, von merkwürdigen Geräuschen. Es hatte Angst. Bei unseren Messungen haben wir festgestellt, dass eine starke Strahlung von der Wand ausging, an der das Bett stand. Die Folge: Halluzinationen. Die Mutter stellte das Bett um – und die Erscheinungen hörten sofort auf.“
20.50 Uhr, ehemaliges Schlafzimmer der Gräfin Ottilie von Faber-Castell: Die Untersuchung geht weiter. Anderer Raum, anderes Equipment. Das weitläufige Zimmer ist prunkvoll möbliert. Neben dem angrenzenden Badezimmer ist ein mit Gold verzierter Holzofen, der Parkett ist mit edlen gemusterten Teppichen ausgelegt. Zwischen zwei Fenstern, die mit goldenen Vorhängen gerahmt sind, steht eine antike Schminkkommode. Das großzügige Doppelbett wirkt unberührt, die rot-goldenen Kissen sind akkurat angerichtet. Es ist das ehemalige Schlafgemacht der Gräfin Ottilie von Faber-Castell. Anfang es 20. Jahrhunderts heiratete sie Schlossherr Philip Paul von Brand und zog in das Schloss. Dort lebte sie bis zu ihrem Tod 1944. „In diesem Zimmer ist viel Energie“, sagt Steffi. Sie stellt eine Infrarotkamera auf den Holztisch und richtet sie auf das Bett aus. Daniel steht an der Tür. In seiner Hand hält auch er eine Kamera. Als das Licht ausgeht, ist davon nur noch das kleine rote Lämpchen zu erkennen. Die 31-Jährige setzt sich auf das Schlafsofa vor dem Bett, blickt in die Kamera – und richtet ihre Wünschelruten aus. „Überkreuzen sie sich, bedeutet das nein. Gehen sie auseinander, heißt das ja.“ „Ist jemand bei uns? Frau Faber-Castell, sind sie hier? Ist jemand hier?“ Und plötzlich ist sie da – die erste Reaktion. Im fahlen Licht der Infrarotkamera öffnen sich die Ruten. „Kannst du uns zeigen, wo du bist?“ Wenige Sekunden später schlägt eine der Ruten nach links aus – und zeigt auf das kleine Bad. „Frau Faber-Castell, sind Sie das?“ Ein klares „Nein“ der Ruten. „Bist du männlich?“ Stille. „Ein Kind?“ Stille. „Keine weiteren Reaktionen der Ruten.“ Die Messungen im Schlafzimmer sind beendet. Ein kleiner Erfolg für das Team. Ob die Kamera etwas aufgezeichnet hat, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.
Faszination für das Unerklärliche
Die Faszination der beiden für das Hobby Geisterjagd wird in dieser Nacht schnell deutlich. Es ist ein aufregendes Abenteuer, der gewisse Nervenkitzel. Doch was brachte den 31-jährigen Schädlingsbekämpfer Daniel und die IT-Spezialistin Steffi zum Ghosthunterteam Bavaria? „Unsere Berufe sind absolut rational. Das sind wir auch“, erzählt Biersack und lacht. „Mich haben paranormale Themen schon immer interessiert. Ich bin neugierig, ob es etwas anderes gibt. Ein Leben nach dem Tod. Als ich 2009 erfahren habe, dass es die Ghosthunter – inzwischen ein eingetragener Verein – gibt, war ich sofort dabei. Seit 2018 leite ich das Team. Allerdings bin ich eher der Skeptiker von uns.“ Vor zwei Jahren stieß Stefanie Maurer zur Gruppe. „Persönliche Erlebnisse. Das war meine Motivation. Als mein Onkel starb, hatte ich das Gefühl, dass jemand bei mir ist. Ich spürte Berührungen an meiner Schulter. Ich konnte mir das nicht erklären – und wollte Antworten. Seitdem beschäftige ich mich mit dem Thema – und will Menschen helfen. Im Team bin ich für unseren Schutz zuständig. Ich sorge dafür, dass wir nichts Böses mit nach Hause nehmen.“
21.40 Uhr, Gewölbe: Die letzte Untersuchung des Abends. Neben einer kleinen Stand- und der Spiegelreflexkamera entscheidet sich das Team für eine spezielle App, die Frequenzen verarbeitet und mögliche „Stimmen“ verschriftlicht. Diesmal bleibt das Licht an. Der aufwendig sanierte Saal wird heute für Feiern genutzt, kann für Hochzeiten gemietet werden. „Ist jemand bei uns?“, fragt. Nach kurzer Zeit reagiert die App. „Flat“ (Flach). Wenige Momente später erscheint „Confess“ (gestehe), dann „Disease“ (Krankheit) und „Halt“ (Stillstand). Daniel erinnert sich an die Geschichte des jungen Mannes, der vor mehr als einem Jahrhundert in den Tod gestürzt sein soll – und wittert eine Verbindung. „Glaubst du, es könnte der Junge sein?“. „Willst du uns gestehen, dass du dich absichtlich in den Tod gestürzt hast? Kannst du uns sagen, wie du heißt?“ Wieder reagiert das Gerät – und zeigt „Dylan“ an. Die letzte Reaktion in dieser Nacht. Alle weiteren Fragen bleiben unbeantwortet.
