Tanja Maljartschuk kann und will die Augen nicht verschließen vor dem unsäglichen Leid, das der russische Angriffskrieg tagtäglich über ihre Heimat bringt. Und obwohl sie beispielsweise in den Essays "Die Geschichte geht gleich weiter – wir atmen nur aus" gleichermaßen klug wie bewegend analysiert, was die Ukraine seit der Souveränität 1991 erreicht und erduldet hat, will sie eines nicht mehr sein: Autorin.
"Für mich ist es zu wenig, eine Autorin zu sein in der Zeit der existenziellen Bedrohung und des Versuchs, die ukrainische Identität ganz auszulöschen. Meine Aufgabe als Autorin in den letzten beiden Jahren bestand darin, möglichst literarisch und poetisch über die Ermordung meiner Freunde zu schreiben", bekennt Tanja Maljartschuk auf schriftliche Nachfrage von Oberpfalz-Medien.
Vertrauensverlust in Sprache
Ihren Vertrauensverlust in Literatur und Sprache hat die seit 2011 in Österreich lebende Schriftstellerin auch in ihrer Klagenfurter Rede 2023 thematisiert. Dass das Publikum angesichts ihrer klaren, ergreifenden Worte immer wieder versucht zu widersprechen und Argumente vorzulegen, die Maljartschuks Misstrauen lindern sollen, verstehe sie natürlich.
Und es ist ja auch nicht so, dass sie sich zu solchen Positionierungen genötigt fühlt, im Gegenteil: "Es ist meine Pflicht, und das Wenigste, was ich machen kann, während meine Freunde, Kolleginnen und Kollegen an der Front kämpfen." Es könne nur passieren, dass sie selbst keine Kraft mehr habe, über den Krieg zu sprechen.
"Man tut das Kleine, aber nicht Nichts"
Ihr Motto lautet seit zwei Jahren unverändert: "Ich tue alles, was ich kann und ein bisschen mehr." In einer Zeit, in der Menschen im Krieg massenhaft sterben, müsse man als Zeuge dieser Gewalt die Tatsache akzeptieren, dass man, solange der Krieg dauert, nicht alle retten kann, so Tanja Maljartschuk: "Man akzeptiert seine Ohnmacht und macht trotzdem weiter. Man rettet Einzelne. Man tut das Kleine, aber nicht nichts."
Beim anstehenden "Tinte & Terz"-Abend im Stadttheater Amberg wird sie einige Texte aus jüngerer Zeit lesen und mit Nora Gomringer über Wege sprechen, in einer Situation der Ohnmacht für den Widerstand Kraft zu finden. Dass sich Maljartschuks Beziehung zur Late-Night-Gastgeberin in den letzten beiden Jahren durch Gomringers Engagement für ukrainische Künstlerinnen und Künstler vertieft hat, hilft sicher.
Das Aufeinandertreffen als zwei Bachmann-Preisträgerinnen sieht Tanja Maljartschuk jedoch als reinen Zufall – "einen angenehmen, natürlich".
Zu Person, Buch und Veranstaltung
- Tanja Maljartschuk, Schriftstellerin, geboren 1983 in Iwano-Frankiwsk/Ukraine, studierte Philologin, arbeitete als Journalistin in Kiew bevor sie 2011 nach Wien emigrierte, ausgezeichnet u.a. mit dem Bachmann-Preis 2018 und dem Usedomer Literaturpreis 2022.
- Gleich geht die Geschichte weiter - wir atmen nur aus, Essays, 176 Seiten, gebunden, Verlag Kiepenheuer&Witsch, 20 Euro
- Tinte & Terz mit Nora Gomringer und Tanja Maljartschuk am Donnerstag, 25. Januar um 20 Uhr im Stadttheater Amberg, Tickets bei der Tourist Information Amberg, Tel. 09621/101233
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