Während auf dem Platz vor der Amberger Synagoge in der Salzgasse der Mob tobt, haben Ruth und Ilse Godlowski, die Töchter des Rabbi, im Obergeschoss des Gebäudes einfach nur noch Angst. Sie befürchten, bei der Plünderung des jüdischen Gotteshauses an diesem 9. November 1938, der Pogromnacht, in den Strudel der Gewalt gezogen zu werden. Doch die Rettung kommt ausgerechnet in Person zweier SA-Leute. In einem kurzen Hörspiel haben Schüler aus dem P-Seminar des Erasmus-Gymnasiums mit dem Titel Shalom Amberg - Eine Audio-Zeitreise auf den Spuren jüdischen Lebens diese Vorfälle zusammengefasst, die sich in jener Nacht rund um die Synagoge abgespielt haben.
Ursprünglich hatte Seminar-Betreuer Florian Häusler die Idee gehabt, seine Schüler auf eine Reise auf den Spuren der Stolpersteine in der Amberger Innenstadt zu schicken und diesen eine Art digitale Signatur zu verpassen. Doch die Umsetzung war mit so vielen Schwierigkeiten behaftet, dass sich Florian Häusler dazu entschloss, seine Schüler einen digitalen Audio-Guide über das jüdische Leben in Amberg vom Mittelalter bis zur Jetztzeit erstellen zu lassen. Die Seminar-Teilnehmer waren gerne dabei, zumal sie die Geschichte des Judentums im Unterricht sonst nur sehr allgemein mitbekommen, wie eine der Seminar-Teilnehmerinnen, Lena Strobel, sagt.
Quellenlage ganz unterschiedlich
Basis der Erkundungen waren unter anderem die Ausführungen, die Heimatpfleger Dieter Dörner zum Thema Juden in Amberg verfasst hat. Zusätzlich mussten weitere Quellen zurate gezogen werden. "Die Frage war, was ist möglich, was geben die Quellen her?", so Lena Strobel. Relativ gut war die Quellenlage bei der Aufarbeitung der Pogromnacht. Wie Dennis Schmidt sagt, konnten hier vor allem die Akten des Gerichtsprozesses genutzt werden, der dazu nach dem Zweiten Weltkrieg geführt worden ist. "Natürlich mussten wir da abwägen: Was ist glaubwürdig und was nicht?" Dennis Schmidt war neben seiner Mitarbeit in der Gruppe "Pogromnacht" auch zuständig für die Audio-Files. "Für die Gruppe Neuzeit war die Quellenlage sehr gut, für das Mittelalter aber sehr schlecht", sagt Maritta Singer.
Dieter Dörner, so erzählt es Carlotta Wilhelm, hat hervorragende Vorarbeit geleistet: "In seinem Buch wird der Alltag der Juden inklusive der Adressen dazu erzählt." Trotzdem blieb den EG-Schülern natürlich noch jede Menge Arbeit, bis der Audio-Guide fertig war. Wer die einzelnen Stationen auf einem Rundgang durch die Altstadt anklickt, wird immer mit einer musikalischen Einleitung willkommen geheißen. Dabei handelt es sich um die Vertonung eines jüdischen Klagegebets durch den Komponisten Max Bruch. Kathrin Stoiber und ihr Bruder haben das Stück mit Cello und Klavier selbst eingespielt.
Sechs Stationen in der Amberger Altstadt
Sechs Stationen umfasst der Audioguide des P-Seminars, der zu einem Rundgang durch die Amberger Altstadt und zum Hören der einzelnen Audiofiles einlädt. Er kann unter anderem auf der Homepage des Erasmus-Gymnasiums abgerufen werden. Zusätzlich hat der Vater von Carlotta Wilhelm, Manfred Wilhelm, einen professionellen Flyer entworfen, der in einer Auflage von 1000 Stück gedruckt worden ist. Die sollen vor allem als praktisches Lehrmaterial für die jeweiligen Jahrgangsstufen des EG zu dienen, die sich mit dem Judentum beschäftigen. Erste "praktische" Anwendungen haben bereits stattgefunden, wie die Teilnehmer des P-Seminars berichten. "Man hat gemerkt, dass es geklappt hat", schildert Maritta Singer den Erfolg.
Über den schulischen Weg hinaus hat Florian Häusler Kontakt mit der Stadt Amberg aufgenommen mit dem Ergebnis, dass die jetzt ebenfalls 1000 dieser Flyer drucken lässt und sie unter anderem in der Tourist-Info auslegt. Damit können künftig auch die Gäste der Stadt diese Zeitreise durch die jüdische Geschichte Ambergs unternehmen. Ganz neu ist die Information, dass das Projekt auch in das Programm zu "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" eingebunden wird. Und das Fazit für das P-Seminar? Menschen brauchen einen lokalen Bezug, um Geschichte richtig verstehen zu können, so die Meinung der fünf Seminar-Teilnehmer, die sich stellvertretend für ein Gespräch zur Verfügung gestellt haben. "Man muss sich bewusst werden, dass es hier bei uns in Amberg passiert ist."
Ein Rundgang durch die jüdische Geschichte Ambergs
- Das Projekt-Seminar Geschichte des Erasmus-Gymnasiums hat hauptsächlich für Schülerinnen und Schüler den Audio-Guide zur Geschichte des Amberger Judentums entwickelt.
- An sechs Stationen in der Altstadt können die Zuhörer eintauchen in die bewegende, aber auch leidvolle Welt jüdischen Lebens - von den Anfängen bis zur Gegenwart.
- Die Zeitreisenden hören von mittelalterlichen Händlern und Verfolgten, erleben jüdischen Alltag, die Pogromnacht oder lernen Rabbi Elias Drey kennen.
- Mithilfe der QR-Codes auf dem Flyer lässt sich jede Station bequem per Handy ansteuern.
- Die Zeitreise dauert rund 50 Minuten (reine Hörzeit: 30 Minuten).
- Teilnehmer am P-Seminar Geschichte waren: Theresa Bierler, Simon Dobmeyer, Julia Klassen, Juli Lacher, Max Lamm, Emma Löffler, Gina-Marie Meier, Elisa Probst, Dennis Schmidt, Maritta Singer, Katharina Stoiber, Lena Strobel, Johanna Weizer und Carlotta Wilhelm.
- Leiter des P-Seminars: Florian Häusler.
"Die Frage war, was ist möglich, was geben die Quellen her?"
"Natürlich mussten wir da abwägen: Was ist glaubwürdig und was nicht."
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