Mit der Reichspogromnacht am 9. November 1938 hatte die Judenverfolgung im NS-Staat eine neue Dimension erreicht: Synagogen wurde verwüstet und angezündet, jüdische Geschäfte demoliert und geplündert, Menschen jüdischen Glaubens willkürlich verhaftet und in Konzentrationslager deportiert. Am 9. November 1938 haben nach Angaben des Rabbiners in ganz Deutschland 1400 Synagogen gebrannt, 7500 jüdische Geschäfte wurden demoliert. In dieser Nacht seien langgehegte Ressentiments ausgelebt worden, Hass und Gewalt. 30.000 Juden seien bei den Novemberpogromen in Konzentrationslager deportiert wurden. „Der Weg in den Holocaust war vorgezeichnet“, sagte der Rabbiner.
Oberbürgermeister Michael Cerny erinnerte daran, dass die Reichspogromnacht früher verharmlosend als Reichskristallnacht bezeichnet wurde. Der 9. November 1938 sei ein „schrecklicher Meilenstein in unserer Geschichte“. Cerny sprach vom „offiziellen Signal zum größten Völkermord in der Geschichte“. Sechs Millionen Juden wurden ermordet, laut Cerny zwei Drittel aller damals in Europa lebenden Juden. „Das ist der ewige Makel, der an uns Deutschen haften wird.“
Rabbiner Dray erwähnte das Ergebnis einer Bertelsmann-Studie: Demnach wollen 49 Prozent der Deutschen heute einen geschichtlichen Schlussstrich unter die Judenverfolgung ziehen. In diesem Zusammenhang zitierte Dray die im KZ Auschwitz verewigte Mahnung des spanischen Philosophen George Santayana: „Wer die Geschichte nicht erinnert, ist verdammt, sie neu zu durchleben.“ Auch heute seien wieder Demokratie und Freiheit in Gefahr, warnte der Rabbiner. Dies griff auch der Oberbürgermeister auf. Man müsse politisch wachsam sein. Eine Partei, die erkennbar antidemokratisch sei und auch Rechtsradikale in ihren Reihen habe, sei „keine Alternative, sondern eine Gefahr für jüdisches Leben in Deutschland“.
„Kein Platz für Antisemitismus“
Aus dem Gedenken leitete Cerny den Auftrag ab, „einem aufkeimenden Antisemitismus mit Mut und lauter Stimme entgegen zu treten“. Die Botschaft des 9. November sei auch, dass „Antisemitismus, Rassismus und antidemokratische Bewegungen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben“. Die Zuhörer bat er, diese Botschaft hinauszutragen.
Für Dray spielen Schulen eine große Rolle. Sie vermittelten nicht nur Wissen, sondern auch Werte. Und so brachten sich auch Schüler in die Gestaltung der Gedenkstunde ein: Elizaveta Kulka mit Geigenmusik sowie Tim Kurockin, Noah Peccabin, Johanna Bierler und Lydia Werner, die Auszüge aus dem Audioguide „Shalom Amberg“ vortrugen. Der in einem P-Seminar am Erasmus-Gymnasium entstandene und mit Preisen ausgezeichnete Audioguide zeichnet das jüdische Leben in Amberg nach.
Die Jugendlichen schilderten, wie Juden ab 1933 systematisch ausgegrenzt wurden und am 9. November 1938 die Synagoge wohl nur deshalb nicht niedergebrannt wurde, weil ein Übergreifen des Feuers auf andere Gebäude befürchtet wurde. Sie zeichneten das Schicksal von Fanny und Karl Haymann nach: Das jüdische Ehepaar war 1939 nach München gezogen. Karl Haymann starb noch im gleichen Jahr, seine Frau kam 1942 in das KZ Theresienstadt und starb wenige Wochen nach ihrer Ankunft.
Eine einzige Überlebende
Von 64 Juden, die 1933 in Amberg ansässig waren, lebten 1942 nur noch zwölf. Eine einzige Jüdin kehrte nach dem Krieg zurück: eine Überlebende des KZ Theresienstadt. Die Schüler erzählten aber auch vom Neuanfang nach dem Krieg. So wurde die Amberger Synagoge bereits 1945 als erste in der US-Zone wiedereröffnet. Heute hat die Israelitische Kultusgemeinde etwa 130 Mitglieder. Rabbiner Dray beendete das Gedenken mit dem jüdischen Totengebet „El Male Rachamim“, in das in Erinnerung an die Opfer der Shoa Namen von NS-Vernichtungslagern eingefügt werden: Auschwitz, Majdanek, Treblinka.
Die Reichspogromnacht in Amberg
- In der Nacht vom 9. auf 10. November 1938 drangen SA-Leute und andere NSDAP-Mitglieder in die Synagoge in der Salzgasse ein.
- Sie zerstörten das Mobiliar und religiöse Kultgegenstände, verbrannten dieses vor der Synagoge und plünderten das Gotteshaus.
- Die Amberger Juden wurden verhaftet, die Männer kamen in das KZ Dachau, die Frauen in Polizeigewahrsam.
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