Amberg
17.04.2024 - 17:56 Uhr

Eine Woche lang offene Ateliers in der Amberger Bergwirtschaft

Dieser „Omnibus“ rollt nicht über Straßen. Stattdessen bringt er im lateinischen Wortsinn "für alle", was das Amberger Symposium seit Jahren ausmacht: Kunst. In der 12. Auflage an einem heiß geliebten Ort und mit einem besonderen Gast.

Was verbindet uns, wie können wir trotz unterschiedlicher Positionen eine Gemeinschaft bilden? Diese elementaren Fragen stehen im Mittelpunkt des 12. Amberger Kunstsymposiums vom 18. bis 26. Mai in der Bergwirtschaft auf dem Mariahilfberg in Amberg und finden ihre Reflektion im Titel „Omnibus“. Letzterer übrigens ein Vorschlag von Künstlerin Marion Mack, der sich bei der Vorbesprechung der Gruppe Amberger Künstler sofort als konsensfähig erwies, schreibt Mitorganisatorin Hanna Regina Uber auf Nachfrage von Oberpfalz-Medien.

Im Motto „Für alle“ steckt auch, was Attraktivität und Erfolg der jährlichen Veranstaltungen ausmacht – Offenheit. Zum einen im kollegialen Miteinander der teilnehmenden Kunstschaffenden aus der Region und darüber hinaus. Das fängt an beim täglichen, gemeinsamen Frühstück, setzt sich fort bei der gegenseitigen Unterstützung bei technischen und logistischen Problemen, beim Fachsimpeln und mündet mitunter auch in die Entwicklung neuer gemeinsamer Projekte, so Uber. Für den Flow des Symposiums nicht minder wichtig ist der unmittelbare Austausch mit den interessierten Besuchern, die täglich von 16 bis 18 Uhr in die offenen Pop-Up-Ateliers spitzen und beim Wachsen und Werden der Projekte über die Schulter schauen können.

Installationen, Bilder und Videos

Weil es viel spannender sei, zu interagieren und Anregungen wie auch Arbeitsweisen anderer Teilnehmerinnen und Teilnehmern in die eigene Arbeit zu integrieren, kommt niemand mit einem fertigen Konzept auf den Mariahilfberg, sagt Uber. Am Ende rechnet sie mit einer Auswahl verschiedenster Installationen, großformatiger Bilder und Videoarbeiten.

Dass man nach unterschiedlichen, besonderen Plätzen im Stadtkern diesmal die Zelte in der Bergwirtschaft aufschlägt, geht auf Hanna Regina Ubers Idee zurück, die sich jetzt dank der sofortigen Zusage des Eigentümers und vieler Sponsoren in die Tat umsetzen ließ. Als gebürtige Ambergerin verbindet auch die diesjährige Gastkünstlerin Belle Shafir mit diesem Ort vor allem eines: Nostalgie. „Der Weg durch die Wälder hinauf auf den Mariahilfberg, der uns sehr an das Mittelalter erinnert. Und dann diese herrliche Aussicht über das 'Amberg im Nest', mit den Kirchen nebenan – einfach unvergesslich“, erinnert sie sich.

Ein solches Symposium wecke ihre Neugier auf andere Perspektiven und die neuen Erfahrungen, die sie mit den Künstlerinnen und Künstlern teilen kann, schreibt sie vorab aus Israel. Und natürlich freut sie sich auf das Wiedersehen mit Künstlerfreundin Hanna Regina Uber, die sie 2003 anlässlich eines Skulpturen-Symposiums in Amberg kennengelernt hatte.

Schaffenskraft und Lust an Experimenten

Auch die in Aschach beheimatete Bildhauerin Uber erinnert sich an diese vom Haus der Geschichte zum Thema „Goldene Straße“ organisierte Veranstaltung als Beginn der lange Zeit nur online aufrecht erhaltenen Freundschaft. An Belle Shafir schätzt sie die Kontinuität in ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit für die Kunst: „Ihre starke Schaffenskraft und ihre Lust am Experimentieren ist eventuell auch das, was uns verbindet.“

Umgekehrt bewundert Shafir Ubers Arbeit als enthusiastische Künstlerin und Organisatorin der Symposien, die sie immer wieder initiiert. „An ihrem Werk beeindrucken mich die verschiedenen Medien und Techniken und die Komplexität dieser Arbeiten.“ Auf die Frage, mit welchen Gefühlen sie nun in aktuell schwierigen Zeiten nach Deutschland reist, antwortet Shafir differenziert: „Das Kunstsymposium ist ein Treffpunkt verschiedener kultureller Hintergründe mit ihren komplexen künstlerischen Ausdrucksweisen. Hier entstehen Interaktionen, die das Potenzial haben, neue kreative Quellen zu erschließen. Das Kommen nach Deutschland ist für mich mit vielen Erinnerungen verknüpft und hat deshalb auch immer eine besondere emotionale Bedeutung – trotz der schwierigen Zeiten, die wir weltweit im Moment erleben.“ Konkret richtet sich ihre Vorfreude auf das Treffen mit der Familie, den Besuch der Kindheitsorte – und das Bratwürstl-Essen.

