Amberg
26.12.2021 - 11:36 Uhr

Turrini-Klassiker im Stadttheater Amberg: Josef und Maria auf Sinnsuche im leeren Kaufhaus

Wie in der biblischen Weihnachtsgeschichte, sind auch Maria (April Hailer) und Josef (Gerhard Gabers) auf Herbergssuche – auf der Suche nach einem Zuhause bei einem anderen Menschen. Bild: Stephan Huber
Wie in der biblischen Weihnachtsgeschichte, sind auch Maria (April Hailer) und Josef (Gerhard Gabers) auf Herbergssuche – auf der Suche nach einem Zuhause bei einem anderen Menschen.

"Josef und Maria" heißt der (beinahe schon) Theater-Klassiker von Peter Turrini. Vor allem zur Weihnachtszeit wird das Stück gern gespielt. Wie jetzt im Stadttheater Amberg. Die Namen erinnern natürlich an die Christkind-Eltern. Aber nichts da. Diese Bühnengeschichte hat mit der Menschwerdung Gottes gar nichts zu tun – oder vielleicht doch?

„Josef und Maria“ von den Hamburger Kammerspielen in der Inszenierung von Sewan Latchinian erzählt die Geschichte zweier in die Jahre gekommener einsamer Menschen. Ort: ein Kaufhaus nach Ladenschluss. Zeit: der Heilige Abend. Personen: Putzfrau Maria (April Hailer) und Wachmann Josef (Gerhard Gabers). Die Namensvetter des biblischen Paares beugen sich nicht über das Jesus-Kind in der Krippe, sondern suchen vorübergehend Herberge im stillgelegten Konsumtempel, um der Einsamkeit zu entgehen. Zwei Übriggebliebene, die nichts gemeinsam haben als die Flucht in freiwillige Arbeit am Heiligen Abend.

Nüchterne Erzähsprache

So nüchtern wie das Bühnenbild (Ricarda Lutz): links der Spind, davor ein Putzwagen und zwei Holzhocker, rechts ein Treppenaufbau, darunter undefinierbares Glitzerzeugs. So nüchtern ist auch die Erzählsprache: Maria schreitet wie auf einer Showtreppe nach unten. Sie ist wütend: Sohn und Schwiegertochter haben sie am Heiligen Abend ausgeladen. Und noch ein Einsamer kommt von oben die Stufen herab. Josef, der Wachmann. Der Sozialist und Freidenker, der mit Weihnachten so gar nichts am Hut hat. Sie reden nebeneinander her, zuerst jeder alleine. Jeder hat sein eigenes Lebenspäckchen dabei. Erst fest verschnürt, dann wird immer mehr ausgepackt: Zunächst zögerlich und ziemlich aneinander vorbei, dann aber immer ehrlicher und mutiger erzählen sich die beiden ihre unerfüllten Wünsche, gescheiterten Träume, geheimen Sehnsüchte, vertrauen einander ihre privaten und politischen Kümmernisse an.

Beide zählen nicht zu den Privilegierten der Gesellschaft. Maria war Varietétänzerin und hängt ihren Erinnerungen nach. Der ehemalige Statist Josef hat ebenfalls Theaterluft gerochen, aber sein leidenschaftlicher Einsatz für die kommunistische Idee vermasselte die Karriere. Man kommt ins Gespräch, man prostet sich zu, man findet zueinander. Beim Tango überwinden sie die Scheu und landen schließlich auf der Matratze. 85 Minuten lang dauert dieses Theaterstück vom Altwerden und von Einsamkeit, von vergangener Schönheit und verlorenem Stolz. „Ein alter Mensch hat nichts zu lachen“, sagt sie einmal.

Text rüttelt am Gemüt

Der Text geht tief und rüttelt am Gemüt der Zuschauer im Corona-bedingt spärlich besetzten Theater. Da sind die Schauspieler gefordert, ohne große Gesten, großes Spiel zu produzieren. Die Regie liefert hier nicht sehr viele Ideen. So liegt es alleine an den Schauspielern, bis zur Bettszene die Spannung zu halten. Diese mit Geschmack, Gespür und Gefühl zu inszenieren und zu absolvieren gelingt nicht unbedingt. Abrupt fällt der Vorhang. Ende gut. Applaus sehr wohlwollend.

 
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