"Beängstigende Situation"
Die Spurensuche ist beendet – für diesen Abend. „Es war aufregend. Aber wir haben schon beängstigendere Situationen erlebt“, erzählt Daniel. Erst vor wenigen Wochen in einem verlassenen Sanatorium in Thüringen. Das Team verbrachte eine Nacht in dem Gebäude, „in dem so viel Leid passiert ist“. In einem der Patientenzimmer platzierten sie ein Aufnahmegerät, setzten ihre Untersuchungen aber ein Stockwerk tiefer fort. „Als wir die Aufnahmen später anhörten, konnten wir es nicht glauben. Schreiende Kinder – über 20 Minuten hinweg. Vor Ort haben wir nichts gehört.“ Ein Erlebnis jagt ihnen auch heute noch Angst ein. „Eine beängstigende Situation“, erinnert sich Steffi. Ein Waldstück mitten in der Nacht. Dunkel, menschenleer. „Wir waren auf dem Weg zu einer Ruine, als wir eine Gestalt vor uns, etwa 20 Meter entfernt, sahen. Wir haben sie angeleuchtet. Sie hat nicht reagiert. Das Unheimliche war, dass sie beim Laufen keine Geräusche gemacht hat. Wir waren auf einem Schotterweg, man hätte Schritte wahrnehmen müssen. Das Team bleibt stehen, beobachtet – bis Daniel beschließt, dem Wesen zu folgen. „Ich hätte es einholen müssen. Es gab nur diesen einen Weg. Aber es war verschwunden. Bis heute können wir uns das nicht erklären.“
Doch spukt es nun auf Schloss Neidstein? „Es gibt Hinweise. Endgültig können wir das aber erst sagen, wenn wir alle Daten ausgewertet haben. Ich bin skeptisch. Alles, was heute passiert ist, könnte auch technische Ursachen haben“, sagt Daniel, während er eine der Kameras im Koffer verstaut. Steffi ist anderer Meinung. „Ich glaube, dass etwas hier ist. Das spüre ich.“ Die kommenden Wochen heißt es für die Geisterjäger: Videomaterial sichten, Tonbandaufnahmen analysieren, Fotos auswerten. „Jetzt beginnt die Arbeit erst richtig. Die Analyse dauert Tage.“ Doch Geist oder nicht Geist – für die beiden steht fest: „Wir kehren zurück auf Schloss Neidstein. Das Gebäude hat so viel Potenzial für Übernatürliches. Und das wollen wir finden.“
Spuk: Formen und Vorkommen
Als Spuk werden unheimliche, übernatürliche Erscheinungen bezeichnet. Während Naturwissenschaften wissenschaftliche Lösungsansätze wie den psychologischen Effekt oder Magnetfelder suchen, bleibt nach Ansicht der Parapsychologie ein Rest an Unerklärlichem. Stefanie Maurer unterscheidet zwei Formen des Spuks:
1. Spukereignisse: „Das sind Wiederholungen von Ereignissen, die den Lebenden immer wieder erscheinen. Lebte eine Person in einem Haus und ist dort gestorben, ist es möglich, dass man sie dort auch nach ihrem Tod wahrnimmt und sie herumwandern sieht. Es ist eine Art Echo aus der Vergangenheit – und für uns ungefährlich.“
2. Intelligenter Spuk: Beim „intelligenten Spuk“ hingegen „agieren die Geister und Wesen bewusst mit uns“, ist Maurer überzeugt. „Wir können mit ihnen kommunizieren. Gleichzeitig sind sie in der Lage, Gegenstände zu bewegen und auf sich aufmerksam zu machen.“
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