Der Wunsch, in Israel zu leben, kam einst mit den Geschichten über Israel im privaten jüdischen Religionsunterricht. Und auch Kreativität habe schon in ihrer Kindheit und Jugend eine zentrale Rolle für sie gespielt, sagt Shafir und nennt Malerei, Tanz und viele Jahre Ballett. Bis zum Künstlerberuf dauerte es dann aber doch ein bisschen: "Nachdem ich 1972 nach Israel gegangen war, stand ich ohne Job, ohne Sprachkenntnisse und ohne Freunde da. Ich musste mich zunächst neu orientieren und herausfinden, wo ich eigentlich angekommen war. Als ersten Schritt gründete ich meine eigene Familie, die mir Halt und Orientierung gab. 1984 begann ich dann mein Studium an der Kunstakademie in Tel-Aviv."

Im Mittelpunkt ihrer multimedialen Kunst steht das große Interesse an verschiedenen Kulturen, Sitten und Bräuchen: „Wichtig ist mir, sie persönlich kennenzulernen, zu erforschen, mitzuerleben und ihre authentischen Materialien in meine Kunst zu integrieren... Für mich hat jedes Material seine eigene Geschichte und Ausdruckskraft“. Shafirs Markenzeichen sind Schweifhaare von Pferden. Obwohl auf einem Pferdehof aufgewachsen, entdeckte sie das organische Material erst später in ihrer Karriere: „Ich verwende sie sowohl für Rauminstallationen als auch in Performances.“ Und natürlich will die Künstlerin auch in Bergwirtschaft ihrem bevorzugten Werkstoff treu bleiben: „Ich bereite mich auf eine gehäkelte Pferdeschweifhaar-Rauminstallation vor, die wahrscheinlich viel Zeit in Anspruch nehmen wird.“

Hanna Regina Ubers Ideen kreisen dagegen um eine Skulptur aus unterschiedlichen Materialien, die im Kontext zu einer Wandinstallation aus zwei Ebenen funktionieren soll. Thematisch beschäftigen sie aktuell die unbewusst ausgesendeten Signale und Informationen: „In der zwischenmenschlichen Kommunikation nimmt man viel mehr wahr und sendet viel mehr aus, als gedanklich wirklich verarbeitet wird. Diese Signale nenne ich 'SUBCODES'. So wird auch die nächste Ausstellung von Robert Diem und mir im Juni im Kunstprojekt in Aschach heißen.“

Ob sich über die eigenen Projekte hinaus vielleicht auch noch ein gemeinsames Vorhaben beim Symposium ergeben könnte, lassen die Freundinnen offen. Eine gemeinsame Ausstellung kann sich Hanna Regina Uber aber auf jeden Fall vorstellen. Jetzt freut sie sich aber erst einmal aufs Zusammentreffen, schließlich habe Kunst auch in schwierigen und schweren Zeiten ein verbindendes und mental stärkendes Element.

Darüber hinaus ist die Bildhauerin gespannt auf eine großartige Woche, die in kurzer Zeit erschaffenen, erstaunlichen Kunstwerke, tolle Begegnungen und die Belebung des kulturellen Lebens in Amberg. Das entlohne für die vielen Mühen, die die ehrenamtliche Organisation an der Seite von Künstlerin Heike Lepke im Vorfeld mit sich brachte: „Die Vernissage wird sicher wieder ein Fest der Sinne für alle und jeden. Tanzend zur Musik von DJ Dr. Love auf der Terrasse der Bergwirtschaft den Blick über Amberg genießen. Dazu Kunst und ein Getränk nach Wahl - ein unschlagbares Angebot.“

HINTERGRUND:

Zum 12. Amberger Kunstsymposium

  • Omnibus- 12. Amberger Kunstsymposium vom 18. bis 26. Mai in der Bergwirtschaft auf dem Mariahilfberg in Amberg.
  • Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Hanna Regina Uber, Heini Hohl, Heike Lepke, Marion Mack, Stefan Stock, Johann Sturcz, Marcus Trepesch und Erika Wakayama (alle Region Amberg), Belle Shafir (Tel Aviv/Israel) Andreas Hofstetter (Berlin), Dashdemed Sampil (Ulan Bator/Mongolei) und Andrea Sohler (Fürth).
  • Offen: Ab Pfingstsonntag, 19. Mai, täglich von 16 bis 18 Uhr für Publikum geöffnet, Vernissage Samstag, 25. Mai um 18 Uhr, Finissage Sonntag, 26. Mai um 14 Uhr . Der Eintritt ist frei.
 
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